Interview: „Auf die Umsetzung kommt es an!“

Interview: „Auf die Umsetzung kommt es an!“

Last Updated on 2017-04-19

Fotocredit: Privat

INARA: Frau Turnauer, Sie unterstützen mit Ihrer Stiftung seit mehr als sieben Jahren soziale Unternehmungen. Was hat Sie zur Gründung der KTP (Katharina Turnauer Privatstiftung) motiviert und wo steht diese heute?
Mag. Katharina Turnauer: Sich sozial zu engagieren war mir und der ganzen Familie schon immer ein großes Anliegen. Wir haben das allerdings immer sehr diskret getan, kaum jemand wusste etwas davon. 2009, als die Finanzkrise auf ihrem Höhepunkt war, haben wir erkannt, dass es nicht unbedingt zielführend ist, nur im Stillen Gutes zu tun. Das kann leicht zu Fehleinschätzungen darüber führen, was Unternehmen und ihr Tun betrifft. Sicher betätigen sich nicht alle Unternehmen gemeinnützig, aber sie engagieren sich viel mehr als die breite Öffentlichkeit denkt. Nachdem soziale Themen schon immer zu meinen Aufgabengebieten gehört haben, wurde ich von meiner Familie 2009 mit der Gründung und dem Aufbau der Stiftung beauftragt. Am Anfang war das nicht leicht, es hat Zeit gebraucht, bis alle davon überzeugt waren mitzumachen. Heute sind wir eine kleine, aber sehr flexible Stiftung, die sich dem sozialen Engagement verschrieben hat.

INARA: Worauf kommt es Ihrer Meinung nach bei der Gründung eines Sozialprojekts besonders an?
Turnauer: Es sind mehrere Faktoren von Bedeutung. Die wichtigsten sind nach meiner Einschätzung eine gute Idee mit einem guten Businessplan, ein gutes Team sowie finanzielle Ressourcen und ein breites Netzwerk.

INARA: Was ist für Sie eine gute Idee und wie muss der Businessplan aussehen?
Turnauer: Eine gute Idee muss für eine soziale Herausforderung einen Lösungsansatz bringen, der nachvollziehbar und umsetzbar ist. Einfach gesagt: was wird in der Zeit, in dem Umfeld und in der politischen Situation wirklich gebraucht? Ein Lösungsansatz, der von der öffentlichen Hand verboten ist, hat keinen Sinn. Ebenso falsch wäre es, sich auf eine Nebensache zu konzentrieren, während bildlich gesprochen gerade die Welt untergeht. Der Businessplan muss konkret und umsetzbar sein, weiters verständlich sowie als Fahrplan und Orientierung geeignet. Natürlich muss man sich immer auch an die aktuellen Gegebenheiten anpassen. Keinen Sinn hat ein Konzept, das zwar super klingt und mit hochtrabenden Fachausdrücken gespickt ist, sich letztlich aber nicht verwirklichen lässt.

INARA: Und worauf kommt es beim Team an?
Turnauer: Das Umsetzungsteam ist weitaus wichtiger als viele glauben! Die Beteiligten müssen teamfähig, eigenverantwortlich, belastbar und ausdauernd sein, außerdem auch flexibel, lernfähig und rücksichtsvoll. Ein Projekt aus dem Boden zu stampfen bedeutet einen enormen Kraftakt. Da müssen alle Beteiligten mitziehen. Wichtig ist auch, dass das Team das nötige Wissen, das Know-how und die zeitlichen Möglichkeiten hat, um ein Vorhaben zu realisieren. Und wenn hier fundamentale Dinge fehlen, ist die Frage, wie kann man das kompensieren und wer kann das.

INARA: Als dritten Bereich nannten Sie finanzielle Ressourcen und ein breites Netzwerk. Bitte erklären Sie das näher!
Turnauer: Geld scheint oft das Wichtigste zu sein, ist es aber nicht. Meiner Erfahrung nach ist Geld so wie das Benzin, das ein Auto zum Fahren bringt. Ob das Auto ein Trabi oder ein Ferrari ist, hängt nicht vom Benzin ab. Mit anderen Worten: eine Idee oder ein Team werden durch das Geld nicht besser oder schlechter. Dennoch sind die finanzielle Planung bzw. die Frage, woher die Finanzierung für ein Projekt kommt, natürlich wesentlich. Wichtig ist auch, welches Finanzierungsmodell angestrebt wird. Ist es ein Social Business, ein durch Spenden finanziertes Projekt, wird es von der öffentlich Hand oder privat gefördert oder ist es ein Hybrid aus mehreren Modellen? Diese Frage wird meiner Meinung nach bisher zu wenig berücksichtigt. Um ein Vorhaben zum Leben zu bringen braucht man auch ein gutes Netzwerk. Niemand hat schon am Anfang alles zur Hand, was nötig ist, deshalb ist es so wichtig, auf möglichst viele Kontakte zugreifen zu können. Das hilft bei Herausforderungen und offenen Fragen und sorgt manchmal auch für die nötige Vogelperspektive.

INARA: Zahlreiche Initiativen, die über die KTP gegründet bzw. gefördert wurden, sind erfolgreich, weil dabei soziale Zielsetzungen mit nachhaltiger Finanzierung verbunden wurden. Was empfehlen Sie jungen Sozialunternehmen, damit diese finanziell nachhaltig arbeiten können?
Turnauer: Eine wichtige und gleichzeitig schwierige Frage. Zunächst muss Klarheit darüber bestehen, welches Finanzierungsmodell man für ein Projekt anpeilt. Wie erwähnt gibt es da verschiedene Möglichkeiten und man muss sich auf die jeweiligen Bedingungen einstellen. Die finanzielle Nachhaltigkeit eines Vorhabens hängt daher auch sehr von den Beziehungen zu den Geldgebern und der professionellen Handhabung ab.

INARA: Wie erleben sie den Umgang mit der Finanzierung in der Praxis?
Turnauer: Viele glauben, dass man mit Social Business langfristig zum Multimillionär werden kann. So nach dem Motto: „Ich kann ein sozialer Bill Gates werden, der hat ja auch klein angefangen.“ So zu denken ist gefährlich, da ist die Enttäuschung schon vorprogrammiert. Der Fokus sollte auf dem sozialen Ziel liegen, das man erreichen will. Dann ist es auch leichter, Financiers zu finden. Es muss auch deutlich zwischen öffentlicher Hand und privatem Sektor unterschieden werden. Die öffentliche Hand vergibt Gelder nach bestimmten Förderkriterien. Der private Sektor denkt viel stärker wirtschaftlich. Weil hier meist selbst verdientes Geld zur Verfügung gestellt wird, will der Geber auch genau wissen, was er durch das Projekt erreichen kann, wie sein Geld eingesetzt wird und wie wirtschaftlich das Projekt ist.

INARA: Die KTP ist eines der wenigen Beispiele für gelebte Philanthropie. Generell ist die gemeinnützige Stiftungsszene in Österreich noch wenig entwickelt. Woran liegt das?
Turnauer: Es gibt viele erfolgreiche und sehr engagierte Stiftungen in Österreich. Hinter jeder von ihnen stehen Menschen, die mit viel Enthusiasmus und Herzblut tätig sind. Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass es Authentizität braucht. Die Menschen haben heute genug von Werbeslogans und falschen Glücksversprechungen. Wahrhaftigkeit hat eine Kraft, die ansteckt und ausstrahlt. Abgesehen davon braucht es eine gut funktionierendes Team, viel Humor und Professionalität.

INARA: Zu den von Ihnen unterstützten Initiativen gehört das Projekt Supertramps. Worum geht es dabei?
Turnauer: Supertramps ist ein gemeinnütziger Verein, der obdachlose und ausgegrenzte Menschen unterstützt. Durch dieses Sozialprojekt – das es in ähnlicher Form auch in anderen europäischen Städten gibt – werden in Wien Stadtführungen organisiert, bei denen Obdachlose oder Menschen, die einmal obdachlos waren, als Guides fungieren. Dabei können Einheimische und Touristen Wien aus einem völlig neuen Blickwinkel abseits der Trampelpfade erleben. Davon profitieren beide Seiten: die Guides und die Teilnehmer der Touren.

Autorin: Brigitta Schwarzer

Mehr zur Katharina Turnauer Privatstiftung: http://sinn-stifter.org/katharina-turnauer-privatstiftung