Interview mit Gerhard Merdonik: „Wir sind so etwas wie eine Großfamilie“

Interview mit Gerhard Merdonik: „Wir sind so etwas wie eine Großfamilie“

Last Updated on 2018-02-16

INARA: Wie und wann ist die Hausmann-Gruppe entstanden und was sind ihre Schwerpunkte? Als Großhandelsunternehmen sind sie ja in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt.
Gerhard Merdonik: Das Unternehmen wurde im Jahr 1946 von Anna & Georg Hausmann in der Steiermark gegründet und ist heute der größte Non-Food-Großhändler in Österreich. Wir verfügen über sieben Standorte in ganz Österreich mit einer Verkaufsfläche von 55.000 m², unser Sortiment, das 375.000 Artikel umfasst, reicht von Garten und Freizeit, Papier und Büro über Drogerieartikel, Spielwaren, Haushalt, Trend & Dekor, Wäsche und Heimtextilien bis zur Mode. 2017 erwirtschafteten wir einen Umsatz von 58 Mio. Euro. Unsere Kunden kommen aus den Bereichen Handel, Gewerbe und Industrie, Gastronomie, außerdem beliefern wir auch Freiberufler und öffentliche Einrichtungen. Ich bin Geschäftsführer und seit kurzem auch 50-Prozent-Gesellschafter der A. Hausmann GmbH.

INARA: Das Unternehmen befindet sich nach wie vor im Familienbesitz. Inwieweit prägt diese Tatsache die Firmenkultur?
Merdonik: Für uns als Familienunternehmen ist die Kultur des guten Miteinander ganz besonders wichtig. Mit unseren rund 330 Mitarbeitern, von denen manche schon mehr als 30 Jahre im Unternehmen arbeiten, sind wir so etwas wie eine Großfamilie. Die Leitlinien für ein gutes Miteinander, das ihnen als Firmeneigentümer besonders wichtig ist, haben Irmtraud und Dkfm. Wolfgang Hausmann in einer Broschüre festgehalten, die den Titel „Der Kleine Hausmann“ trägt. Das Büchlein, das bewusst in einfacher Sprache gehalten und mit Karikaturen sowie Zitaten von Persönlichkeiten versehen ist, soll als Grundlage und Nachschlagewerk  für die Mitarbeiter dienen, aber auch allen Partnern unsere Firmenkultur näher bringen.

INARA: Was genau ist der Inhalt dieser Unternehmensfibel und wie wird sie im Unternehmensalltag eingesetzt?
Merdonik: Die Werte, die die zentralen Elemente unserer Unternehmenskultur darstellen, sollen bei uns nachhaltig gelebt werden. Deshalb wurden sie niedergeschrieben und diese Fibel zusammengestellt. Jeder neue Mitarbeiter und jeder Lehrling bekommt sie, bei Schulungen wird sie eingesetzt, wobei wir dabei jeweils andere Schwerpunkte setzen und die Fibel auch thematisch erweitern. Zu den Inhalten gehören u. a. auch Selbstverständlichkeiten (wie etwa die Gleichbehandlung von Frauen und Männern) oder Stilfragen (bei der Kleidung und in der Verwendung der Umgangssprache). Es geht um den Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden. Unsere Mitarbeiter sollen sich im Unternehmen wohl fühlen und einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Das spüren letztlich auch unsere Kunden.

INARA: Leitlinien zur Unternehmenskultur haben viele Firmen, sehr oft bleiben diese aber reine Schlagworte. Ist das bei Hausmann anders und warum?
Merdonik: Entscheidend für den Erfolg ist, dass die Werte, zu denen sich ein Unternehmen bekennt, von den Eigentümern und der Führung, also top-down, vorgelebt werden. Bei uns wird das so praktiziert. Das zeigt sich unter anderem im Umgang mit den Mitarbeitern. Wir setzen beispielsweise auf die Erfahrungen und Vorbildfunktion von älteren Mitarbeitern und sehen diese nicht als Kostenfaktor, wie das in anderen Firmen oft praktiziert wird. Am 8. Dezember und am 24. Dezember, also an Tagen, an denen viele Handelsunternehmen trotz des Feiertags geöffnet haben, bekommen unsere Mitarbeiter, von denen 90 Prozent weiblich sind, frei. Besonders am Herzen liegt uns aber die Ausbildung junger Menschen, wir betreiben deshalb eine firmeneigene Lehrlingsakademie.

INARA: Was zeichnet für Sie einen Unternehmer aus und wo sehen Sie die wesentlichen Unterschiede zu angestellten Managern?
Merdonik: Wir sind ja im Handel tätig und Kaufmann sein heißt Kompromisse schließen, sogenannte Win-Win-Situationen herzustellen. Man muss mit Herzblut dabei sein. Ein Unternehmer, vor allem in einem Familienunternehmen, denkt in anderen zeitlichen Dimensionen als ein Vorstand, dessen Vertrag nur eine bestimmte Zeit läuft. Man trifft als Unternehmer andere Entscheidungen, auch weil es um das eigene Geld geht. Familienunternehmen, wie wir eines sind, orientieren sich am langfristigen Unternehmenserfolg und sind nicht vor allem share- oder dividendengetrieben wie dies bei börsenotierten Gesellschaften meist der Fall ist. Von letzteren gibt es in Österreich aber ohnehin immer weniger, der Kurszettel der Wiener Börse wird ja laufend kürzer. Familienunternehmen hingegen sind nach wie vor das Rückgrat der heimischen Wirtschaft.

INARA: Haben sich die Kunden gegenüber früher verändert?
Merdonik: Die Kunden sind anspruchsvoller geworden. Man muss ihnen auf Augenhöhe begegnen, sie legen auch Wert auf eine gute Atmosphäre. Daher müssen unsere Mitarbeiter heute eine höhere Qualifikation mitbringen als vor zehn Jahren. Wir haben viele langjährige Stammkunden, die es schätzen, durch unser breites Sortiment bei uns alles unter einem Dach zu finden und von unseren freundlichen Mitarbeitern gut beraten zu werden.

INARA: Viele Unternehmen klagen heute über Probleme bei der Mitarbeitersuche. Ist das auch bei Ihnen so?
Merdonik: Es ist nicht leicht, gute Leute zu finden. Auch die Suche nach geeigneten Lehrlingen ist alles andere als einfach. Für junge Leute ist der Handel als Arbeitgeber unattraktiv geworden, vor allem wegen der Arbeitszeiten, aber auch im Hinblick auf die Herausforderungen der neuen digitalen Arbeitswelten sind wir nicht genug „sexy“.

INARA: Seit der Gründung von Hausmann vor mehr als 71 Jahren ist – Stichwort „Greißlersterben“ – im heimischen Handel kein Stein auf dem anderen geblieben. Wie sehen Sie als Handelsprofi diese Entwicklung und wie wird es – Stichwort e-Commerce – weitergehen?
Merdonik: Bis in die 1990er-Jahre dominierte in Österreich die klassische Einzelhandelsstruktur. Dann kam die Konsum-Pleite, Meinl wurde verkauft, Rewe und Spar gewannen Marktanteile, neue Konzepte hielten im Handel Einzug. Ab den frühen 2000er-Jahren wurden alle Märkte völlig umgekrempelt. Auch wir haben unsere Sortimentsschwerpunkte angepasst und Lifestyle Sortimente mit aufgenommen. Unsere Kundenstruktur hat sich über die Jahre ebenfalls verändert. Wir entwickelten für unsere Händler-Kunden sogar ein eigenes Vorteilsprogramm, die Hausmann Business Class. Besonders wichtig ist es hierbei zu erwähnen, dass unsere Händler-Kunden nicht nur auf unser gesamtes Sortiment zugreifen und vom gemeinsamen Import sogar in kleinen Mengen profitieren können, sondern vor allem auf unsere Produktdatenbank zugreifen können, die für den stationären und den Online-Handel entsprechend detailliert und in hervorragender Qualität aufbereitet ist.

Die nächste Umwälzung, ausgelöst durch den Online-Handel, ist bereits voll im Gang. Wir haben uns darauf entsprechend eingestellt und bieten neue Services und Dienstleistungen an. Unsere Kunden können bei uns online bestellen und die gewünschte Ware dann in unseren Filialen abholen (click & collect), außerdem haben wir einen B2B Webshop etabliert. Auch auf Social Media wie etwa Facebook sind wir als Unternehmen präsent. Generell erwarte ich mir im Handel in den nächsten Jahren eine substantielle Flächenbereinigung.

Website A. Hausmann GmbH: www.hausmann.at

Autorin: Dr. Brigitta Schwarzer, MBA

_MG_1563 Fotocredit: Hausmann