Interview: Verhandeln ist besser als streiten

Interview: Verhandeln ist besser als streiten

Last Updated on 2018-11-11

Niemand versteht einen Konflikt und seine wahren Hintergründe so gut wie die Kontrahenten selbst. Deshalb sind Mediation und Verhandlung oftmals die weit bessere Lösung als ein Prozess. Dieser ist nämlich in der Regel auf einen Teilaspekt beschränkt. Auch in der Wirtschaft sollte man Mediation und Elemente daraus stärker nützen, meint die Anwältin und Mediatorin Dr. Marie-Agnes Arlt, LL.M. (NYU).

INARA: Vom „Rosenkrieg“ zwischen Ehepartnern, über Probleme in Schulen bis zu großen Umweltvorhaben – in vielen Bereichen werden heute Mediationsverfahren eingesetzt. Welche Rolle spielt die Mediation in der Wirtschaft?
Dr. Marie-Agnes Arlt: Mediation hilft oft auch in der Wirtschaft, Konflikte außergerichtlich beizulegen und aus diesen eine letztlich positive Entwicklung zu schaffen. Das Einsatzgebiet der Wirtschaftsmediation umfasst nicht nur juristische Streitigkeiten, die sonst zu einem Gerichtsverfahren führen oder bereits geführt haben, sondern auch unzählige andere Konflikte, die innerhalb eines Unternehmens schwelen. Zu denken ist etwa an Konflikte zwischen einzelnen Abteilungen, bei Umstrukturierungen, Fusionen oder Betriebsübergaben. Auch über- oder außerbetrieblich, wenn es etwa zwischen Kooperationspartnern oder mit Lieferanten kriselt, kann ein Mediator hilfreich sein. Besonders wichtig ist die Wirtschaftsmediation bei Konflikten innerhalb von Familienunternehmen. Es hat eine andere Intensität und Auswirkungen auf anderen Ebenen, wenn man gegen eigene Kinder bzw. Eltern vor Gericht zieht; insbesondere, weil die Familienbande auch nach einem Gerichtsverfahren weiterbestehen. Porzellan, das auf diese Weise zerschlagen wurde, lässt sich nur schwer wieder kitten.

INARA: Welche Vorteile hat es, Konflikte mit Wirtschaftsmediation zu lösen?
Arlt: Wenn man einen Konflikt nicht vor Gericht, sondern mit Hilfe eines Mediators außergerichtlich löst, spart man Kosten, kommt meist viel schneller zu einem Ergebnis und kann sich rasch wieder seinen Kernaufgaben widmen. Die Lösungsvielfalt ist weit variantenreicher als in einem Gerichtsprozess, bei dem das Ergebnis von vornherein eingeschränkt ist. Auch negative Berichterstattung in der Öffentlichkeit sowie Imageschäden – beides bringen Prozesse oft mit sich – werden vermieden. Im Idealfall ist bei einer Mediation das Ergebnis für beide Seiten eine Win-win-Situation. Die Partner können weiterhin zusammenarbeiten, weil niemand das Gesicht verloren hat. Ein Prozess bedeutet für die Beteiligten meist eine emotionale Belastung; dabei werden Brücken abgebrochen. Eine Mediation macht daher immer dann Sinn, wenn man auch in Zukunft weiter miteinander zu tun haben wird. Das gilt für Familien ebenso wie für Gesellschafter oder Unternehmen, die gemeinsame Projekte realisieren, aber auch Wettbewerber.

INARA: Diese Argumente leuchten ein. In der Wirtschaft braucht man aber Rechtssicherheit. Wie lässt sich sicherstellen, dass ein durch Mediation ausgehandelter Vergleich tatsächlich hält?
Arlt: Bei Rechtsstreitigkeiten sollte der ausgehandelte Vergleich in einem schriftlichen Vertrag münden, oft handelt es sich um einen vollstreckbaren Notariatsakt. Auch vor Gericht kann ein Vergleich geschlossen werden. Beide Varianten bieten den Streitparteien maximale Rechtssicherheit.

INARA: Wann raten Sie von einem Mediationsverfahren ab?
Arlt: Mediation ist immer freiwillig, beide Parteien müssen sich wirklich darauf einlassen. Wenn sie in Wahrheit einen Gerichtsprozess wollen und die Mediation nur strategisch nutzen, um den Kontrahenten „auszuhorchen“ oder vor Gericht – unter dem Motto, wir wollen uns ja vergleichen, die Gegenseite aber nicht – besser dazustehen, dann macht eine Mediation keinen Sinn.

INARA: Wird Wirtschaftsmediation in Österreich oft eingesetzt oder hinken wir hier nach?
Arlt: In Deutschland ist die Wirtschaftsmediation schon länger etabliert, dort ist sie auch wesentlich stärker verbreitet. In Österreich ist der Gedanke, Konflikte durch den Einsatz von Mediation zu lösen, in der Wirtschaft noch nicht so stark etabliert. Teilweise gibt es auch ein Konkurrenzverhältnis zu anderen Berufsgruppen. In Österreich gibt es aber viele erstklassige Mediatorinnen und Mediatoren, mit denen ich gerne zusammenarbeite.

INARA: Kann Mediation auch bei Verhandlungen hilfreich sein und wie geht man da vor?
Arlt: Ich halte es für überaus sinnvoll, Elemente der Mediation auch bei Verhandlungen einzusetzen und interessenwahrend statt konfrontativ vorzugehen. Immer ist das freilich nicht möglich. Durch gute Kommunikation wird jede Verhandlung effizienter; die Ergebnisse sind in der Regel auch besser. Besonders wichtig ist jedenfalls das richtige Zuhören. Als Mediator lernt man, die im Rahmen des Gesprächs ausgesandten Botschaften auch der jeweils anderen Partei zu übermitteln; das kann man auch bei Verhandlungen nutzen.

INARA: Sie sind als Wirtschaftsmediatorin tätig, sind aber auch Rechtsanwältin. Ist diese Doppelrolle von Vorteil?
Arlt: Ich trenne beide Funktionen, mache sie sogar in unterschiedlichen Unternehmen sichtbar. Zusammen mit meinen Kanzleipartnern arbeite ich in der Wirtschaftsrechtssozietät a2o.legal, bei arlt.solutions biete ich Wirtschaftsmediation sowie Corporate Conflict Management an. Wenn ich als Wirtschaftsmediatorin auftrete, dann bin ich nicht als Anwältin tätig und umgekehrt! In der Position als Wirtschaftsmediatorin ist das rechtliche Wissen zwar hilfreich, aber nicht unbedingt erforderlich. In der Mediation geht es um die eigentlichen Interessen hinter dem Konflikt und eine für beide Seiten tragbare und zukunftsorientierte Lösung; mein rechtliches Know-how hilft freilich oft für die Gesamtbetrachtung. Die Arbeit als Rechtsanwältin hingegen hat eine andere Zielsetzung; oft geht es um die Durchsetzung juristischer Positionen meiner Mandanten, sei es in einem Gerichtsprozess oder bei Verhandlungen. Für mich steht immer im Vordergrund, die für meine Mandanten beste Lösung zu finden. Dabei hilft freilich auch mein Know-how als Wirtschaftsmediatorin.

INARA: Wie läuft eine Mediation in der Praxis konkret ab und wie lang dauert sie?
Arlt: Ich versuche, die Parteien dazu zu bringen, ihren Konflikt, den sie ja selbst am besten kennen, auch selbst zu lösen – durch ein moderiertes strukturiertes Verfahren, in dem ich verschiedene Fragetechniken anwende, um an den Kern des Problems zu kommen. Wie lange das dauert, hängt natürlich davon ab, wie komplex das Problem ist und wie tief der Konflikt sitzt. Entscheidend ist aber, wie sehr die Parteien sich ernsthaft damit befassen, den Konflikt zu lösen. In vielen Fällen reichen fünf bis zehn Einheiten zu je 90 Minuten. Marathonsitzungen halte ich oft nicht für sinnvoll; manchmal sind aber auch diese passend.

INARA: Mit welchen Kosten muss man bei der Wirtschaftsmediation in etwa rechnen?
Arlt: Die Kosten der Mediation werden nach dem Zeitaufwand der Mediatorin bzw. des Mediators verrechnet und von den Streitparteien – je nach Vereinbarung – getragen. Anders als bei Gerichtsverfahren sind sie vom Streitwert unabhängig. Je nach Konfliktsituation arbeitet ein Team von in der Regel zwei Co-Mediatoren, was zwar teurer ist, aber meist zu einem rascheren Ergebnis führt. Die Stundensätze sind je nach Hintergrund und Erfahrung der Mediatorin bzw. des Mediators unterschiedlich. Sie gleichen in Wirtschaftsfällen den Stundensätzen von Rechtsanwälten. Der Vorteil ist jedenfalls, dass der Vorbereitungsaufwand oft sehr eingeschränkt ist, was die Kostengestaltung sehr transparent macht. Jeder Mediand weiß daher konkret, mit welchen Kosten zu rechnen ist. Das Kostenrisiko ist zudem beschränkt, denn jede Mediation kann zu jeder Zeit abgebrochen werden.

INARA: Welche Voraussetzung muss man haben, um in Österreich als Mediator tätig zu sein?
Arlt: Seit Mai 2004 gibt es beim Justizministerium eine Liste der eingetragenen Mediatoren/Mediatorinnen. Die Voraussetzungen für die Eintragung sind gesetzlich geregelt. Man muss mindestens 28 Jahre alt sein, die fachliche Qualifikation sowie die Vertrauenswürdigkeit (Strafregisterauszug) nachweisen, eine Haftpflichtversicherung abschließen. Auch nach der Eintragung muss man eine Mindestfortbildung nachweisen. Man bildet sich daher laufend weiter.

Mehr zu Dr. Agnes Arlt: www.a2o.legal, www.arlt.solutions

Autorin: Dr. Brigitta Schwarzer, MBA

a2o_Agnes_Arlt_01 Fotocredit: Walter Sieberer