Was Führungskräfte vom Schach lernen können

Was Führungskräfte vom Schach lernen können

Last Updated on 2018-03-20

Dr. Christine Domforth

„König, Dame, Bauernopfer – was verbindet das Schachspiel mit moderner Unternehmensführung?“ Unter diesem Motto luden die BONUS Concisa Gruppe und das zur Grawe-Bankengruppe gehörende Bankhaus Schelhammer & Schattera am 15. März zu einer Veranstaltung im exklusiven Palais Esterhazy in Wien. Star des Abends war die ungarische Großmeisterin Judith Polgar, die als beste Schachspielerin aller Zeiten gilt.

Alexander Götz, Unternehmensberater, ehemaliger Turnierschachspieler und Autor des Buchs „Schach dem Manager“, erklärte, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das „königliche Spiel“ im Banne der Digitalisierung steht. 1996 gelang es dem Superschach-Rechner Deep Blue erstmals, den damaligen Schachweltmeister Garry Kasparow zu schlagen. Heute haben selbst die weltbesten Spieler gegen ausgefeilte Schachprogramme kaum Chancen. Ende des Vorjahres sorgte ein besonders spektakulärer Wettkampf für Aufsehen in der internationalen Schach-Community: Nach nur vier Stunden Lernzeit schlug das von Google entwickelte Programm Alpha Zero das bislang weltbeste Schachprogramm Stockfish, das auf jahrelanger Entwicklungsarbeit basiert. Welche Schlussfolgerungen soll die Wirtschaft daraus ziehen? „Es geht darum, die Technik zu nützen. Der Mensch sollte die Routinetätigkeiten der Maschine überlassen und sich darauf konzentrieren, was er besser kann als ein Computerprogramm“, meint Götz.

Judit Polgar (Jahrgang 1976), die mit fünf Jahren mit dem Schach begonnen hat und lange zusammen mit ihren zwei älteren Schwestern als „Polgar Sisters“ bei Turnieren spielte, wurde 1991 im Alter von 15 Jahren jüngster Schachgroßmeister aller Zeiten. Spitzenschach galt damals noch als reine Männerdomäne. Doch 1996 schaffte sie es als erste Frau unter die Top-Ten der Weltrangliste. Bereits sehr früh hatte Polgar beschlossen, nur noch gegen Männer zu spielen. 2002 gewann sie als erste Frau gegen die amtierende Nummer eins der Welt, damals der Russe Garry Kasparov. „Dass eine Frau besser spielt als er, wollte nicht in seinen Kopf“, erinnert sich Polgar schmunzelnd. Sie ist mittlerweile mit einem Tierarzt verheiratet und hat zwei Kinder. 2014 zog sie sich aus dem aktiven Turniersport zurück, arbeitet jetzt für ihre Schach-Foundation, die vor allem Kinder für den Schachsport begeistern soll, und trainiert die ungarische Herren-Schachmannschaft.

Das Schachspielen ist nach Meinung von Polgar definitiv ein Sport. Man brauche nicht nur eine gute Kondition, vor allem gehe es dabei um Konzentration auf höchstem Niveau. Bei einem Turnier könne man leicht ein paar Kilogramm verlieren, erzählt sie. Dass das Spielen Stress bedeutet, zeige sich unter anderem am deutlich beschleunigten Pulsschlag.  

Was können nach Meinung von Polgar Führungskräfte vom Schach lernen? In beiden Fällen geht es um analytisches Denken ebenso wie um Kreativität. Wichtig sei es, sich alle Informationen zu beschaffen und viel zu arbeiten, um das Selbstvertrauen zu stärken. „Man muss sich aber auch Fehler eingestehen, damit man daraus lernen und sich verbessern kann“, betont sie. Als Polgar begann, studierte man Schachpartien noch auf Papier, heute arbeiten die Spitzenspieler weltweit mit Computern, die zig-Millionen von Spielzügen gespeichert haben. „Aber wir müssen der Boss sein, der Computer soll uns unterstützen, damit wir kreativer sein können“, so Polgar. Man müsse neugierig bleiben und leidenschaftlich sein. Auch wenn man beim Spiel als Einzelkämpfer agiert, sei doch im Hintergrund das Teamwork enorm wichtig – was wohl nicht nur beim Schach, sondern auch in der Wirtschaft zutrifft.

Vor der von Harald Schneider-Zinner, Internationaler Schachmeister und Trainer der österreichischen Damennationalmannschaft, moderierten Veranstaltung absolvierten zwei junge österreichische Nationalspielerinnen einige Partien am Riesenschachbrett. Die Gäste des Events beobachteten die Spielzüge aufmerksam. Nach Polgars Vortrag wurde beim Buffet noch lange angeregt über die Gemeinsamkeiten von Schach und Management diskutiert. Einige schachkundige Teilnehmer hatten am nächsten Tag Gelegenheit, sich in einer Simultanschachpartie mit Judit Polgar zu messen.