Wirtschaftsstandort & Lebenswelt

Wirtschaftsstandort & Lebenswelt

Last Updated on 2018-06-25

INARA: Was unterscheidet die Seestadt Aspern von anderen Stadtentwicklungsgebieten?
Dr. Alexander Kopecek: Mit einer Fläche von 240 Hektar sind wir eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas. Wir bieten aber hier in Wien-Donaustadt nicht nur Platz zum Wohnen – im Endausbau werden hier rund 20.000 Menschen leben und eine perfekte Infrastruktur vorfinden – sondern sind auch ein Wirtschaftsstandort, der künftig bis zu 20.000 Arbeitsplätze bieten soll. Bei uns stehen also Leben und Arbeiten in Balance, wir sind keine reine „Wohnstadt“. Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte sowie alle Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur AHS-Oberstufe sind natürlich vorhanden. Dazu kommt ein Freizeitangebot, das im Endausbaustadium vielfältig sein wird.

INARA: Sie setzen in der Seestadt Aspern besonders auf Diversität. Wo schlägt sich das beispielsweise beim Wohnen nieder?
Kopecek: In der Seestadt gibt es alles – Eigentumswohnungen gefördert und freifinanziert, Mietwohnungen, Genossenschaftswohnungen und Baugruppen. Es gibt Wohnungen in allen Größen – alle mit Balkon, Terrasse oder Garten, auch Dachgeschoßwohnungen – dazu Studentenheime, Betreutes Wohnen und Serviced Appartements. Das Verhältnis Eigentums- zu Mietwohnungen ist etwa 1 : 4, wobei manche Eigentumswohnungen als Vorsorgewohnungen erworben und dann vermietet werden. Insgesamt haben wir eine gute soziale Durchmischung. Diese entspricht bei uns jener im gesamten 22. Bezirk. Diese Ausgewogenheit hat man nicht zuletzt am ausgewogenen Ergebnis der Nationalratswahl 2017 erkennen können.

INARA: Sie wollen also alle Schichten ansprechen, unabhängig von ihrer Kaufkraft….
Kopecek: Es soll bei uns für alle ein Angebot geben und zwar zum Arbeiten, zum Wohnen, Kindergärten und Schulen, Geschäfte. Natürlich stehen wir da erst am Anfang, die Weiterentwicklung erfolgt Schritt für Schritt.

INARA: Können Sie uns dafür ein paar Beispiele geben?
Kopecek: Wir haben jetzt auch einen Bauernmarkt eingerichtet, weil es Bevölkerungsschichten gibt, die genau dieses Angebot möchten – auch wenn die Produkte dort teurer sind als im Supermarkt. Märkte sind außerdem immer auch ein Ort der Begegnung und wichtig für regionale Produkte, die es ja im 22. Bezirk mit seinen ländlichen Strukturen zur Genüge gibt. Da sind wir aber erst am Weg und es ist das Ziel, hier mehr zu erreichen. Es ist sehr schwer, so einen Markt zu etablieren. Ansiedlungen von Privatschulen sind ebenfalls geplant. Stolz sind wir auch auf unsere als beste Buchhandlung 2018 ausgezeichnete Seeseiten Buchhandlung, die bereits ein großes Einzugsgebiet hat. Durch solche vielseitigen Angebote gibt es eine plurale Struktur.

INARA: Und wie sieht es mit den Unternehmen aus, die sich hier angesiedelt haben oder es noch tun werden?
Kopecek: Bisher haben sich mehr als 120 Unternehmen und die TU für einen Standort in der Seestadt Aspern entschieden. Auch hier setzen wir auf Diversität und einen bunten Branchenmix. Es gibt große wie kleine Betriebe, Start-ups und Traditionsunternehmen, Einzelhändler, EPUs und Industriekonzerne.

INARA: Diversität wird bei Ihnen sogar bei den Straßennamen groß geschrieben…
Kopecek: Das stimmt. Weil generell deutlich mehr Straßen nach Männern benannt werden, wählen wir für unsere Straßennamen prominente Frauen aus Geschichte, Gesellschaft, Politik und Kultur.

INARA: Wie zufrieden sind jene Menschen, die jetzt schon hier leben? Und was fehlt ihnen?
Kopecek: Kürzlich gab es eine Befragung der Seestadt-Bewohner. Demnach sind 85 Prozent unserer Bewohner sehr zufrieden. Mit Jahresende soll jede U2-Garnitur bis zur Endstelle Seestadt fahren, weil bis dorthin ausreichen Fahrgäste die U-Bahn frequentieren. Wird der Lobautunnel gebaut, verbessert sich die Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz, was vor allem für die in der Seestadt angesiedelten Betriebe wichtig ist. Insgesamt, das hat eine Studie der TU Wien ergeben, hat die Seestadt die beste Relation zwischen Mobilität und Wohnkosten in ganz Wien.

INARA: Sie möchten Wohnen und Arbeiten an einem Ort anbieten. Funktioniert das in der Praxis?
Kopecek: Wir bemühen uns, dass die Leute, die in der Seestadt arbeiten, auch hier wohnen können. Das ist allerdings nicht immer ganz einfach, weil auch wir bei den geförderten Wohnungen längere Wartelisten haben. Generell sind die einzelnen Bauträger, die bei uns tätig sind, sehr fantasievoll, was Arbeiten und Wohnen an einem Ort anbelangt und haben fantastische Objekte entwickelt. Man darf nicht vergessen, dass sich sowohl das Wohnen als auch das Arbeiten in den vergangenen Jahren stark verändert hat und weiter verändern wird. Alles ist auf Multifunktionalität ausgerichtet, die Häuser werden in der Nutzungsvielfalt robuster. Das alles tut auch der sozialen Durchmischung gut.

INARA: Wie wird die Seestadt in 20 oder 30 Jahren aussehen?
Kopecek: Derzeit leben hier überwiegend junge Paare und Familien. Einzelne Bauträger planen aber auch die Errichtung von Wohnungen für ältere Menschen. Mittelfristig peilen wir eine ausgewogene Alterspyramide an, nicht in Birnenform. Das wird sich durch die normale Fluktuation ganz von selbst ergeben. Nach unserer Wohnphilosophie wird es auch möglich sein, dass ältere Personen in kleinere Wohnungen wechseln können, wenn ihre Kinder ausziehen.

INARA: Gab es für die Planer der Seestadt ein Vorbild, nach dem sie sich orientiert haben?
Kopecek: Vor der Planung haben wir uns Beispiele in ganz Europa angesehen und sind in Schweden fündig geworden. In Stockholm wurde ein ähnliches Stadtentwicklungsprojekt in den 80-er Jahren sehr erfolgreich umgesetzt. Von dort haben wir die Grundstruktur „Arbeiten, Wohnen, Freizeit – alles unter einem Dach“ übernommen. Und heute gelten wir international selbst als DAS best-practice-Beispiel.

INARA: Wenn Sie auf die Planungsphase und die Erfahrungen seit dem Bezug der ersten Wohnungen in der Seestadt zurückblicken: Was würden Sie heute anders machen?
Kopecek: Erst in der Realität sieht man, was funktioniert und was nicht. So lernen wir schrittweise dazu und beziehen dabei immer auch die Bevölkerung mit ein. Wir haben beispielsweise gesehen, dass es zu wenig Angebote für Jugendliche gibt, deshalb planen wir jetzt zusätzliche Möglichkeiten. Betreffend Besucherparkplätze muss man eine kostenfreundliche Lösung mit den Garagenbetreibern entwickeln. Weil wir in der Grundplanung bewusst Baulücken (wir sagen auch „Zahnlücken“ dazu) gelassen haben, gibt es jetzt genügend Raum für Nachbesserungen.

INARA: Kommen viele Menschen zum „Seestadt-Schauen“ bzw. um hier die Freizeiteinrichtungen zu nutzen?
Kopecek: Es ist nicht unser Bestreben, eine „Tourismus-Stadt“ zu werden. Wir wollen regional und ein Nahversorgungszentrum bleiben. Unser See fasst bis zu 2.000 Badegäste und ist im Sommer jetzt schon sehr beliebt. Dennoch sind wir für manche Wiener einen Ausflug wert. Jugendliche nützen die Parks und Erwachsene frequentieren die Gastronomie. Generell ist aber die Funktion des Stadtteils auf die eigene innere Kraft abgestellt. Bei uns kennt jeder jeden, die Leute reden miteinander, es ist sehr familiär. Dazu tragen Nachbarschaftsfestivals und andere gemeinsame Initiativen bei, es wurde sogar ein eigener Seestadt-Chor gegründet.

INARA: Wie soll sich die Seestadt in Zukunft entwickeln und was bedeutet dieses Projekt für Wien?
Kopecek: Ein innovatives urbanes Projekt wie die Seestadt Aspern wertet natürlich Wien als Weltstadt auf. Generell soll die Weiterentwicklung aus uns heraus passieren, wobei wir auch auf Veränderungen und Trends reagieren müssen. Geplant waren ursprünglich 8.500 Wohnungen, die aufgrund der Marktsituation immer smarter werden müssen. Dem haben unsere Bauträger Rechnung getragen, ebenso der Tatsache, dass es aus ökologischen und ökonomischen Gründen künftig weniger Autos geben wird. Mein Fazit: „Wir werden noch viele Bretter bohren müssen“, d.h. es liegt noch viel Arbeit vor uns.

Mehr zur Wien 3420 Aspern Development AG: www.wien3420.at