Heute vor 125 Jahren: Frauen an der Universität

Heute vor 125 Jahren: Frauen an der Universität

Last Updated on 2019-04-25

Neue Freie Presse am 22. Dezember 1891

Nebst den Engländerinnen und Amerikanerinnen, welche namentlich die praktisch medicinischen Kurse im allgemeinen Krankenhause und an der Wiener Poliklinik besuchen, gehören derzeit drei junge Damen zu den eifrigsten außerordentlichen Hörerinnen der Wiener Universität. Zwei von ihnen sind Polinnen aus Galizien, somit österreichische Staatsangehörige, die dritte ist Lehrerin in Rumänien und speziell zur Ausbildung in den germanistischen Fächern in Wien anwesend. Von den Polinnen obliegt eine dem Studium der Medicin; sie hört die anatomischen Vorlesungen bei Professor Toldt. Für die praktischen Sezier-Übungen ist der jungen Dame in der Profectur speziell ein Arbeitsbereich eingeräumt worden. Die zweite Polin studiert Philologie und besucht die betreffenden Vorlesungen. Zur Ablegung der Prüfungen gedenken die Damen sich nach Zürich zu begeben, wo sie bekanntlich auch das Doctorat erlangen können. Gerade ein Studienzweig, der anderwärts den jungen Damen offen steht, der pharmazeutische, ist für Frauen in Österreich derzeit noch ganz verschlossen, während seit 1881 an der Brüsseler Universität siebzehn Damen die Apothekerprüfung bestanden haben; von diesen üben sechzehn den pharmazeutischen Beruf tatsächlich aus. In paris hat jüngst ein Fräulein Leclerc nach dreijähriger Apothekerpraxis die pharmazeutische Prüfung mit gutem Erfolg bestanden.

Anmerkung: An der Universität Wien wurden Frauen erstmals 1897 als ordentliche Studenten zugelassen, und zwar zum Studium an der Philosophischen Fakultät. 1900 folgte die Medizinische, 1919 die Rechts- und Staatswissenschaftliche, 1928 die Evangelisch-theologische und 1945 die Katholisch-theologische Fakultät.

Quelle: diePresse.com vom 21.12.2016