14 Nov Erfolgreicher Start im Aufsichtsrat: Wie das Onboarding eines neuen Mitglieds gelingt
Last Updated on 2024-11-18
Brigitta Schwarzer
Der Eintritt eines neuen Mitglieds in den Aufsichtsrat ist für das gesamte Gremium ein spannender Moment, der – gewollt oder ungewollt – eine neue Dynamik in das bestehende Gefüge bringt. Ein beidseitig strukturiertes und aktives Onboarding dient nicht nur dem Kennenlernen und dem Informationsaustausch, sondern es stärkt auch das Vertrauen, die Effizienz und die Zusammenarbeit im gesamten Aufsichtsrat.
Es ermöglicht dem neuen Mitglied, sich von Anfang an aktiv und konstruktiv einzubringen und sich später einen unverzichtbaren Platz im Aufsichtsrat zu verschaffen. Davon profitieren sowohl das Gremium als auch das neue Mitglied: Für ersteres bringt ein gelungenes Onboarding frischen Wind in Form von zusätzlichen Perspektiven und Kompetenzen, während das neue Mitglied die Chance erhält, sich im Vorfeld gezielt vorzubereiten, um Sicherheit und Selbstvertrauen für die spätere Tätigkeit zu gewinnen.
Wie kann nun ein erfolgreiches Onboarding aus Sicht aller Beteiligten gestaltet werden?
- Wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen
Die Rechte und Pflichten eines Aufsichtsrats sind anspruchsvoll und setzen voraus, dass ein neues Mitglied die wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen kennt und über einschlägiges Know-how, am besten gepaart mit entsprechender Erfahrung, verfügt. Dazu gehört ein grundlegendes Verständnis der Aufgaben des Aufsichtsrats (insbesondere Überwachung und Kontrolle sowie Beratung und strategische Begleitung der Geschäftsleitung, deren Bestellung und Abberufung, zustimmungspflichtige Geschäfte etc.). Dazu gehört auch die Kenntnis der Sorgfalts- und Treuepflichten, der Governance- und Compliance-Anforderungen, der Haftung und Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats und der Verschwiegenheitspflicht.
Niemand erwartet von einem neuen Aufsichtsratsmitglied, dass es das komplette Aktiengesetz auswendig kann, aber es muss die wesentlichen Bestimmungen kennen und auch wissen, wie die einzelnen Stakeholder – Aktionäre / Gesellschafter, Geschäftsleitung, Aufsichtsrat, Abschlussprüfer – zusammenspielen.
Dass jedes Aufsichtsratsmitglied in der Lage sein muss, eine Bilanz in den Grundzügen zu lesen und zu verstehen, ist ebenfalls eine conditio sine qua non.
Die Einarbeitung in neue Themenfelder wie ESG, Cybergefahren, künstliche Intelligenz, Fake News etc. ist nicht nur für neue Aufsichtsratsmitglieder ein Gebot der Stunde.
Es ist hilfreich, wenn das neue Mitglied eine Einschulung zu den branchen- und unternehmensspezifischen Anforderungen erhält.
- Unternehmens- und Marktkenntnisse
Ein neues Mitglied kann nur dann fundierte Entscheidungen im Aufsichtsrat treffen, wenn es das Unternehmen und sein Geschäftsmodell, seine Strategien, Ziele und Herausforderungen sowie das Marktumfeld und die finanzielle Situation kennt und versteht.
Es ist daher ratsam, dass sich das neue Mitglied schon im Vorhinein grundlegende Informationen dazu beschafft, am besten vom Aufsichtsratsvorsitzenden, oder dass dieser ein Informationsgespräch dazu anbietet. Wichtig ist auch, sich vorab zu informieren, ob es eine Ressortverteilung im Aufsichtsrat gibt. Erst dann kann überlegt werden, wie die eigene Expertise und Erfahrung damit verknüpft werden können, sodass bereits in der ersten Aufsichtsratssitzung nach der Bestellung grundlegende Positionen bezogen, die strategische Geschäftsentwicklung mitgedacht und „gescheite“ Fragen gestellt werden können.
- Unabhängigkeit und kritische Distanz
Auch wenn Aufsichtsratsmitglieder aus dem „Dunstkreis“ der Anteilseigner kommen, sind sie in ihrer Aufsichtsratsfunktion in erster Linie dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. Dazu gehört auch die kritische Distanz zur Geschäftsleitung. Wenn unangenehme Fragen gestellt werden müssen, sind alle Aufsichtsratsmitglieder in der Pflicht. „Abnicken“ und „Wegschauen“ haben hier keinen Platz.
- Interaktion und Kommunikation
Damit ein neues Aufsichtsratsmitglied seine Rolle im Gremium finden kann und die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsratskollegen und der Geschäftsleitung gut funktioniert, ist eine offene und transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten unerlässlich. Das ist nicht nur eine Holschuld des neuen Mitglieds, sondern auch eine Bringschuld der anderen. Aufeinander zugehen, Fragen stellen und einander zuhören erleichtern einem neuen Mitglied den Einstieg und ermöglichen ihm, sich auch ein Bild von den informellen Gegebenheiten und „Machtverhältnissen“ zu machen. Dass das wichtig ist, versteht sich von selbst, möchte doch ein neues Mitglied auf breite Akzeptanz stoßen und nicht gleich in ein „Fettnäpfchen“ treten.
Es geht nicht darum, dass sich aus der Zusammenarbeit persönliche Freundschaften entwickeln, sondern dass man einander mit Respekt und Wertschätzung sowie auf Augenhöhe begegnet und mit allen eine Gesprächsbasis hat, die über das erforderliche Mindestmaß hinausgeht. Smalltalk auf hohem Niveau kann hier Erstaunliches bewirken. Ob man sich mit „Sie“ oder „Du“ anspricht, ist dabei nicht entscheidend. Kritische Distanz ist, wie schon gesagt, das oberste Gebot.
Fazit: Ein erfolgreiches Onboarding ist kein einmaliges Ereignis, sondern der Beginn eines langfristigen Prozesses der Integration und Weiterentwicklung eines neuen Aufsichtsratsmitglieds. Das ist nicht nur für die Person selbst, sondern auch für das Gremium wertvoll. Regelmäßige Feedbackgespräche, idealerweise durch den Aufsichtsratsvorsitzenden, helfen dem neuen Mitglied, die eigene Arbeit zu reflektieren und gezielt weiterzuentwickeln.
Ein Schwerpunkt des am 28.01.2025 in Wien stattfindenden Female Board Pool Seminars ist dem Thema “Onboarding im Aufsichtsrat” gewidmet. Thomas Doyle, Independent Director, Executive Coach & Mentor, München, wird eine Keynote zu „Best practice, On-Boarding & Making an Impact in einer AR-Rolle“ halten. Es gibt für diese Veranstaltung noch einige freie Plätze: https://www.inara.at/cool_timeline/female-board-pool-28-01-2025/