Interview: Finanzwissen macht unabhängig

Interview: Finanzwissen macht unabhängig

Last Updated on 2021-12-07
Finanzbildung und „Mut zum Geld“ sind gerade für Frauen enorm wichtig, betont Margarete Kriz-Zwittkovits. Die erfolgreiche Unternehmerin ist Vorsitzende von „Frau in der Wirtschaft Wien“, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Wien sowie ÖVP-Gemeinderätin. Sie engagiert sich intensiv dafür, die Finanzkompetenz von Frauen zu steigern. Für Unternehmerinnen könnte die Beteiligung an Startups, die auch mit kleineren Beträgen funktioniert, eine gute Alternative zum unverzinsten Sparbuch sein, meint sie im INARA-Gespräch.

INARA: Warum ist es Ihrer Meinung nach für Frauen wichtig, finanziell unabhängig zu sein?
Margarete Kriz-Zwittkovits: Finanzielle Unabhängigkeit ist der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben. Sie erhöht unseren Gestaltungsspielraum und ermöglicht es, eigene Entscheidungen zu treffen. Kurz gesagt, wer finanziell nicht abhängig ist, hat viele Freiheiten.

INARA: Viele Frauen beschäftigen sich noch wenig mit ihrer eigenen finanziellen Situation. Warum sollte sich das ändern?
Kriz-Zwittkovits: Es ist paradox: Frauen managen heute in vielen Fällen alle Geldangelegenheiten für die Familien, sind quasi der „Familien-Finanzminister“. Um ihre persönlichen Finanzen kümmern sie sich aber viel zu wenig. In ihrem eigenen Interesse sollten sie das aber tun und zwar nicht nur ab und zu, sondern kontinuierlich. Am Anfang mag das ungewohnt sein, aber längerfristig lohnt es sich. Nur wer „am Ball bleibt“, kennt sich in einer Materie wirklich gut aus. Es tauchen ja immer wieder neue Themen auf, etwa nachhaltiges Investieren oder Kryptowährungen.

INARA: Wo kann man sich über Finanzfragen informieren, vor allem auch über solche, die besonders Frauen betreffen?
Kriz-Zwittkovits: Das Angebot an Informationen ist ja heute sehr breit und leicht zugänglich. Banken und Versicherungen bieten jede Menge an Informationen über allgemeine Finanzthemen und Veranlagungsprodukte an. In Tageszeitungen und diversen Magazinen findet man jede Menge Artikel dazu. Zu Spezialthemen gibt es Bücher und natürlich ist das Internet auch zu Fragen wie Geldanlage und Altersvorsorge eine unerschöpfliche Fundgrube. Es gibt auch eigene Klubs oder Blogs, in denen sich speziell Frauen über Finanzthemen informieren können. Unser Netzwerk „Frau in der Wirtschaft“ bietet ebenfalls viele Infos und Webseminare mit Schwerpunkt für Unternehmerinnen an. Damit fällt bei manchen vielleicht eine Hemmschwelle weg.

INARA: Mit welchen Finanzthemen sollten sich Frauen besonders intensiv beschäftigen und wann ist der richtige Zeitpunkt dafür?
Kriz-Zwittkovits: Man kann gar nicht früh genug anfangen und ganz besonders wichtig ist dabei die Altersvorsorge. Früher hat es gereicht, ab etwa 45 oder 50 darüber nachzudenken, ob die Pension für den Lebensstandard im Alter ausreichen wird. Wer in den letzten Jahren vor dem Pensionsantritt ein gutes Einkommen hatte, bekam automatisch eine gute Pension. Doch das ist vorbei.

INARA: Warum ist es für Frauen – auch für Unternehmerinnen – heute besonders wichtig, sich rechtzeitig um ihre Altersvorsorge zu kümmern?
Kriz-Zwittkovits: Durch die Pensionsreformen der vergangenen Jahre, vor allem durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraums, ist es zu einer wesentlichen Veränderung gekommen. Perioden der Teilzeitarbeit, die in Österreich vor allem bei Müttern weit verbreitet ist, schmälern den künftigen Pensionsanspruch enorm, das lässt sich später nicht mehr aufholen. Die durchschnittliche Frauenpension liegt heute um rund 40 Prozent unter jener der Männer. Durch diesen Pension Gap, der noch größer werden dürfte, droht vielen Frauen die Altersarmut. Daher muss man sich schon in jungen Jahren um seine finanzielle Absicherung im Alter kümmern. Mit welchem Pensionsanspruch man später einmal rechnen kann, erfährt man jährlich über das Pensionskonto.

INARA: Bei „Frau in der Wirtschaft Wien“ haben Sie 2021 unter das Motto „Mut zum Geld“ gestellt. Welche Aktivitäten gab es da konkret und wie war das Echo?
Kriz-Zwittkovits: Wir haben eine Reihe von Veranstaltungen organisiert, die meisten davon online. Behandelt wurden dabei sowie auch bei unserem Event „Tag der Frau in der Wirtschaft“ Themen wie Umgang mit Geld, finanzielle Vorsorge und Unabhängigkeit über die Börse, nachhaltiges Investieren sowie Pensionsvorsorge. Mit diesen Aktivitäten, die von den Mitgliedern sehr gut angenommen wurden, wollen wir die Finanzkompetenz von Frauen fördern und sie dazu ermutigen, sich regelmäßig mit ihren Finanzen auseinanderzusetzen.

INARA: Wie steht es konkret um die Finanzbildung der österreichischen Unternehmerinnen?
Kriz-Zwittkovits: Das Wirtschaftskammer-Netzwerk „Frau in der Wirtschaft“ hat vor kurzem Unternehmerinnen zu den Themen Finanzkompetenz sowie Sparen und Anlegen befragt. 265 Unternehmerinnen haben an der Umfrage teilgenommen. Die wichtigsten Ergebnisse: Ein Drittel der Frauen legt ihr Geld gar nicht an, ein weiteres Drittel setzt auf Sparbuch und Bausparvertrag, die angesichts des Zinstiefs allerdings nur Verluste bringen. Und jenes Drittel, das tatsächlich aktiv veranlagt, setzt schwerpunktmäßig (41 Prozent) auf Aktien, Anleihen und Fonds. Rund ein Fünftel investiert in Immobilien. Kryptowährungen und Unternehmensbeteiligungen sind bisher eher Minderheitenprogramme.

INARA: Warum setzen so wenige der Unternehmerinnen bei ihrer privaten Geldanlage auf Wertpapiere?
Kriz-Zwittkovits: Der Hauptgrund dafür ist fehlendes Wissen. Knapp die Hälfte der Befragten kennt sich damit zu wenig aus bzw. fühlt sich unsicher.

INARA: Coronabedingt ist in Österreich 2020 die Zahl der Unternehmensgründungen gesunken. Heuer gibt es wieder einen Gründungsboom, darunter auch viele Startups. Wie wichtig ist Finanzbildung für diese Zielgruppe?
Kriz-Zwittkovits: Die Mehrzahl der Start-ups entfällt auf den IT- und da vor allem auf den Software-Bereich. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie kamen auch viele Neugründungen bzw. Start-ups im Bereich Internethandel hinzu. Um längerfristig erfolgreich zu bleiben, reicht es nicht aus, im jeweiligen Fachgebiet exzellent zu sein. Ein umfassendes Wissen über Finanzthemen und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge ist gerade für Start-ups unbedingt erforderlich. Sonst hat man keine Chance, längerfristig am Markt zu bestehen.

INARA: Gerade für Unternehmerinnen könnten Unternehmensbeteiligungen eine ideale Alternative zum schlecht verzinsten Sparbuch sein. Wie stehen Sie dazu?
Kriz-Zwittkovits: Wer selbst ein Unternehmen führt, kennt sich im Wirtschaftsleben und mit den Gesetzen des Marktes aus. Unternehmerinnen wären daher als Investoren prädestiniert – auch mit kleineren Beträgen. Sie würden damit anderen Betrieben Schwung geben und gleichzeitig finanziell profitieren.

INARA: An börsennotierten Unternehmen kann man sich durch den Kauf von Aktien recht einfach beteiligen. Wäre der Einstieg bei Start-ups ebenfalls eine interessante „Anlageform“?
Kriz-Zwittkovits: Grundsätzlich kann der Einstieg in Start-ups durchaus Sinn machen, wenn man sich des damit verbundenen Risikos bewusst ist. Gerade beim Investieren kann und sollte man ja zunächst eher klein beginnen. Start-ups könnten meiner Einschätzung nach hier ein gutes „Übungsfeld“ sein. Natürlich brauchen auch Investorinnen, vor allem wenn es ihnen noch an Erfahrung fehlt, die entsprechende Finanzbildung.


© Florian Wieser

Website: Frau in der Wirtschaft Wien – WKO.at
Autorin: Brigitta Schwarzer