Interview mit Rita Knott: „Gute Corporate Governance goes Gender Diversity”

Interview mit Rita Knott: „Gute Corporate Governance goes Gender Diversity”

Last Updated on 2017-11-22

Fotocredit: Ann Sophie Lindstroem

INARA: Bitte erläutern Sie den Leserinnen und Lesern den Zusammenhang zwischen guter Corporate Governance und dem – in einigen Ländern auch gesetzlich verankerten – Ruf nach mehr Frauen in Aufsichtsräten.
Rita Knott: Gerne möchte ich mit einem Zitat von Prof. Dr. Martin Hilb, Präsident der Board Foundation und der Swiss Board School/IMP Universität St. Gallen/Schweiz und Gründer der Female Board Pool Initiative, beginnen. In Zusammenhang mit dem zu diesem Zeitpunkt erstmals veröffentlichten Schweizer Corporate Governance Kodex vertritt er die Ansicht, dass „Unternehmen nur dann nachhaltig erfolgreich sind, wenn es ihnen gelingt, bei allen Geschäftsaktivitäten immer gleichzeitig den Mehrwert für die Aktionäre, die Kunden, die Mitarbeiter und die Gesellschaft zu schaffen.“ Alle genannten Stakeholder-Gruppen bestehen aus Männern und Frauen und je nach Branchen und Firmenzugehörigkeit überwiegt da das eine Geschlecht, dort das andere.

Die Zusammensetzung der Geschäftsleitungs- und Aufsichtsgremien sollte daher nicht nur den klassischen Diversitätskriterien – unterschiedlicher fachlicher, altersmäßiger und internationaler Background – entsprechen, sondern vor allem auch die andersartigen Denkmuster der einzelnen Stakeholder widerspiegeln. Kognitive Diversität besteht natürlich nicht nur zwischen Mann und Frau, verschiedenartige Sozialisierungen und Sichtweisen, sowie ein differenziertes Sprach- und Kommunikationsverhalten sind jedoch ein wesentliches genderbezogenes Merkmal.

Die logische Schlussfolgerung: Wir brauchen mehr Geschlechter-Diversität in den Führungsgremien. Das war der Startschuss für die gemeinnützige Initiative Female Board Pool.

INARA: Sie selbst sind als Kooperationspartnerin mit Female Board Pool seit 2010 in Luxemburg und seit 2016 in Deutschland aktiv und planen einen Markteintritt Österreich ab Jänner 2018. Was verbindet diese Länder und was unterscheidet sie?
Knott: Unabhängig von Quotenvorgaben geht die Betrauung von Frauen mit Aufsichtsratsmandaten in diesen Ländern nur schleppend voran.

Der Female Board Pool hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Prozess zu beschleunigen. Das geschieht auf vielerlei Art und Weise. Wir sprechen Frauen aus allen Berufsgruppen an, die über eine facheinschlägige Kompetenz und eine mehrjährige operative Führungserfahrung verfügen. Unser Angebot besteht aus einer eintägigen Grundeinführung in die Welt der Aufsichtsräte, Verwaltungsräte und Beiräte sowie die nachfolgende Möglichkeit, in einen länderbezogenen Kandidatinnen-Pool aufgenommen zu werden. Dieses Angebot wurde in den einzelnen Ländern (neben der Schweiz, Luxemburg und Deutschland gibt es die Initiative auch in Belgien) sehr gut angenommen, sodass wir überzeugt sind, damit auch in Österreich Fuß zu fassen.

Je mehr Länder in unserem Fokus stehen, desto mehr können die in einem Länderpool befindlichen Damen vom länderübergreifenden Austausch profitieren. Auch arbeiten wir mit der UK-Boardhunting-Plattform Nurole eng zusammen, sodass sich auch hier für unsere Poolmitglieder Möglichkeiten ergeben können.

INARA: Für welche Funktionen möchten Sie Frauen in Österreich konkret ansprechen?
Knott: Wenn wir an Aufsichtsratsmandate denken, kommen uns die börsennotierten Gesellschaften in den Sinn, dann die großen nicht-börsennotierten und die öffentlichen Unternehmen und dann ist einmal Pause. Für Frauen, die noch keine Aufsichtsratserfahrung haben, ist es nicht leicht, dort hineinzukommen. Da gibt es Netzwerke und Seilschaften und ein paar sogenannte „Golden Skirts“-Promifrauen, die diese Stellen besetzen. Das ist in allen Ländern ähnlich. Die Erfahrung zeigt, dass Quotenvorgaben daran nicht allzu viel ändern. Das wird auch in Österreich so sein.

Der Female Board Pool zieht den Bogen weiter und fokussiert auch auf Beiratsfunktionen aller Art, seien es Mandate in Familienunternehmen, Start-ups, in Vereinen oder öffentlichen wie privaten Institutionen. Eine gute Möglichkeit, sich erste Sporen zu verdienen, auch wenn diese Engagements oft unbezahlt oder nur gering entlohnt sind.

Auch Stiftungsvorstands- und –beiratsmandate sowie Aufsichtsfunktionen in Non-Profit-Organisationen sind eine gute Möglichkeit für „Anfängerinnen“.

Die Initiative hat seit ihrem Entstehen in der Schweiz nunmehr 15 Jahre Erfahrung und eine steile Lernkurve. Wir verbinden die Vermittlungstätigkeit mit laufenden Ausbildungs- und Coaching Angeboten. So konnten wir in den einzelnen Ländern schon zahlreiche Frauen in „Aufsichtsfunktionen“ bringen. Das Feedback ist exzellent. Auch Frauen, die schon Aufsichts- und Beiratserfahrung haben, kommen gerne in unsere Kurse zum Updating und zur Weiterentwicklung.

INARA: Wie „vermarkten“ Sie Ihre Poolkandidatinnen?
Knott: Zum einen sondieren wir den Bedarf und kontaktieren die Unternehmungen, die Aufsichtsfunktionen zu besetzen haben. Unser erster Ansprechpartner ist dabei immer der oder die Aufsichtsratsrats- oder Beiratsvorsitzende. Ihnen unterbreiten wir, wenn ein wirkliches Interesse danach besteht, passende Profile zur Besetzung. Manche werden angenommen, andere nicht.

Je bekannter unsere Initiative in einem Land ist, desto eher kommen die Firmen von sich aus auf uns zu. Darüber freuen wir uns.

Unbedingt erwähnen möchte ich, dass wir in unseren Ausbildungseinheiten auch Hilfestellung zum Selbstmarketing leisten. Wir geben den Frauen Tools an die Hand, wie sie selbst auf den Markt gehen und ihr Interesse an Aufsichtsfunktionen bekunden können. Sucht jemand einen Angestelltenjob, so hört er oder sie sich um, verfasst einen Lebenslauf und bewirbt sich aktiv für offene Stellen. Die Suche nach einem Aufsichtsmandat ist im Grunde sehr ähnlich, wenn auch natürlich viel diskreter – und der Prozess dauert oft viel länger.

INARA: Man hört immer wieder, dass es für zu besetzende Aufsichtsrats- und Beiratsstellen keine geeigneten Frauen gibt. Wie sehen Sie das?
Knott: Dieses Phänomen zeigt sich überall. Es gibt sicher keinen Mangel an qualifizierten, versierten und engagierten Frauen, jedoch lässt deren Sichtbarkeit noch zu wünschen übrig. Hier arbeitet die Zeit aber für uns. Nicht nur, dass Frauen in solchen Funktionen weitere Frauen nach sich ziehen werden. Vor allem die jüngeren Frauen treten schon sehr selbstbewusst auf. Sie wissen genau, was sie wollen und verfolgen ihre Ziele mit Konsequenz und Ausdauer.

Da der Trend zu guter Corporate Governance auch vor den mittleren Unternehmen nicht Halt macht und Geschlechter Diversität in Führungsfunktionen – wie eingangs schon erwähnt – vom Nice-to-have zum Must-have mutieren wird, sehe ich den Entwicklungen Frauen betreffend durchaus optimistisch entgegen – ganz besonders, da vermehrt juristische, digitale, IT, Compliance und Human Resources  Kompetenzen gefragt werden, die auch bei Frauen gut vertreten sind.

INARA: Auf einer Skala von 1 – 10, wo starten Sie in Österreich und was wollen Sie in fünf Jahren erreicht haben?
Knott: Ich würde sagen, dass der Start bei 2 – 3 liegt. Mein Ziel ist es, in fünf Jahren um den Wert 6 herum zu pendeln. Es gibt also viel Potenzial. Ich bin sehr motiviert.

 

Nach 26 Jahren in Führungsfunktionen im Finanzsektor gründete Rita Knott 2004 ihr Unternehmen Coaching-Mentoring-Consulting in Luxemburg und 2011 die internationale Coaching Firma SineMuris in London. Sie begleitet bis heute Aufsichts- und Beiräte, Vorstände und Teams auf ihrem Weg zu außergewöhnlichen Leistungen in der beruflichen Rolle.

Seit 2010 leitet sie in Luxemburg den eingetragenen Verein Haus für Coaching Mentoring und Consulting, der sich unter anderem für die Verbreitung guter Corporate Governance einsetzt, und sie ist die Direktorin der Female Board Pool Initiativen in Luxemburg, Deutschland und Österreich.

Website Female Board Pool: www.femaleboardpool.eu/de

Autorin: Dr. Brigitta Schwarzer, MBA

Bitte beachten Sie auch die Veranstaltungsankündigung für das in Kooperation zwischen dem Female Board Pool und INARA am 22.01.2018 in Wien stattfindende Corporate Governance Seminar als Grundlage für die „Eintragung in die Datenbank und das potenzielle Matching“ unter Veranstaltungsankündigungen in diesem Newsletter und auf der INARA-Website.

Der Early Bird Tarif wird für INARA-Leserinnen bis 15.12.2017 verlängert.