Notorious R.B.G.

Notorious R.B.G.

Last Updated on 2020-12-17
Dr. Heidrun Kopp / Newsletter Five Minutes for Finance, 19.11.2020

Die „berüchtigte“ RBG, wie Ruth Bader Ginsburg von allen genannt wurde, hat die Geschichte für amerikanische Frauen neu geschrieben. Sie wurde zum Vorbild für Generationen von Frauen und weltweit geachtete Ikone der Frauenbewegung.

1956 war sie eine von neun Frauen an der Harvard Law School und 1993 – 37 Jahre später – wurde sie für den US-Supreme Court (US-Verfassungsgerichtshof) nominiert. Damals war sie die zweite Frau in der Geschichte des Supreme Courts und lange Zeit einziges weibliches Mitglied. Am 18. September 2020 ist sie ihrem Krebsleiden erlegen.

Nichts war einfach, sie musste für alles kämpfen

1933 in Brooklyn geboren, absolvierte sie zunächst die Cornell University, um dann gemeinsam mit Ehemann Martin „Marty“ Ginsburg die Harvard Law School zu besuchen. Mit Fleiß und offensichtlich rhetorischer Brillanz hat sie sich nicht nur um ihre eigenen Studien gekümmert, sondern auch die Vorlesungen ihres Mannes besucht. Marty war zu dem Zeitpunkt schwer an Krebs erkrankt und sie haben gemeinsam nicht nur um sein Leben, sondern auch um seinen Studienabschluss gekämpft. Diesen hat er dank seiner Frau erfolgreich geschafft. Das Wort Multitasking hat es damals zwar noch nicht gegeben, hätte aber wohl für diese Frau erfunden werden müssen: Neben den beiden Studien hat sie sich zeitgleich um die kleine Tochter gekümmert.

Nach dem Abschluss hat Marty einen Job in einer angesehenen Anwaltskanzlei in New York gefunden. Die Entscheidung, ihrem Mann zu folgen, ist ihr emotional wohl leichtgefallen. Beruflich wurde es eine erste Zäsur, da sie an die Columbia Universität wechseln musste. Harvard verwehrte ihr deshalb den Abschluss an ihrer Alma Mater (Präzedenzfälle von Männern, denen man dies zugestanden hatte, haben als Argument bei ihr nicht gereicht).

Frau, Mutter & Jüdin

Nachdem Ehemann Marty sehr leicht einen Job als Steueranwalt gefunden hatte, war es ihr trotz vieler Bewerbungen bei Anwaltskanzleien nicht möglich, unterzukommen. Bei den Bewerbungsgesprächen wurden offen oder auch nur sinngemäß immer die gleichen Stereotypen bedient: Sie bringt als Frau die natürliche männliche Ordnung in den Büros durcheinander, Ehefrauen könnten auf sie eifersüchtig sein. Als Mutter muss sie zu Hause sein und sich um die Familie kümmern. Und schließlich ist sie auch noch Jüdin. Danach lehrte sie für viele Jahre als Professorin für Rechtswissenschaft an der Rutgers Law School.

Aktive Anwältin im zweiten Anlauf

Der Wendepunkt kam, als Marty sie auf eine steuerrechtliche Diskriminierung eines Mannes hinwies. Kurz zum Hintergrund: Ein lediger Mann konnte die Pflegekosten für seine Eltern nicht von der Steuer absetzen; dies war Frauen vorbehalten, da nur sie laut damaligem rechtlichen Verständnis (in den 70iger Jahren!) für Pflegedienste zuständig sein können.  Dies war der erste von etlichen Fällen, die sie gemeinsam mit der Bürgerrechtsliga ACLU vor den Supreme Court gebracht und gewonnen hat. Unnötig zu erwähnen, dass Frauen damals auch keine eigene Kreditkarte bekommen haben. Das Kapitel von der finanziellen Unabhängigkeit musste noch geschrieben werden.

RBG @ Supreme Court

Mit 60 Jahren wurde RBG schließlich von Bill Clinton als Richterin an den US Supreme Court berufen. RBG wurde demzufolge dem liberalen Flügel zugezählt. Wichtig deshalb, da es eine Position auf Lebenszeit ist und hier maßgebliche rechtliche Entscheidungen mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Auswirkungen getroffen werden.

Sie hat sich für gleichen Lohn für gleiche Arbeit genauso eingesetzt wie gegen wiederholte Versuche der Konservativen, das Recht auf Abtreibung wieder einzuschränken. Seit 1996 ist die Militärakademie in Virginia verpflichtet, auch Frauen aufzunehmen, nachdem 157 Jahre lang nur Männer aufgenommen wurden. Die Begründung für das Urteil wurde von RBG formuliert.

Primadonna assoluta verlässt die Bühne

Sie galt als kompromisslos in der Sache, aber konziliant und elegant im Ton und Auftreten. Privat war sie mit dem (konservativen) Amtskollegen Antonin Scalia befreundet und hat über ihn einmal gesagt „Inhaltlich stimme ich mit nichts überein, was er sagt, aber wie er es sagt, das finde ich faszinierend.“ (sinngemäßes Zitat)

Mit ihm hat sie auch ihre Leidenschaft für Opern geteilt. Es gibt eine eigene Oper, in der das Wirken und die professionelle Beziehung dieser beiden Charaktere künstlerisch verewigt wurde.

Krebs zieht sich wie ein unheilvoller roter Faden durch das Leben der Familie Ginsburg. Neben Ehemann Marty ist auch RBG mehrfach an Krebs erkrankt, dem sie im September 2020 erlegen ist.

Ihr Engagement galt jahrzehntelang der (verfassungs-)rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern. Nicht mehr und nicht weniger.

Quellen: DVD: Die Berufung – ihr Kampf für Gerechtigkeit, www.derstandard.at; de.wikipedia.org

Quelle: www.fiveminutes.finance/2020/11/notorious-rbg/