09 Jul Arbeitsproduktivität 60+: Wie ältere Arbeitnehmer:innen zum Wachstumsmotor werden können
Last Updated on 2025-07-10
Brigitta Schwarzer
Angesichts der demografischen Entwicklung und des angespannten öffentlichen Haushalts werden in Österreich aktuell Maßnahmen gesetzt, um das faktische Pensionsantrittsalter für nicht körperlich schwer arbeitende oder gesundheitlich beeinträchtigte Personen an das gesetzliche heranzuführen. Es wird aber auch zunehmend über eine Anhebung des Regelpensionsalters auf 67 Jahre oder mehr diskutiert – zusätzlich zur bereits beschlossenen Erhöhung des Frauenpensionsalters auf 65 bis zum Jahr 2033.
Dabei stellt sich eine zentrale Frage: Welche Auswirkung hat es auf die Arbeitsproduktivität, wenn mehr ältere Menschen länger im Berufsleben bleiben?
Das Thema gewinnt durch die aktuell laufende Pensionierungswelle der Babyboomer, die noch weitere zehn Jahre anhalten wird und mit massiven Abgängen erfahrener Fachkräfte aus Industrie, Verwaltung und Dienstleistung einhergeht, besondere Aufmerksamkeit.
Ausgangslage: Produktivitätsstagnation trotz längerer Erwerbsdauer
Österreichs Arbeitsproduktivität hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verlangsamt. Während das Wachstum der Produktivität pro Stunde in den 1970er-Jahren noch rund 3 % jährlich betrug, sank es laut WIFO und Statistik Austria bis 2000 auf etwa 1,5 % und liegt seit den 2010er-Jahren teils unter 1 %.
Ursachen sind u. a.:
- Strukturwandel (mehr Teilzeit, weniger Industrie)
- zu geringe Investitionen in Digitalisierung & Automatisierung
- Fachkräftemangel
- sinkende Kapitalintensität
- steigende Lebenserwartung bei stagnierender Erwerbsquote Älterer
Das Potenzial älterer Mitarbeiter:innen als Produktivitätstreiber
Die Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre oder mehr bietet – sofern klug umgesetzt – enorme Chancen zur Produktivitätssteigerung, vor allem durch:
- Erfahrung, Verlässlichkeit und Prozesswissen
60+ Mitarbeitende bringen Fachwissen, betriebliches Know-how und eine hohe Loyalität mit. Zwei Studien des Max-Planck-Instituts zeigen, dass bei komplexen Aufgaben ältere Arbeitskräfte oft sogar produktiver sind als jüngere – vor allem durch Fehlervermeidung und Sorgfalt.
- Generationendialog statt „Silostruktur“
Durch Mentoring und Reverse Mentoring profitieren Jung und Alt: Erfahrungswissen trifft auf neue Technologien. Ein Beispiel: Die Integration älterer Mitarbeitender in Innovationsprojekte kann Fehlstarts vermeiden – ein klarer Produktivitätsgewinn.
- Höhere Teamstabilität & Kundenbindung
Ältere Mitarbeitende haben zeigen eine geringere Fluktuation und eine stärkere Kundenbindung, was besonders in serviceorientierten Branchen wie dem Handel oder dem Gesundheitswesen von Vorteil ist.
Unternehmenskultur und strategische Umsetzung
Ein nachhaltiger Produktivitätseffekt ist nur dann möglich, wenn Unternehmen nicht nur auf politischen Druck (z. B. Bonus-/Malus-Systeme) reagieren, sondern aktiv und überzeugt auf Altersdiversität setzen:
- Neue Jobangebote für 60+ Neueinsteiger:innen
Aktuell sind viele ältere Arbeitslose „langzeitarbeitslos“ – nicht wegen mangelnder Qualifikation, sondern wegen fehlender Angebote. Zielgerichtete Programme für z. B. Beratungsrollen oder Qualitätssicherung nutzen vorhandenes Wissen und reduzieren Einarbeitungszeit.
In Stellenanzeigen „60+ willkommen“ signalisiert Wertschätzung und Offenheit.
- Altersgerechte Arbeitsgestaltung
Flexible Teilzeitmodelle, ergonomische Arbeitsplätze, Homeoffice für Routineaufgaben – das sind kosteneffiziente Maßnahmen, die Produktivität sichern und Motivation erhöhen.
- Lebenslanges Lernen
Förderprogramme wie die „Qualifizierungsoffensive 50+” bieten älteren Arbeitnehmer:innen finanzielle Unterstützung zur Weiterbildung – mit messbarem Produktivitätsplus.
Förderprogramme wie z.B. die Qualifizierungsoffensive 50+ bieten finanzielle Unterstützung zur Weiterbildung älterer Arbeitnehmer:innen – mit messbarem Produktivitätsplus.
Vorteile für Unternehmen – kostenschonend und effektiv
Gerade in Zeiten knapper Budgets profitieren Unternehmen mehrfach:
- Geringere Fluktuation = weniger Recruitingkosten
- Höhere Fehlervermeidung = stabilere Prozesse
- Erfahrungsschatz = kürzere Projektlaufzeiten und höherer Output
- Mentoringeffekte = schnellere Integration neuer Kolleg:innen
All das sind Produktivitätshebel ohne großen Kapitaleinsatz.
Fazit
Die Anhebung des faktischen und in weiterer Folge des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ist angesichts der demografischen Entwicklung und der Budgetzwänge unausweichlich. Sie kann aber – richtig genutzt – zu einem strategischen Vorteil für Unternehmen werden. Die gezielte Einbindung älterer Arbeitnehmer:innen, ein generationenübergreifender Wissenstransfer und eine offen gestaltete Firmenkultur verwandeln die Herausforderung in ein echtes Produktivitätsplus – für Betriebe, Gesellschaft und das Budget.