
08 May „Omnibus“: Das EU-Parlament fährt halb mit
Last Updated on 2025-05-08
boersen-kurier.at / Florian Beckermann, 30.04.2025
Die Erkenntnis, sich etwas verrannt zu haben, mag auch in der EU-Kommission gereift zu sein.
Dass die europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten eine kostspielige Datensammlung geschaffen haben, ist keine Neuigkeit. Dass die Sammlung teils völlig überschießend ist, auch nicht. Dass es außerhalb von einer spezialisierten Nachhaltigkeitsszene bisher kaum Widerhall findet, ist etwas erstaunlicher. Man wäre fast versucht zu behaupten, dass der Anleger bei den Nachhaltigkeitsberichten schlicht abgehängt wurde. Die zu hohe Neuerungsgeschwindigkeit und die marginale monetäre Ergebnisrelevanz insinuiert, erzeugen die Tabellen in den aktuellen Nachhaltigkeitsberichten der Hauptversammlungssaison bei Privatanlegern nicht mal ein müdes Lächeln – von Fragen dazu ganz zu schweigen. Die Erkenntnis, sich etwas verrannt zu haben, mag auch in der EU-Kommission gereift zu sein. Mit dem Ergebnis, dass eine „Modifikation“ erfolgt – man schickt den Anlegern (und den Unternehmen) einen „Omnibus“. Man möge doch aufschließen. Genug der Polemik …
Bekanntlich hat die EU-Kommission grundsätzlich zwei Richtlinien unter dem Oberbegriff „Omnibus“ in Arbeit: Einerseits die so genannte Stop-the-clock-Richtlinie: Hier soll die zweite Welle der Berichtspflichten nach der CSRD (Corporate Sustainable Reporting Directive – Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie) sowie die Anwendung der umstrittenen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) zeitlich (zwei Jahre) verschoben werden. Sprich, Länder und Unternehmen erhalten mehr Zeit zur Umsetzung – hiervon wäre auch Österreich betroffen, da die CSRD noch nicht durch den Nationalrat in nationales Recht umgesetzt wurde.
Die zweite Richtlinie geht ans Eingemachte. Sie soll inhaltliche Anpassungen für die CSRD und CSDDD beinhalten. Aktuell wüst diskutiert werden neue Unternehmensgrößenschwellen für die Anwendungspflicht der CSRD-Richtlinie sowie eine massive Verkürzung der verantwortbaren Lieferkettentiefe. Das Expertengremium EFRAG arbeitet seit März daran und soll bis Oktober 2025 mit konkreten Vorschlägen kommen. Mithin braucht diese Richtlinie mehr rare Zeit, denn ohne Update werden die „alten“ Timelines aktiv. In diesem Sinne beschloss nun nach der EU-Kommission auch das Europäische Parlament in einem Eilverfahren die Stop-the-clock-Richtlinie. Es ist davon auszugehen, dass der Europäische Rat, also die Staats- und Regierungschefs, hier nicht mit zusätzlichen Bedenken eine schleunigste Umsetzung behindern.
Die EU-Kommission möchte in dieser Sache grundsätzlich die Fähigkeit zum Bürokratieabbau und schnellen Verfahren unter Beweis stellen. Beispielhaft für die Dringlichkeit sind die Eingabefristen. Für Unternehmen, die sich zur zweiten „Omnibus“-Richtlinie äußern wollen, gilt der 6. Mai als Stichtag. Vor dem Sommer will Brüssel Fakten schaffen.
Aus Anlegersicht ein grundsätzlich positives Bestreben, wenn sich das erzeugte Chaos schnell beruhigt und die eigentliche Lenkungsarbeit beginnen kann.
Florian Beckermann ist Vorstand des IVA – Interessenverband für Anleger
Quelle: https://www.boersen-kurier.at/iva/2025-04/omnibus-das-eu-parlament-faehrt-halb-mit