„Die Menschen sollen gesund alt werden“

„Die Menschen sollen gesund alt werden“

Last Updated on 2018-11-11

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein setzt in der Gesundheitspolitik stark auf Prävention und sieht bei der Vorsorge auch die Betriebe in der Pflicht. Selbstbehalte sind für sie nicht der Weisheit letzter Schluss, beim Pensionsalter sind derzeit keine Änderungen geplant.

INARA: Gesundheit ist ebenso wie Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Teil Ihres Ressorts. Wo wollen Sie in diesem Bereich Schwerpunkte setzen?
BM Mag. Beate Hartinger-Klein: Mein Ansatz ist – ganz im Sinn unseres Regierungsprogramms – die präventive Gesundheitspolitik. Die Menschen sollen gesund alt werden. Das muss aber von klein auf beginnen. So wollen wir den Mutter-Kind-Pass reformieren, auch einen Jugendpass soll es geben. An oberster Stelle stehen dabei Ernährung und Bewegung. Mit meinem Ministerkollegen Faßmann will ich besprechen, wie man das in die Lehrpläne einbauen kann.

INARA: Die Zusammenlegung der Krankenkassen ist bereits in Arbeit und sorgt für teils hitzige Diskussionen. Welche weiteren Punkte enthält das Regierungsprogramm zum Thema Gesundheit?
Hartinger-Klein: Im Regierungsprogramm ist wie erwähnt festgeschrieben, dass wir stark auf Prävention und Gesundheitsförderung setzen. Wir wollen das Gesundheitssystem noch stärker „kundenorientiert“ gestalten. Die Digitalisierung soll auch im Gesundheitswesen verstärkt Einzug halten, wir wollen künftig auch Telemedizin anbieten und generell die Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem verbessern.

INARA: Sehen Sie sich in der Gesundheitspolitik als „Einzelkämpferin“ oder braucht es hier einen ganzheitlichen Ansatz?
Hartinger-Klein: Die Gesundheit der Bevölkerung kann nur zum Teil durch die „klassische“ Gesundheitspolitik gesichert werden. werden. Weitere wichtige Einflussfaktoren liegen im Bereich der Sozial-, Bildungs-, Umwelt-, Arbeitsmarkt-, Verkehrs- oder Wirtschaftspolitik. Deshalb haben wir die Strategie „Health in All Policies“ („Gesundheit in allen Politikfeldern“), bei der Vertreterinnen und Vertreter aus unterschiedlichen Politik- und Gesellschaftsbereichen gemeinsam an einem Strang ziehen. Statistiken zeigen, dass Personen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status ungesünder leben, häufiger erkranken und früher sterben. Dieser gesundheitlichen Ungleichheit zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen wollen wir entgegenwirken.

INARA: Was soll mit „Health in All Policies“ konkret erreicht werden?
Hartinger-Klein: Unser Ziel ist es, die Zahl der gesunden Lebensjahre nachhaltig zu erhöhen. Ein besonderes Anliegen ist uns auch die Kinder- und Jugendgesundheit. Hier geht es um Bewegung im Unterricht, gesunde Schulbuffets sowie eine Anti-Rauch-Kampagne bei Jugendlichen.

INARA: Mit fit2work gibt es seit einigen Jahren ein Beratungsangebot für Personen und Betriebe zum Thema Arbeit und Gesundheit. Welche Erfahrungen wurden bisher damit gemacht?
Hartinter-Klein: Das Programm stößt sowohl bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch bei den Betrieben auf reges Interesse. Im Vorjahr erhielten mehr als 17.000 Personen eine Basisinformation zu fit2work, mehr als 14.000 Personen nahmen eine Erstberatung in Anspruch und fast 500 neue Unternehmen – darunter viele KMU – haben sich für die Betriebsberatung entschieden. Und schließlich kamen 10.500 Personen zu einer Intensivberatung durch die Expertinnen und Experten von fit2work.

INARA: Was ist das Ziel von fit2work und um welche Personen bzw. Gesundheitsprobleme geht es dabei?
Hartinger-Klein: Fit2work ist eine frühzeitige Interventionsmöglichkeit bei gesundheitlichen Problemen und soll die persönliche Lebensqualität der Menschen erhöhen sowie ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer länger im Berufsleben halten. Wir arbeiten dabei mit den Sozialversicherungsträgern und dem AMS zusammen. Die meisten Personen, die zur Beratung kamen, waren zwischen 50 und 59, gefolgt von der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen. Mit 38 Prozent sind psychische Krankheiten mittlerweile Hauptgrund für eine Beratung, gefolgt von Krankheiten des Bewegungs- und Stützapparats mit 33 Prozent. Fit2work vermittelt deshalb auch kostenfreie psychologische und psychotherapeutische Angebote.

INARA: Seit Anfang September gelten in Österreich neue Bestimmungen über die Arbeitszeit, Stichwort 12-Stunden-Tag. Gibt es da vom Ministerium gesundheitsbezogene Begleitempfehlungen für die Betriebe oder die betroffenen Mitarbeiter?
Hartinger-Klein: Studien zum 12-Stundentag zeigen, was entscheidend für die Arbeitszufriedenheit ist. Neben Aufgaben, Betriebsklima, Führungsstil ist es auch die Möglichkeit, sich die Arbeit selbst einteilen zu können. Ziel des Gesetzes ist eine Flexibilisierung sowohl für die Arbeitgeber- wie auch die Arbeitnehmerseite und die größtmögliche Zufriedenheit für beide Seiten. Den zurzeit geführten „Klassenkampf“ bei diesem Thema lehne ich entschieden ab.

INARA: Seit 2017 gibt es in Österreich „Gesundheitsvorsorge Aktiv“ (GVA), ein Programm der Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Was genau geschieht da?
Hartinger-Klein: Es geht hier um eine moderne Form der Gesundheitsvorsorge. Konkret handelt es sich um Maßnahmen bei Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats. Die traditionelle Kur wurde dafür auf neue Beine gestellt, auf dem Programm stehen mehr Aktivtherapien als früher. GVA-Angebote gibt es sowohl für die aktiv Versicherten als auch für PVA-Pensionistinnen und –Pensionisten. Insgesamt soll die GVA zu einem verbesserten Lebensstil und einer gesteigerten Lebensqualität beitragen. Das bringt für die Patientinnen und Patienten mehr gesunde Lebensjahre. Außerdem soll damit vermieden werden, dass Menschen aus gesundheitlichen Gründen ihren Arbeitsplatz verlieren.

INARA: In der SVA gibt es einen Selbstbehalt bei Arztbesuchen und die Möglichkeit, diesen im Rahmen eines präventiven Gesundheitsprogramms zu reduzieren. Peilen Sie das auch für den ASVG-Bereich an?
Hartinger-Klein: Dieses Thema ist für mich nicht neu, ich habe es schon während meiner Tätigkeit im Hauptverband der Sozialversicherungsträger analysiert. Steuernd wirkt, so sagt die Wissenschaft, ein Selbstbehalt erst ab einer bestimmten Höhe. Die SVA hat fünf Gesundheitsziele (Blutdruck, Gewicht, Bewegung, Tabak und Alkohol) definiert, deren Erreichen zur Halbierung des Selbstbehaltes führen kann. Für mich stellt sich dabei aber die Frage, wie man die Zielerreichung nachhaltig messen und kontrollieren kann. Ein Wert allein ist hier nicht immer aussagekräftig. Daher ist dieses Modell für mich nicht der Weisheit letzter Schluss und eine Ausweitung auf den ASVG-Bereich nicht geplant.

INARA: Burnout wird zu einem immer größeren Problem, auch die Zahl der suchtkranken bzw. suchtgefährdeten Personen steigt. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Hartinger-Klein: Burnout und andere psychische Erkrankungen sind mir ein großes Anliegen. Sie stehen ja an oberster Stelle bei den chronischen Erkrankungen. Ich orte auch bei den Arbeitgebern ein Umdenken Richtung Stressreduktion. Sie sehen ihre Mitarbeiter zunehmend als „wichtigstes Gut“ und handeln dementsprechend. Mit der Alkoholproblematik habe ich mich schon früher auseinandergesetzt. Hier müssen wir Bewusstsein schaffen und dürfen das Thema nicht tabuisieren. Wir bieten dazu Schulungen für die Firmen an.

INARA: Programme wie fit2work oder Gesundheitsvorsorge Aktiv sollen dazu beitragen, ältere Arbeitnehmer länger gesund zu erhalten. Gibt es angesichts der weiter steigenden Lebenserwartung im Ministerium Überlegungen, das Pensionsalter anzuheben?
Hartinger-Klein: Die Regierung bekennt sich klar dazu, dass das faktische Pensionsantrittsalter dem gesetzlichen angepasst werden soll. Eine weitere Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ist nicht geplant. Auch beim Pensionsantrittsalter der Frauen wollen wir am geltenden „Fahrplan“ festhalten.

INARA: Wie sehr sehen Sie die Unternehmen bei der betrieblichen Gesundheitsvorsorge in der Pflicht? Gibt es hier positive Beispiele?
Hartinger-Klein: Es liegt in der Verantwortung der Unternehmen, was sie in Sachen betrieblicher Gesundheitsvorsorge anbieten bzw. konkret investieren. Ein positives Beispiel ist etwa die Erste Bank. Dort arbeitet eine Arbeitsmedizinerin und die hat sich für ein Fitness-Studio engagiert, in dem die Mitarbeiter trainieren können und das von ihr medizinisch betreut wird. Generell sollte jede Führungskraft sich der Verantwortung für die Mitarbeiter bewusst sein. Ob sich die Mitarbeiter wohlfühlen, muss auch im Rahmen der Mitarbeitergespräche Thema sein, denn zufriedene Mitarbeiter wirken sich positiv auf die Produktivität aus. Das ist also letztlich eine win-win-Situation für alle Beteiligten.

Mehr zum Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz: www.sozialministerium.at

Autorin: Dr. Brigitta Schwarzer

_FVZ8703 Fotocredit: BMASGK/Zinner