Janet Yellen: Klein, aber mächtig

Janet Yellen: Klein, aber mächtig

Last Updated on 2020-12-17
Dr. Christine Domforth

Der künftige US-Präsident Joe Biden setzt bei seinen Ministern auf Polit-Veteranen und Fachleute mit viel Erfahrung. Bei Kanzler Kurz dominieren politische Quereinsteiger, wichtig ist vor allem Loyalität. Warum beides nicht unproblematisch ist und die Wirtschaft es bereits besser macht. 

Sie wird demnächst die mächtigste Frau der (Welt)Wirtschaft sein: Janet Yellen (74) soll künftig das Finanzministerium in Washington leiten. Damit wird erstmals in der US-Geschichte eine Frau das Amt des Secretary of Treasury innehaben. Yellen stand zwischen 2014 und 2018 an der Spitze der US-Notenbank Fed, sie war auch damals die erste Frau in dieser Position. Eine zweite Amtszeit als Fed-Chefin wurde ihr ­ganz gegen die langjährigen Gepflogenheiten ­von Präsident Donald Trump verweigert. Seine mehr als skurrile Begründung: Mit knapp 1,60 Meter sei Yellen zu klein für diesen Job. In Wahrheit war er mit ihrer Zinspolitik nicht einverstanden und verdächtigte sie überdies, mit Hillary Clinton, seiner Rivalin bei der Präsidentschaftswahl 2016, zu sympathisieren.

Vorschuss-Lorbeeren von der Wall Street

Die Kür Yellens gilt als geschickter Coup Bidens. Die hoch angesehene Ökonomin, die mit dem Nobelpreisträger George Akerlof verheiratet ist, ist eine moderate Demokratin und dürfte – anders als etwa die Vertreter des linken Flügels der Demokraten Elizabeth Warren oder Bernie Sanders – ­auch für die Republikaner akzeptabel sein. Die Wall Street beurteilt die designierte Finanzministerin schon jetzt äußerst positiv, der US-Aktienmarkt präsentierte sich zuletzt in exzellenter Verfassung. Allgemein wird erwartet, dass Yellen der von Corona schwer gebeutelten US-Wirtschaft durch neue milliardenschwere Hilfspakete auf die Sprünge helfen wird.

Die Niedrigzinspolitik, die sie als Fed-Chefin durchzog, wird wohl fortgesetzt werden. Das ist zwar für Sparer und Anleger eine bittere Pille, (siehe INARA Beitrag „Wer zahlt die Zeche?“), gilt aber weltweit angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie als alternativlos ­und zwar noch für viele Jahre. Die Interessen der USA wird natürlich auch Yellen hartnäckig verfolgen, sie hält aber anders als die Trump-Administration viel von internationaler Zusammenarbeit.

Der 78-jährige Biden setzt bei der Besetzung von Minister- und anderen Schlüsselpositionen vor allem auf erfahrene Persönlichkeiten, sehr oft sind es echte Polit-Veteranen. (Anmerkung am Rande: Biden veröffentlicht derzeit zwar laufend neue Namen, von weiteren älteren Damen war aber noch nicht die Rede…) So soll sich etwa Ex-Außenminister John Kerry, der demnächst 77 Jahre alt wird, künftig um das heikle Klimathema kümmern. Außenminister soll Tony Blinken werden, der seit rund 20 Jahren an der Seite Bidens arbeitet und am Ende der Ära Obama bereits Vize-Außenminister der US war. Biden will bei seiner Personalpolitik offenbar kein Risiko eingehen, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind bei der Besetzung von politischen Spitzenpositionen ja meist vor allem Verlässlichkeit und Erfahrung gefragt.

Ob das für die Herausforderungen der kommenden Jahre reichen wird, vor allem ob die langgedienten Polit-Profis dafür neben ihrer Reife und Erfahrung auch die nötige Elastizität und Geschwindigkeit aufbringen können, wird erst die Zukunft zeigen. Glaubt man den Experten, brauchen Führungskräfte künftig vor allem kritisches Denken, Selbstmanagement sowie die Fähigkeit zum komplexen Problemlösen.

Relativ junges Regierungsteam in Österreich

Wie Biden in den USA vertraut auch Österreich Bundeskanzler Sebastian Kurz auf „Altersgenossen“, in seinem Fall also auf ein relativ junges Team. Besonders wichtig ist dem Regierungschef, der 1986 geboren wurde, Loyalität. Langjährige politische Erfahrung haben mit Ausnahme des Kanzlers und des Finanzministers Gernot Blümel nur wenige der von der ÖVP gestellten MinisterInnen aufzuweisen, es dominieren die QuereinsteigerInnen. Dafür wird vielen der türkisen Regierungsmitglieder ein persönliches Naheverhältnis zum Kanzler nachgesagt. Bildungsminister Heinz Faßmann ist nicht nur was sein Alter (65) betrifft ein „Exot“ im Regierungsteam und muss gelegentlich – zuletzt etwa bei den corona-bedingten Schulschließungen – Entscheidungen mittragen, die ihm persönlich wohl eher gegen den Strich gehen.

Würde Kurz übrigen heute, also mitten in der Corona-Krise, sein Team zusammenstellen müssen, sähe die Besetzung in einigen Ressorts wohl anders aus, statt QuereinsteigerInnen würden eher erfahrene Kräfte zum Zug kommen. Zumindest spekulieren kann man darüber…

Diversität: Mehr als Frauenquote

So unterschiedlich Biden und Kurz bei der Auswahl ihrer Regierungsmitglieder auch vorgehen bzw. vorgingen, sie agieren beide nach Kriterien, die alles andere als optimal sind. Und sie sind dabei nicht allein. Ministerposten werden nahezu in allen Ländern immer noch vor allem nach Partei-Loyalität und weniger nach Kompetenz vergeben. Oft müssen auch einzelne Wählergruppen zufriedengestellt werden, in den USA etwa die Schwarzen oder die Latinos. In Österreich wollen alle Bundesländer „ihren“ Vertreter in der Regierung haben, da muss dann oft schnell jemand aus dem Hut gezaubert werden. Und sowohl Biden als auch Kurz setzen vor allem auf die eigene Generation. Letztlich trifft der jeweilige Partei- bzw. Regierungschef die Entscheidung allein und überrascht dabei nicht selten die Öffentlichkeit, ja sogar seine eigenen Parteifreunde.

Diversität ist zwar heute in aller Munde, wird aber gerade bei der Besetzung von Regierungsämtern meist darauf reduziert, dass nur ja genügend Frauen ein Ressort bekommen. Und wenn dann noch das Verteidigungsressort in weiblicher Hand ist, wie in vielen EU-Staaten derzeit der Fall, sind alle zufrieden. Dass in einem Regierungs-Team sowohl ältere als auch jüngere Menschen vertreten sein, erfahrene Polit-Profis neben Quereinsteigern ihren Platz haben und verschiedene kulturelle Backgrounds und Fähigkeiten vorhanden sein sollten usw., darauf wird viel zu wenig geachtet.

Wirtschaft agiert professioneller

In der Wirtschaft – soweit es nicht um Unternehmen im staatlichen „Dunstkreis“ handelt, wo oft nach wie vor nach schlechter alter Tradition vorgegangen wird – ist man da schon erheblich weiter, agiert deutlich professioneller. Schon bei der Besetzung von mittleren Positionen, erst recht bei Spitzen-Jobs ist heute die Erstellung eines Anforderungsprofils eine Selbstverständlichkeit. Headhunter werden eingeschaltet, Kandidaten, die in die engere Auswahl kommen, müssen sich einem Hearing stellen. Daran könnte sich auch die Politik orientieren und beispielsweise Kandidaten für ein Ministeramt zu einem öffentlichen Hearing im Parlament einladen.

Ein Minister ist kein Spitzenmanager, seine Verantwortung ist aber zumindest ebenso groß. Treffen Ressortchefs falsche Entscheidungen, können die Auswirkungen inklusive der finanziellen Folgekosten enorm sein. Daher sollte bei der Auswahl von Regierungsmitgliedern zumindest ebenso sorgfältig und professionell vorgegangen werden wie bei der Kür des neuen Vorstandsvorsitzenden für einer größeren Aktiengesellschaft. Das haben sich die Bürger und Steuerzahler verdient.

Insgesamt ist man also in vielen Aufsichtsräten – auch wenn deren Besetzungen immer wieder in der Kritik stehen – in Sachen Diversität schon deutlich weiter als in so mancher Regierungs-Mannschaft.