28 Jul Energiewende im Verkehr muss neu gedacht werden
Last Updated on 2024-08-18
eFuel Alliance Österreich / Dr. Stephan Schwarzer / Gastbeitrag, 26.07.2024
Nachhaltige Mobilität braucht Technologieoffenheit statt Engstirnigkeit – eine Strategie für grüne Energieimporte ist überfällig.
Vor fünf Jahren versprach der Europäische Green Deal (EGD) Wachstum durch Klimaschutz. Aktuell sieht die Halbzeitbilanz aber eher mager aus: Durch die schleichende De-Industrialisierung verliert die EU gegenüber den USA und China an Wirtschaftskraft, von den selbstgesteckten Klimazielen ist sie weit entfernt. Nur ein Beispiel für das Scheitern ist die mit großem Aufwand betriebene Electric-Only-Strategie bei PKW, LKW und Bussen. Spät aber doch hat man erkannt, dass E-Autos made in China eine Bedrohung für die europäische Automobilindustrie sind – tausende Arbeitsplätze sind aber bereits verloren. Dass die Kommission jetzt mit Schutzzöllen die Notbremse zieht, unterstreicht, dass irgendetwas schief gegangen ist. Die nächste EU-Kommission muss die Energiewende im Verkehr nun neu denken und rasch Kurskorrekturen festlegen.
Damit die angestrebte Transformation von der Bevölkerung mitgetragen wird, muss sie sozialverträglich sein. Menschen wollen zwischen Alternativen wählen können. Aktuell fährt nicht einmal jeder sechste neue PKW ausschließlich mit Strom, alle anderen Fahrzeuge benötigen in Zukunft einen klimaneutralen Treibstoff. Die EU hat hier in fünf Jahren mehr gebremst als unterstützt. Die Trotzreaktion „dann müssen wir das E-Auto gegen den Willen der Menschen durchsetzen“ ist der falsche Weg. Stattdessen muss sich die Politik breiter aufstellen und die Wünsche der Bevölkerung ernst nehmen. „Use all solutions“, rät die Wissenschaft seit langem. Denn sie weiß, dass wissenschaftlicher Fortschritt stattfinden wird, auch wenn wir nicht genau wissen, wo und wann.
Europäischer Ökostrom löst das Problem nicht allein
Die zentrale Frage, die sich die EU daher stellen muss, lautet: Durch welche klimaneutralen Energieträger sollen fossile Energieimporte in Zukunft ersetzt werden? Denn eines ist klar: Selbst bei beherztem Ausbau der europäischen Wind- und Sonnenstromkapazitäten und der entsprechenden Leitungen kann Ökostrom nur einen (kleinen) Teil des Problems lösen, denn Strom macht im aktuellen Energiemix nur etwa ein Fünftel aus. Vier Fünftel stammen aus anderen Energiequellen. Europa wird aus heutiger Sicht auch in Zukunft von Energieimporten abhängig sein. Und es gilt dabei, die fossilen durch nichtfossile Energieträger zu ersetzen. Das ist eine der zentralen Schrauben, an denen die EU drehen muss. Bisher hat sie das Thema Importe nicht auf der Agenda. Auch synthetische Energieträger wie eFuels wurden bisher nur bedingt als Teil der Lösung gesehen. Wenn die neue EU-Kommission aber tatsächlich an einer raschen Energiewende interessiert ist, darf sie sich an eFuels und ihrem positiven Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung nicht länger vorbeischwindeln.
Klimaneutrale Mobilität braucht Technologie-Mix
Europa braucht einen nachhaltigen Energiemix, der auch auf Basis von Ökostrom hergestellte flüssige Energieträger beinhaltet. Sie sind alternativlos und könnten zahlreiche Probleme auf verschiedenen Ebenen lösen:
- eFuels sind gespeicherter Ökostrom, sie sind das perfekte Speichermedium, um grüne Energie von wind- und sonnenreichen Regionen abseits von Siedlungsgebieten nach Europa zu bringen.
- Sie sorgen dafür, dass der Individualverkehr rasch klimaneutral wird, weil auch die weltweit 1,5 Milliarden Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor (Tendenz steigend) klimaneutral betrieben werden können.
- Sie reduzieren die Abhängigkeit von Russland und den OPEC-Ländern – rund 100 Länder können eFuels wirtschaftlich produzieren.
- Sie sind kostenschonend, da bestehende Infrastruktur auch in Zukunft weiterverwendet werden kann. Damit tragen sie dazu bei, dass Energie und Mobilität für alle leistbar bleiben.
EU braucht Strategie für grüne Energieträger
Warum ist das nicht alles längst passiert? Traurig, aber wahr: Die EU steht sich selbst im Weg. Importe aus günstigen Öko-Strom-Produktionsländern werden durch überzogene Regulierungen verhindert. Zahlreiche Investoren stehen mit ihren eFuel-Produktionsanlagen in Südamerika, Südafrika, Nordafrika, auf der arabischen Halbinsel, in Indien und Australien in den Startlöchern, können aber nicht loslegen, solange ihnen niemand garantieren kann, dass ihre Produkte von den europäischen Behörden anerkannt werden.
Damit Europa langfristig und stabil mit nachhaltigen Energieträgern versorgt werden kann, muss die EU die Importe sauberer Energie in großem Maßstab aktiv organisieren. Fünf Jahre nach dem Startschuss des EGD fehlt aber noch immer eine tragfähige Strategie.
Verbrenner-Aus auf Unionsebene wackelt, ist aber noch nicht gefallen
Auch das Verbrenner-Aus muss durch eine intelligente Regelung ersetzt werden. Die ideologisierte Diskussion um den richtigen Antrieb hat sowohl dem E-Auto als auch den eFuels geschadet. Zwar wurde bereits 2022 eine Ausnahme für klimaneutrale eFuels politisch vereinbart, doch der Rechtsakt fehlt noch immer. Säumig ist dabei die Kommission, sie muss den Rechtsakt vorlegen. Das sollte für die neue Kommission in den ersten hundert Tagen machbar sein.
Zugehen auf die anderen Wirtschaftsräume
Um eine langfristig stabile Energieversorgung zu gewährleisten, muss die EU strategische Rahmenabkommen mit Wirtschaftsräumen und einzelnen Exportländern abschließen. Die UNIDO sieht darin eine enorme Chance, Herstellerländer können nachhaltige Wertschöpfung generieren, Europa kann seinen Wohlstand aufrechterhalten, beide Seiten senken ihre CO2-Emissionen, so könnte dem Pariser Klimavertrag Leben eingehaucht werden.
Es bleibt zu hoffen, dass die zweite Halbzeit, die restlichen Jahre bis zum großen Meilenstein 2030, besser genutzt wird als die enttäuschend verlaufene erste. Die Architekten des Europäischen Green Deals (EGD) haben sich ideologisch verdribbelt und mit viel Aufwand wenig erreicht. Jetzt ist raumgreifendes Kombinationsspiel angesagt. Bremsen und Blockaden sind zu lösen. Die regulatorische Partitur der EU muss für die Investoren spielbar sein, weniger ist mehr. Entsprechend dem globalen Charakter der Klimaerwärmung ist aktives Zugehen auf internationale Partner das Gebot der Stunde.
Stephan Schwarzer, Mag. Betriebswirtschaft WU-Wien, Doktor iur. Uni Wien, Univ.Doz. für öffentliches Recht an der WU-Wien, seit 2021 Geschäftsführer der eFuel Alliance Österreich
Stephan Schwarzer war schon vor Studienabschluss Assistent an der WU-Wien, habilitierte sich dort mit einer Arbeit über die Betriebsanlagengenehmigung und vertrat ein Jahr lang einen Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Universität Bonn. Über 28 Jahre leitete er die Abteilung für Umweltpolitik bzw für Umwelt- und Energiepolitik in der WKÖ. 1987 arbeitete er im Kabinett des Bundesministeriums für Umwelt. Er ist Autor verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Monographien, Kommentare und Abhandlungen mit Fokus auf Umwelt- und Energierecht und einer der beiden Schriftleiter der Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ÖZW).
Die eFuel Alliance Österreich vertritt die Interessen rund um das Thema synthetische Energieträger, die aus Ökostrom, Wasserstoff und CO2 hergestellt werden.
Kontakt:
Dr. Stephan Schwarzer – s.schwarzer@efuel-alliance.at
www.efuel-alliance.at