14 Nov Mehr Anleihen mit guter Bonität – und Gold!
Last Updated on 2024-11-14
boersen-kurier.at / Marius Perger, 13.11.2024
Warum Anleger auf die Entwicklung der Kapitalmärkte reagieren sollten.
Marius Perger. Nicht sehr optimistisch für die Kapitalmärkte zeigt sich Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien der Steiermärkischen Sparkasse, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Zwar wachse die Wirtschaft in den USA mit drei Prozent konstant, dies sei aber wesentlich auf künstliches Government Spending zurückzuführen, während die Industrie zum Teil am Boden liege. Was die Inflation betrifft, dürfte ein weiterer Rückgang in den USA schwierig sein, gleichzeitig erwartet Eberan, dass die Ausweitung des bereits jetzt extremen Defizits weitergehen werde. Das bedeute aber, dass die Renditen steigen müssen, damit Treasuries verkäuflich bleiben, was wiederum zu hohem Druck auf das lange Laufzeitende führen müsse. Die zuletzt positive Entwicklung der Kapitalmärkte sei vor allem auf das „gesunde Wachstum“ der High-Tech-Titel zurückzuführen, auch sei an den US-Aktienmärkten sehr viel Fantasie vorweggenommen und die Bewertung mittlerweile hoch.
Nicht besser fällt Eberans Einschätzung der Situation in Europa aus: Der Rückgang der Teuerung in Richtung Inflationsziel sei auf die Rezession zurückzuführen und in der wichtigsten Volkswirtschaft Deutschland befinde sich die gesamte Industrie in einem schlimmen Zustand. Eberan: „Die Politik hat nicht gerade ein günstiges Umfeld für Wirtschaftswachstum geschaffen.“ Alles in allem stelle sich die Frage, ob es im nächsten Jahr an den Kapitalmärkten so weitergehen kann wie zuletzt: „Ich würde mich nicht wundern, wenn wir schwierige Jahre vor uns haben.“
Was das für Anleger bedeutet
Eberan empfiehlt seinen Kunden mit hohen Aktienquoten aktuell, diese zurückzufahren – und wenn Aktien, dann „ganz breit gestreut“. Man solle sich nicht zu stark auf US-Werte fokussieren, auch wenn diese aufgrund der Gewinndynamik immer Bedeutung haben. Allerdings sei der US-Dollar zu stark, das hohe Defizit werde à la longue der Währung schaden. Auch ein zu starker Branchenfokus sollte vermieden werden. US-Technologieaktien blieben aussichtsreich, in Europa wiederum sei der Gesundheitsbereich gut aufgestellt, auch Basiskonsumunternehmen seien interessant. Trotzdem sei eben Diversifikation über Branchen und Länder oberstes Gebot.
Andererseits sei das Anleihen-Thema wieder da, in balancierten Portfolios empfiehlt Eberan aktuell einen Anteil von 40 bis 45 Prozent. Der Fokus müsse dabei auf guter Qualität liegen, zumindest also „Investment Grade“; schlechte Bonität habe keinen Sinn, denn „das Risiko habe ich im Aktienbereich“.
Nicht vergessen dürfe man in der Asset Allocation schließlich Gold. Angesichts der weltweiten Verschuldungskrise und als Absicherung gegen eine mögliche Dollar-Abwertung sollten derzeit mindestens fünf Prozent in physischem Gold gehalten werden. Von Goldminenaktien rät Eberan dagegen ab, denn auch sie wären von einer möglichen Korrektur betroffen.
Sorgen um Österreichs Wirtschaft
„Österreich hätte alle Voraussetzungen für eine erstklassige Wirtschaft“, betont Eberan. Unser Land könnte ein Pendant zur Schweiz sein, doch strukturelle Probleme, die Vielzahl an Interessengemeinschaften und Ineffizienzen würden dies verhindern. Dazu komme, dass die Politik zu stark „dogmatisiert“ sei und sich nicht an Strukturreformen traue: Skandinavien und die Schweiz seien hier bodenständiger und agierten mit mehr Hausverstand.
Eine kommende Regierung müsse zum Beispiel das Thema Subventionspolitik kritisch durchleuchten, man müsse herausfinden, was hier „schiefgelaufen“ ist. Ebenso seien Änderungen beim Gesundheitssystem umzusetzen, angesichts der aktuellen Situation müsste eine Selbstbeteiligung angedacht werden. Und im Bereich der Bildung gehe es um die Frage, warum Österreich im europäischen Vergleich so schwach abschneide.
Quelle: https://www.boersen-kurier.at/allgemein/2024-11/mehr-anleihen-mit-guter-bonitaet-und-gold