Interview: Vermieter nicht für Corona zur Kasse bitten!

Interview: Vermieter nicht für Corona zur Kasse bitten!

Last Updated on 2020-04-24
Der Mieterschutz in den gesetzlichen Corona-Paketen ist eigentumsfeindlich, viele Vermieter werden letztlich durch die Finger schauen. Anderen vergleichbaren Branchen würden niemals derartigen Lasten aufgebürdet, betont Kaspar Erath, Obmann des Vereins der Wiener Gründerzeithäuser.

INARA: Ihre kürzlich veröffentlichte Presseaussendung enthielt eine Protestnote gegen den Mieterschutz in den sogenannten Corona-Paketen. Was stört Sie im Besonderen?
Mag. Kaspar Erath: Als Obmann des Vereins der Wiener Gründerzeithäuser spreche ich wohl tausenden privaten Vermietern aus der Seele, die aus den Mieteinnahmen ihre Lebenskosten zu bestreiten haben, das Haus/die Wohnung erhalten müssen und in vielen Fällen auch zu Bankverbindlichkeiten verpflichtet sind. Die beschlossenen Hilfsmaßnahmen klingen für die Mieter zwar großartig, für die Vermieter tragen sie aber eigentumsfeindliches Gedankengut. Wir begrüßen jede Art von staatlicher Hilfe, nicht aber einen Mieterschutz ausschließlich zu Lasten der Vermieter. Konkret soll durch die aktuelle Gesetzesänderung die Mietzinsstundung von April bis Juni 2020 geschluckt werden, darüber hinaus kann ein allfälliger Zahlungsrückstand aus dieser Periode frühestens per 1. Jänner 2021 ohne Rückgriff auf die Kaution eingeklagt werden. Es ist daher naheliegend, dass mit diesen Maßnahmen viele Vermieter durch die Finger schauen werden. Was nützen die angekündigten Verzugszinsen, wenn Pfändungen (wie so oft) ins Leere gehen?

INARA: Im Standard-Interview (18.4.2020) vergleichen Sie die Vermieter mit der Medizin- und Nahrungsmittelversorgung. Was wollen Sie damit ansprechen?
Erath: Wohnen ist ein Grundrecht, das hören wir immer wieder. Daraus wird von der Politik, aber auch von Mieter-Interessensverbänden das Recht abgeleitet, dass Mietzinsbeschränkungen oder gar gänzliche Ausfälle und viele andere Lasten den Vermietern aufgebürdet werden können. Haben Sie solche Auswüchse schon einmal im Bereich der medizinischen Grundversorgung oder der Nahrungsmittelversorgung wahrgenommen? Wohnen, medizinische Grundversorgung und Nahrungsmittelversorgung dienen gleichermaßen den Grundbedürfnissen der Menschen und trotzdem wird fast ausschließlich nur der Vermieter attackiert.

Kein Politiker ist jemals auf die Idee gekommen, Medikamente oder Nahrungsmittel mit einem so empfindlichen „Preis-Deckel“ zu versehen oder gar gesetzlich dafür einzutreten, dass diese Produkte (wenn überhaupt) erst nach Monaten bezahlt werden müssen. Nur gegenüber den Vermietern hat dies einwandfrei funktioniert: Mietzinsstundung, Kautionsanwendungsverbot, Einklagungsaufschub über Monate und eine Null auf der Einnahmenseite wurde auch vielen privaten Gewerbevermietern – sei es bei Café-Besitzern oder kleinen Geschäftslokalen – zugemutet. Das ist aus meiner Sicht eigentumsfeindlich, unverhältnismäßig und daher rechtlich äußerst bedenklich. Statt „Brunnenvergiftung“ zu betreiben, hätten adäquate Hilfsmaßnahmen beschlossen werden müssen.

INARA: Wie begründen Sie diese Entwicklung?
Erath: Die Politiker haben sehr schnell erkannt, dass man mit dem Thema „leistbares Wohnen“ politisches Kleingeld und Stimmung machen kann. Psychologisch spielt ihnen einiges in die Hände. Während der Medizin- aber auch der Nahrungsmittelsektor mit einer Vielzahl an Produkten schwer überschaubar ist und laufend Preisanpassungen vorgenommen werden, ist der Wohnungsmarkt in seiner Preisgestaltung einfacher aufgestellt und daher leichter zu überschauen. Beim Thema Wohnen ist es fast wie beim Fußball, da ist auch jeder „obergscheit“. Außerdem sehe ich auch enorme Unterschiede im Marketing sowie beim öffentlichen Auftritt. Die Nahrungsmittel- und die Pharmaindustrie sind gut organisierte Verbände, während die private Vermieterseite aus tausenden Einzelpersonen besteht und keine machtvollen Budgets für Marketing oder Prozessführung hat. Hier zeigt sich also schon ein sehr deutliches Minus auf der Vermieterseite. Dazu kommt ein weiterer Nachteil, nämlich die sichtbare Immobilie, sei es ein normales Haus, ein Zinshaus oder eine Eigentumswohnung. Viele Menschen verbinden damit Reichtum, negieren dabei aber so gut wie immer, dass dieses Eigentum erworben/erbaut und erhalten werden muss, dass es zur Bestreitung des Lebensunterhalts dient und dass aus den Einkünften auch Steuern bezahlt werden müssen. Bei den Lebensmittel- und Pharmakonzernen verschwimmen die Konturen, es sind Großbetriebe mit vielen Mitarbeitern an einem Standort und sie sind allein schon deshalb ein Machtfaktor und genießen einen nahezu unangreifbaren Sonderstatus.

INARA: Sehen Sie als Eigentümer auch Neid auf der Mieterseite?
Erath: Nicht allerorts, es gibt aber zweifellos eine immer größer werdende Neidgesellschaft. Niemand ist dir die 70-Stundenwoche, Sorgen oder Steuerlasten neidisch, sehr schnell und oft hörst du aber undifferenzierte Einstufungen wie Kapitalistenschweine, Miethaie, Gstopfte, Perlenzähler oder Blutsauger. Wenn solche Ansichten und Ausdrücke auf vielen Kanälen jahraus, jahrein verbreitet werden, geht es in die Köpfe. Auch aus diesem Grund müssen wir als Gemeinschaft aufklären und einen respektvollen Umgang einfordern.

INARA: Welche Verbesserungen wollen Sie für die Vermieterseite erreichen?
Erath: Als Verein machen wir uns für ein geschlossenes Auftreten der Vermieterseite stark. Unser Ziel ist es, eine „Schubumkehr“ in der öffentlichen Meinung erzielen. Private Vermieter sind kleinen Betrieben gleichzusetzen, wo jeder einzelne ein wertvolles Produkt zur Verfügung stellt. In Summe sichern die Vermieter gleichermaßen wie die Pharma- und Nahrungsmittelindustrie zigtausende Arbeitsplätze von der Bauindustrie bis hin zu diversen Dienstleistungssektoren. Nur mit einem selbstbewussten und geschlossenen Agieren wird ein Meinungsumschwung gelingen und können Ungerechtigkeiten aus der Welt geschafft werden.

Es muss auch klar kommuniziert werden, dass der private Vermieter keine Sozialfunktion zu erfüllen hat. Diese Aufgabe hat allein der Staat, er kann dazu auch unsere Steuergelder einsetzen. Wir haben in Österreich hunderttausende sozial- oder gemeinnützige Wohnungen, das sollte genügen. Es gibt nachhaltige Studien mit dem Ergebnis, dass bis zu 80 Prozent dieser Mieter sozial überhaupt nicht bedürftig sind. Hier ist politisch dringend eine Korrektur vorzunehmen. Ein weiteres Unrecht besteht darin, dass über den Wiener Richtwert für Altbauten mit einem Baujahr vor 1945 die Altbauten der Gemeinde Wien mit den Altbauten der privaten Vermieter ertragsmäßig gleichgestellt wurden. Das ist jedoch keine „Waffengleichheit“ zwischen Gemeinde und Privatvermietern, da Grundkosten, Gebühren und Steuern nicht auf Augenhöhe sind.

INARA: Sie sehen den Wiener Richtwert als Diskriminierung, wie stehen da die diversen Verfahren?
Erath: Der Verfassungsgerichtshof sieht im Wiener Richtwert keine Diskriminierung, weil (vereinfacht gesagt) die Wiener Bevölkerung quasi „arm“ ist und in einem hohen Ausmaß auf günstigen Wohnraum angewiesen sei. Diesen Argumenten sind wir als Verein gründlich nachgegangen. Man staune, im Ergebnis hat der VfGH dem Vernehmen nach nicht gründlich recherchiert und dies aus zwei Gründen:

  • Wien liegt bei den durchschnittlichen Nettoeinkommen jedenfalls über der Steiermark, obwohl im Richtwertvergleich die Steiermark um 40 Prozent höhere Mieten gestattet und
  • Wien liegt bei den durchschnittlichen Netto-Pensionseinkommen sogar österreichweit auf Platz eins.

Die Argumentationen des Höchstgerichtes werden damit äußerst fragwürdig und haben uns als Verein veranlasst, eine Staatshaftungsklage gegen die Republik Österreich zu erheben. Der Wiener Richtwert ist für uns politisch, auf keinen Fall aber mit der gebotenen Sachlichkeit zustande gekommen. Neben der Staatshaftungsklage werden auch Beschwerden an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorbereitet.

Unser Motto lautet: Dem Recht und nicht dem Unrecht soll nun bald zum Durchbruch verholfen werden.

INARA: Was können wir aus Corona lernen?
Erath: Abgesehen von den fragwürdigen Corona-Paketen zu Lasten der privaten Vermieter hat es auch viel Positives mit Zukunftsperspektiven gegeben.

Experten und Wissenschaftler haben die Bundesregierung im Kampf gegen Corona hervorragend beraten. Österreich wurde von vielen Ländern sogar als Vorbild gesehen. Hier möchte ich einhaken. Ähnlich wie rund um Corona könnten auch für den Wohnsektor neutrale Experten und Wissenschaftler zum Wohle der österreichischen Bevölkerung tätig werden. Wir benötigen ein größeres Wohnungsangebot und vor allem Leistungsanreize auch für private Vermieter, auf keinen Fall benötigen wir eine Spaltung der Gesellschaft mit Hetzparolen, Neid, Missgunst und destruktiven Interessensverbänden. Eine Änderung der AfA von 50 auf 20 Jahre (Dachausbauten) sowie ein Verlustvortrag wären bereits wie ein wirtschaftlicher „Düsenantrieb“, unsinniger Steuerdruck sowie monatelange Genehmigungsverfahren sind bestimmt der falsche Weg. Unwahrheiten sollten entlarvt und zurückgewiesen werden. Wir haben einen sehr dynamischen Bundeskanzler, der auch den Wohnsektor mit konstruktiver und nicht von Lobbyisten gesteuerten Expertisen auf Vordermann bringen könnte.

 Mag. Kaspar Erath ist Obmann des Vereins zur Revitalisierung und architektonischen Aufwertung der Wiener Gründerzeithäuser.

Websites: www.zinshauszukunft.wien; www.stadtbilderhaltung.wien

Autorin: Brigitta Schwarzer

Bitte lesen Sie auch folgenden Presseartikel: https://www.diepresse.com/5802852/wer-hilft-den-vermietern


@Marc Greber