25 Jun Interview: „Die Roboter machen den Rest.“
Last Updated on 2024-06-25
wko.at / Chris Holzer, 22.09.2023
Trendforscher Tristan Horx war Keynote-Speaker bei der Art of Recruiting 2023 im Salzburg Congress. Er ist internationaler Speaker und gehört selbst der begehrten Zielgruppe der Millennials an. Im Interview beleuchtet er die Zukunft der Arbeitswelt.
In seiner jüngsten Buchveröffentlichung „Sinnmaximierung. Wie wir in Zukunft arbeiten“ bewertet Tristan Horx Mechanismen in Unternehmen in einer individualisierten, an Komplexität zunehmenden Welt, mit Blick auf Generationenfragen, Lifestyle und Digitalisierung. Chris Holzer hat den 29-Jährigen am Vorabend der HR-Messe zu einem New-Work-Gespräch getroffen.
Hierarchien werden seit Jahren immer flacher. Wie wird sich das weiter entwickeln?
Hierarchie wird rasch komplex, wenn viel Kraft zur Aufrechterhaltung von Strukturen verwendet wird. An der Frage der Notwendigkeit von Hierarchien scheiden sich die Geister. Jedenfalls werden Netzwerkstrukturen zunehmen. Sie gehen auch gut mit der Digitalisierung einher. Die Zukunft wird dezentraler, lokalisierter, mit flachen Hierarchien. Etwas zu machen, weil jemand anderer etwas anordnet, wird weniger. Kleinere Teams arbeiten dann eher nach Kompetenzprinzipien.
Was macht denn für die Leute zukünftig Sinn im Unternehmen?
40 % der Generation Z am Arbeitsmarkt wollen in Deutschland innerhalb der nächsten zwei Jahren kündigen, in Österreich ist das ähnlich. Dieses Faktum wird oft als Disloyalität ausgelegt, was die Generationsbeziehungen beschädigt hat. Es braucht das Kombinieren von Sinn – heute oft auch als Purpose bezeichnet – und ökonomischer Maximierung. Das ist nicht so leicht unter einen Hut zu bringen, ist aber zukünftig erforderlich. Menschen bleiben länger in Unternehmen, wenn sie dort Sinn verspüren. Arbeit wird zu einem immer sozialeren Ort, der nicht vom Gesamtleben abgekoppelt zu sehen ist. Wir sollten Gründe schaffen, zum Beispiel Vertrauensvorschüsse, um gerne an den Arbeitsplatz zu gehen. Vom sozialen Umfeld bekommt man enorm viel Energie. Sinn steigert die Produktivität. Diese Sichtweise inkludiert auch Reibung, etwa zwischen Gefühls- und Zahlenmenschen, denn Reibung bringt neue Ideen, also Innovation.
… und die Digitalisierung?
Es gibt viel spannendere Themen, als den Menschen technisch nachzubauen. Wir können den Menschen das überlassen, worin sie gut sind, und das ist emotionale Intelligenz. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal, die Roboter machen den Rest. Bis der Roboter empathischer ist als ich, wird noch eine Menge Zeit vergehen. KI rechnet gut und ist gut in wiederholbaren Aufgaben. Es sind gute Interaktionen zwischen KI (künstlicher Intelligenz) und EI (emotionaler Intelligenz) zu schaffen. Wir werden auch erleben, dass achtsame, entschleunigte Vorgehensweisen mit schnellen, sehr technischen Mitteln einhergehen.
Junge Mitarbeiter:innen sind in vielen Branchen mittlerweile Mangelware. Dazu gelten sie als wechselfreudig und sind skeptisch, im Unternehmen Verantwortung zu übernehmen?
Es gibt schon gute Gründe, warum Führungskräfte in Unternehmen etwas älter sind. Systeme wie ganze Gesellschaften, aber auch Unternehmen funktionieren dann gut, wenn das Hinterfragende, Rebellische der jüngeren Generation mit der Erfahrung und dem Strukturdenken der älteren Generation kombiniert wird. Der Mix macht es aus: Unterschiedlichkeit und Heterogenität führen wiederum zur angesprochenen innovativen Reibung. Nach meinem Gefühl herrscht momentan zu viel an Kommunikationsbarriere. Oft schauen wir mit den Konstrukten des Erlernten auf die neue Welt und sie passt nicht mehr hinein, und wir sind enttäuscht, wenn das nicht klappt.
Dass die junge Generation nichts mehr arbeiten will, stimmt nicht. Work-Life-Balance ist ein Thema, das einem Drittel aller jungen Menschen sehr wichtig ist, das ist schon beträchtlich. Statistiken zeigen seit den 1970ern den Trend des Auseinandergehens von Produktivität und Reallohn. Heißt, Menschen sind heute produktiver. Junge Menschen fordern gemäß diesem Trend eine Anpassung von Produktivität an Arbeitszeit. Außerdem ist es klug, mit denjenigen Menschen, die das Unternehmen verlassen, im Guten zu scheiden und mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Lebensphasen sind heute beschleunigter und fluider. Die Berufsfelder verändern sich immer schneller. Es wäre daher schlau, gute Fortbildungssysteme zur Mitarbeiterbindung zu forcieren. Durch die Ermöglichung der Wiederkehr profitiert das Unternehmen am neuen Erfahrungsschatz dieser Mitarbeiter:innen. Man hat quasi die Weiterbildungskosten externalisiert.
Braucht ein New-Work-Führungsverständnis weniger „managen“ und mehr Förderung von sozialen Beziehungen? Ein Aufleben von Kultur?
Manager:innen sollten verstehen, dass man Arbeit und Leben nicht mehr so strikt trennen kann wie früher. Man geht nicht mehr aus der Arbeit und hat erst dann das Gefühl, dass man „frei“ ist, so funktioniert das nicht mehr. Managen hat Effizienz bedeutet, was lange Zeit wirtschaftlich sehr erfolgreich war. Ein Hinterfragen dessen führt oft zu Kränkungen. Junge Menschen sind auf dem Markt ein rares Gut, daher haben ihre Forderungen Gewicht. Deshalb auch die Anforderung von Sinn in der Arbeit und der Gestaltung guter sozialer Beziehungen, wenn Unternehmen in längeren Zeiträumen denken wollen. Die Millennials wollen ohnehin auch Sicherheit. Sie thematisieren Reallohnverlust und Pensionsabsicherungen. Im mittleren Management wird sich das Match entscheiden. Mit zu viel Mikromanaging, also kontrollierender Führung, kommen zu wenig neue Leute ins Unternehmen. Frauen werden aufgrund der höheren Bildungsabschlüsse – sie haben die Männer längst überholt – für Toppositionen interessanter. Dass die Frauen die Empathischen sind und die Männer die Krieger, ist „very old school“. Eine Lösungskompetenz des „Draufhauens“ weicht immer mehr auf. Deshalb wird sich die Gestaltung von guten sozialen Beziehungen im Geschäftsleben normalisieren.