Interview mit Mag. Elfriede Baumann: „Ich habe mich nie als Exotin gefühlt“

Interview mit Mag. Elfriede Baumann: „Ich habe mich nie als Exotin gefühlt“

Last Updated on 2018-03-20

Fotocredit: EY Österreich

„Probieren wir es halt einmal.“ Wirtschaftsprüfer war damals noch kein Frauenberuf, aber für Mag. Elfriede Baumann war dieser Satz, den sie 1979 beim Vorstellungsgespräch in der Südost-Treuhand (heute EY, Ernst & Young Österreich) zu hören bekam, ein Ansporn – und gleichzeitig der Beginn einer eindrucksvollen Karriere. Baumann, Jahrgang 1955, hatte an der WU in Wien Wirtschaftspädagogik studiert und wollte ursprünglich den Lehrberuf ergreifen. Doch bald entdeckte sie, dass das Metier der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung weit mehr an spannenden Herausforderungen bietet als die Tätigkeit im Klassenzimmer. 1983 absolvierte die gebürtige Kärntnerin die Steuerberater-Prüfung, 1989 folgte die WP-Prüfung. Kurze Zeit später wurde Baumann als eine der ersten Frauen Partnerin bei Ernst & Young, 1995 Geschäftsführerin der EY GmbH. Seit 2002 war sie – als einzige Frau – Mitglied des Executive Boards bei EY und im Unternehmen für Human Resources zuständig. Ende 2017 zog sich Baumann, die eine Tochter und einen Sohn hat und deren Ehemann ebenfalls bei EY tätig war, aus dem aktiven Berufsleben zurück.

„Ende der 70-er-Jahre hatte das Unternehmen 70 Mitarbeiter, davon nur eine Handvoll Frauen“, erinnert sich Baumann. Heute arbeiten bei EY Österreich rund 1000 Personen und zwar mehr Frauen als Männer (Anm. rund 60% Frauen). 1979 war von den vier Vorständen einer weiblich. Jetzt sind bei EY ein Drittel der Partner und 45% aller Manager Frauen. „Ich habe mich nie als Exotin gefühlt“, betont Baumann. Ihre Klienten – darunter beispielsweise die als reine Männerwelt verschriene E-Wirtschaft – waren weiblichen Beratern gegenüber offen und haben sie ebenso akzeptiert wie ihre männlichen Kollegen.

Wirtschaftsprüfung funktioniert nur in einer Gemeinschaft: „Ohne Teamarbeit geht es nicht“, ist Baumann überzeugt. Der Druck sei in den vergangenen Jahren größer geworden und junge Mitarbeiter hätten heute einen anderen Zugang zu Arbeitsstress und Freizeit.

Generell haben es nach Einschätzung von Baumann Frauen bei internationalen Unternehmen und Netzwerken wie EY leichter, Karriere zu machen als bei österreichisch dominierten Firmen: „International werden Gleichbehandlung, Diversity und Inclusiveness schon länger und intensiver gelebt als bei österreichischen Unternehmen.“

Gezielte Frauenförderung wird bei EY seit Jahren praktiziert. So werden Damen, die das Potenzial zur Partnerin haben, regelmäßig in diverse Ausbildungsprogramme geschickt. Seit vielen Jahren gibt es auch Förderprogramme für Mitarbeiterinnen, die seit drei bis vier Jahren im Unternehmen sind. Dabei geht es weniger um fachliche Kompetenz – die muss sowohl bei weiblichen als auch bei männlichen Mitarbeitern vorhanden sein – sondern eher um die Persönlichkeitsentwicklung. Und die Mitarbeiterinnen treffen sich mehrere Male pro Jahr im Navigator-Café, für das Baumann die Oberhoheit hatte. „Dort haben u.a. Partnerinnen über ihren Werdegang referiert. Das Programm fördert den Austausch und hilft Erfahrungen zu sammeln“, so Baumann. Seit 2015 gibt es bei EY Österreich unter der Initiative „ Women. Fast Forward“ mehrmals jährlich Netzwerktreffen, zu denen 60 bis 100 externe Teilnehmerinnen – etwa Klientinnen – eingeladen werden. Diese Treffen dienen als Plattform für die Vernetzung der Damen, langfristiges Ziel ist es, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Diesem Thema hat sich EY auch in mehreren Studien gewidmet, die – wie zuletzt jene über die Frauenquote im Aufsichtsrat – in der Öffentlichkeit auf großes Interesse stoßen.

Die Frauenquote, die nun in Österreich per Gleichstellungsgesetz gesetzlich vorgeschrieben ist, sieht Baumann als Anschub und deshalb positiv: „Natürlich will niemand eine Quotenfrau sein. Aber ohne Quote tut sich nichts. Die Unternehmen hätten lange genug Zeit gehabt, aus eigenem Antrieb für einen höheren Frauenanteil in den Gremien zu sorgen. Und die entsprechende Leistung müssen Frauen ja trotz Quote erbringen.“ Rasend schnell werde der Anteil von Frauen in Spitzenpositionen trotz der neuen gesetzlichen Vorgaben nicht steigen, das sei in den Köpfen noch nicht generell verankert, meint Baumann. Frauen hätten wegen des Spagats zwischen Kindern und Beruf oft ein schlechtes Gewissen, da müsse sich gesellschaftspolitisch noch viel ändern.

Die Managerin ortet in der Öffentlichkeit ein falsches Bild von der Aufsichtsratstätigkeit: „Es ist viel zu tun, vor allem muss man sich mit dem betreffenden Unternehmen und der Branche intensiv auseinandersetzen.“ Frauen könnten sich vor allem für die Funktion des Finanzexperten, den es in Aufsichtsräten mit einem Prüfungsausschuss geben muss, eignen.

Website: www.ey.com

Das Interview führte Dr. Brigitta Schwarzer, MBA.