„Pension ist etwas, das man lernen muss“

„Pension ist etwas, das man lernen muss“

Last Updated on 2018-03-01

Mag. Edwin Spraider, BA

„Man sollte bereits mit 45 damit beginnen, sich auf die Pension vorzubereiten und für die nächsten 15 bis 20 Jahre seines Lebens zu planen“, meint Mag. Edwin Spraider, BA (53), der als Unternehmensberater sowie Psychotherapeut & Coach arbeitet. Spraider argumentiert, dass sich der Mensch mit 40 bis 45 verändere und zwar sowohl körperlich als auch psychisch. Etwa in diesem Alter werde auch klar, „in welcher Liga man spielt“, d.h. ob man seinen beruflichen Plafond bereits erreicht hat, noch erreichen wird oder das nie schafft. Pension müsse man lernen, meint der Experte. Frühere Generationen hätten nur wenige Jahre Ruhestand erlebt, heute dauert diese Phase oft 20 Jahre und mehr und dafür müsse man vorsorgen.

Noch etwas hat sich gegenüber früher geändert, betont Spraider: „In der Vergangenheit stieg das Einkommen bis zur Pension regelmäßig an. Auch ein Wechsel des Jobs war in der Regel mit einem höheren Einkommen verbunden.“ Weil das heute nicht mehr so ist, sollte man sich rechtzeitig neue Herausforderungen suchen, die einen auch persönlich befriedigen. Wie sehr sich manche Menschen nach wie vor allein über ihren Beruf definieren zeigt das Beispiel eines Klienten von Spraider. Der verlor mit 53 seinen Job, war davon tief geschockt und bewarb sich ein ganzes Jahr lang nirgends.

Für das Leben nach der Pensionierung seien eine Tagesstruktur sowie ein Netzwerk wichtig. Außerdem sollte man flexibel und beweglich bleiben und vor allem seine Sozialkontakte pflegen. „Kommunikation ist das Um und Auf, sonst nimmt man am Leben nicht teil“, so Spraider. Die Kontakte müsse man aber schon während des aktiven Berufslebens suchen und zwar vor allem bei Menschen, die etwa im gleichen Alter sind und ähnliche Interessen haben wie man selbst. „Man sollte sich bewusst sein, dass das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben eine ernsthafte Situation ist, die man am besten proaktiv angeht und zwar rechtzeitig“, bringt es Spraider auf den Punkt.

Probleme nach der Pensionierung haben auch hochrangige Manager, die sich nicht darauf vorbereitet haben. „Viele schaffen den Wechsel nicht“, so Spraider. Wer früher einen durchgetakteten Tagesablauf hatte und nun einen leeren Terminkalender, falle oft in ein tiefes Loch. Vielen Spitzenmanagern fehlt es an sozialer Kompetenz. Wer mit Macht und im Wettbewerb nach oben kommt, braucht narzisstische Tendenzen – „und da wird man schnell sehr einsam“. Sobald solche „Alpha-Tiere“, die sowohl männlich als auch weiblich sein können, ihre berufliche Funktion nicht mehr haben, werden sie für ihre Umgebung uninteressant. Deshalb sei es wichtig, rechtzeitig ein Netzwerk aufzubauen und zwar in jener Liga, in der man ist oder in die man will, und mit Menschen, die gleiche oder ähnliche Interessen haben wie man selbst.

Die – oft geäußerte – Vorfreude auf die Pension hält Spraider für gefährlich, Nichtstun sei für den Menschen ein veritabler Stressfaktor – auch körperlich. Viele Menschen werden krank, nachdem sie im Beruf aufgehört haben. Zum Dilemma werden kann nach Meinung des Psychotherapeuten in der Pension auch die Partnerschaft – vor allem denn, wenn die Kinder bereits aus dem Haus sind. Es sei wichtig, auch Sozialkontakte außerhalb der Partnerschaft zu haben. Besonders oft kriselt es bei Paaren, wenn einer der beiden noch arbeitet, der andere bereits im Ruhestand ist. Frauen bewältigen nach Meinung von Spraider den Wechsel in den Ruhestand tendenziell leichter, weil sie meist kommunikativer und besser vernetzt sind als Männer.

Je früher man damit anfängt, seinen Planungshorizont über den Beruf hinaus zu erweitern und sich geistig auf die Pension vorzubereiten, desto einfacher sei es, betont der Experte. Man könnte etwa noch in der Aktivzeit während des Urlaubs etwas ausprobieren. Das kann beispielsweise ein Handwerk sein oder ein Hobby, für das sonst die Zeit fehlt. Eine Nebenbeschäftigung oder soziale Engagements, denen man sich schon während der Aktivzeit widmet, seien als Vorbereitung für die Zeit nach dem Berufsleben sehr zu empfehlen. In manchen Fällen wird es möglich sein, später als Konsulent weiter im angestammten Bereich tätig zu sein. Eine andere Möglichkeit wäre, ein Studium zu beginnen, damit bleibt man geistig fit und knüpft neue Kontakte.

In ihren Unternehmen nehmen viele Manager Hilfe von außen in Anspruch und lassen sich von Experten beraten. Sich auch im Vorfeld der Pensionierung coachen zu lassen, sei durchaus zu überlegen, meint Spraider. Um den geeigneten Therapeuten dafür zu finden, sollte man sich Referenzen geben lassen. Wichtig sei es, mit dem Therapeuten – der möglichst auch einen Grundberuf haben sollte – eine gemeinsame Sprache zu finden.

Mag. Edwin Spraider, BA ist Supervisor, Coach, Psychotherapeut und Unternehmensberater.

Website: www.spraider.at