Barbara Kaufmann: Das Land der Bücklinge

Barbara Kaufmann: Das Land der Bücklinge

Last Updated on 2019-03-10

Kurier, 07.09.2018

Wenn Widerspruch Angst macht, Kritik Feindschaft bedeutet und Skeptiker zum Risiko werden, lebt man gut vom Opportunismus.

Es ist ein Land ohne Widerspruch, wenn die Bücklinge regieren. Natürlich hat es sie schon immer gegeben. Diejenigen, die ihre Fahne nach dem Wind richteten, die Claqueure, Speichellecker, Karrieristen, die vorauseilend Gehorsamen, die Jünger, die Untertanen, die nach oben buckelten und nach unten traten. Früher standen sie in den Vorzimmern, goldbetresst, devot, opportun jenen gegenüber, die die Macht innehatten. Angenehm stumme Diener ihrer Herren.

Aus den Vorzimmern sind sie verschwunden, denn heute sitzen sie längst im innersten Kreis. Dort nicken sie, stimmen zu, lassen kaum eine Gelegenheit aus, um Schultern zu klopfen, am liebsten die eigenen. Denn Opportunismus ist ein Geschäftsmodell, von dem man gut leben kann. In einem Land, in dem Widerspruch Angst macht, Kritik Feindschaft bedeutet, Skeptiker ein Risiko sind für jene, die das Sagen haben. Denn wer leistet sich noch Gegenmeinungen, wer hört sich die andere Seite an, wenn er nicht muss? Wer hat noch das Format und den Charakter für Debatten? In einem Land, in dem die Mächtigen schon immer dünnhäutig waren und immer dünnhäutiger werden, in dem die Kränkung existenzvernichtend sein kann, wenn der Einflussreiche der Gekränkte ist. In dem die andere Meinung eine Kriegserklärung ist. Also wird ausgeschwärmt und gekämpft, gedroht, höflich und unterschwellig, manchmal brutal und laut. Also wird glatt gebügelt, was allzu widerständig scheint, auf Kurs gebracht und gleich gemacht. In einem Land, wo Bravheit Diktat ist, wird Unterordnen zur Bürgerspflicht.

Keine Fehler

Es ist ein Land ohne Verantwortung, wenn die Bücklinge regieren. Denn wo nur Zustimmung herrscht, Begeisterung und Applaus, da gibt es keine Fehler. Da hat man nur eine Meinung, nämlich die richtige. Da ist im Zweifelsfall immer die Gegenseite schuld. Da werden die Geschädigten zu Sündenböcken gemacht, die Opfer zu Tätern, die Zweifler zur Bedrohung. Allein, dass sie aufbegehren, dass sie Missstände anprangern, dass sie die scheinbare Harmonie stören, macht sie schon verdächtig. Wer ausschert, wird angegriffen, persönlich, unmittelbar, unmissverständlich. Wer an Kritik festhält, der wird bestraft. Nachhaltig und konsequent. Wer es anders sieht, wird übergangen. Und wird nichts.

Es ist ein Land ohne Ideen, wenn die Bücklinge regieren. Denn wo kein Widerstand ist, kann keine Reibung entstehen und ohne Auseinandersetzung passiert nichts Neues, keine Innovation, keine Veränderung. Ohne Streit, ohne Konflikt, ohne Debatte herrscht Stillstand. Einbetoniert vom Heer der Günstlinge, gestützt von den Wendehälsen, getragen von Gefälligkeiten, die man sich gegenseitig zuschanzt. Darauf sind Existenzen aufgebaut, damit werden andere vernichtet. Wenn man die Schwierigen entfernt, die Unkonventionellen einschüchtert, die Eigenwilligen diszipliniert, wenn man die Gegenstimmen zum Verstummen bringt, mag das bequem sein für einige wenige, jedoch ist es verheerend für die Gemeinschaft. Wer nur darauf bedacht ist, zu gefallen, der verlernt, selbstständig zu denken. Und wo nicht mehr gedacht wird, wo Widerspruch bestraft wird, wo nur noch die Mehrheitsmeinung zählt, da wird es gefährlich für alle Andersdenkenden.

barbara.kaufmann@kurier.at

Quelle: www.kurier.at vom 07. September 2018, Barbara Kaufmann