21 Sep Unnötig: Bäume fällen für Aufsichtsrats-Sitzungen
Last Updated on 2017-09-21
Dr. Brigitta Schwarzer, MBA
„Ich habe das Gefühl, für jede Aufsichtsratssitzung wird ein halber Wald abgeholzt.“ So der trockene Kommentar von AR-Multi Christine Wolff, Hamburg, zur Tatsache, dass das Thema Digitalisierung zwar in aller Munde, aber offenbar noch nicht in allen Köpfen angekommen ist. Auch wenn viele Unternehmen heute bereits über einen digitalen Boardroom verfügen, werden nach wie vor für Aufsichtsrats-Sitzungen stapelweise Unterlagen ausgedruckt. Damit gebe der Aufsichtsrat, der ja eine Vorbildfunktion haben sollte, ein schlechtes Beispiel für den Rest des Unternehmens, so Wolf.
Der 6. Frankfurter Aufsichtsratstag, der am 13. September stattfand und vom AdAR, dem Arbeitskreis deutscher Aufsichtsrat, veranstaltet wurde, befasste sich vor allem damit, welche Herausforderungen die Digitalisierung für Aufsichtsräte mit sich bringt. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Aufsichtsrats-Praxis, also der praktischen Anwendung theoretischer Ansätze. Es wurde dazu auch eine Studie präsentiert. Für Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), ist es vollkommen klar, dass sich der Aufsichtsrat selbst mit den Themen Digitalisierung, Cyberkriminalität und Sicherheit auseinandersetzen muss. Dies schon deshalb, weil nur so der langfristige Erfolg des Unternehmens gewährleistet werde. Aufgabe des Aufsichtsrats sei es, dem Vorstand zu all diesen Fragen klare Vorgaben zu machen, dafür müsse er natürlich auch selbst kompetent sein. Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb von der Uni Köln vertritt ebenfalls die Auffassung, dass der Aufsichtsrat selbst Kompetenz in Sachen Digitalisierung besitzen muss. „Die Beiziehung von Experten dafür – ob sie nun aus dem Unternehmen selbst kommen oder von außen – reicht hier definitiv nicht.“
AR muss Digitalisierung zur Chefsache machen
Gerhard Kronisch, Hauptgeschäftsführer der VAA-Führungskräfte Chemie, vertritt die Meinung, dass der Aufsichtsrat das Thema Digitalisierung zur Chefsache machen muss. Nur so kann er eine seiner zentralen Aufgaben – neben seiner Kontrollfunktion muss sich der Aufsichtsrat ja auch um die Zukunftssicherung des Unternehmens kümmern – erfüllen. Simone Menne, die unter anderem den Kontrollgremien des Autobauers BMW und der Deutschen Post DHL Group angehört, rät aus ihrer eigenen Erfahrung jedem Aufsichtsrat, sich Knowhow zum Thema Digitalisierung anzueignen. Durch dieses Wissen könne er einerseits dem Vorstand bei der Erfüllung seiner Aufgaben helfen, diesen aber andererseits auch auf Herausforderungen aufmerksam machen, beispielsweise wo Gefahren und Risken bestehen bzw. wo investiert werden sollte.
Welche Rolle der Aufsichtsrat bei der digitalen Transformation spielen sollte, erläuterte Prof. Harald Eichsteller von der Hochschule der Medien. Bei Neubesetzungen in Vorstand und Aufsichtsrat müsse dringend auf das Vorhandensein digitaler Kompetenz geachtet werden, es müsse dafür die nötigen Budgets geben, weil man ohne im IT-Bereich richtig aufgestellt zu sein, heute im Wettbewerb nicht bestehen kann. Und das Thema müsse auf allen Unternehmensebenen durchgezogen werden.
Ein weiterer Schwerpunkt der Veranstaltung war die Frage, inwieweit Künstliche Intelligenz die Compliance unterstützen kann. „Wenn wir die Digitalisierung für Compliance-Zwecke auf intelligente Weise einsetzen, können wir uns von manuellen Prozessen befreien, unser Gehirn einschalten und das tun, wofür wir wirklich bezahlt werden: nämlich die Beratung der Geschäftseinheiten, des Vorstands und des Aufsichtsrats und so bei der Umsetzung der strategischen Ziele des Unternehmens wirklich hilfreich sein.“ So sieht Thomas Lösler, Compliance-Chef der Allianz, die künftige Entwicklung. Prof. Dr. Michele Sutter-Rüdisser von der Universität St. Gallen betonte vor allem die präventive Wirkung von Compliance, diese sollte nach ihrer Meinung unternehmensweit durchgehend organisiert sein. Prof. Dr. Stefan Siepelt, geschäftsführender Vorstand des AdAR-Arbeitskreises Mittelstand in Deutschland, stellte zur Diskussion, ob Künstliche Intelligenz Systeme unterstützen und dabei helfen könne, die Anzahl von Compliancevorfällen zu verringern. Allerdings geht es gerade bei Compliance und bei gelebter Corporate Governance auch sehr stark um emotionale Intelligenz. Und die sei dann wieder typisch dem Menschen eigen, so Siepelt.
Dem neuen Bestätigungsvermerk und dem neuen Prüfungsbericht aus der Sicht des Aufsichtsrats widmete sich Dr. Claus Buhleitner, Leiter des Deloitte Center für Corporate Governance. Der Abschlussprüfer diskutiere mit dem Aufsichtsrat die besonderen Sachverhalte bei der Jahresabschlussprüfung, die „key audit matters“. Das helfe beiden Seiten, dem Prüfer, weil er damit die Qualität seiner Prüfung verbessern kann, es helfe aber auch dem Aufsichtsrat dabei zu reflektieren, welche Themen er etwa bei der Risikoeinschätzung und Überwachung der Unternehmensführung berücksichtigen muss.
Quelle: Director’s Channel TV-Internetkanal – www.directors-channel.com