06 Aug Wer erbt meine digitalen Daten & Konten?
Last Updated on 2020-08-06
Christine Domforth / Brigitta Schwarzer
Viel zu wenige Internetnutzer beschäftigen sich damit, was nach dem Tod mit ihrem „virtuellen Nachlass“ geschehen soll. Dabei sind digitale Inhalte genauso vererbbar wie Häuser, Sparbücher oder Autos. Wer sich rechtzeitig mit seinem digitalen Nachlass auseinandersetzt, erspart den Hinterbliebenen jede Menge Probleme.
Der Mensch von heute verbringt einen wesentlichen Teil seines Lebens im Internet. Und er hinterlässt dort viele und teilweise auch sensible Informationen, Bilder, Videos, Daten etc. Wenn der User stirbt, bleiben diese Inhalte im Internet bestehen. Wer das Wissen über all seine Konten, Daten und Profile samt den dazugehörenden Passwörtern mit ins Grab nimmt, verursacht den Hinterbliebenen jede Menge Probleme. Es drohen rechtliche Schwierigkeiten, unter Umständen auch finanzieller Aufwand.
Wenn beispielsweise kostenpflichtige Abos nach dem Tod weiterlaufen, weil sie nicht gekündigt wurden, können die Erben zur Kasse gebeten werden. Noch gravierender: Der Verstorbene hat einen Teil seines Vermögens in einer Kryptowährung wie z.B. Bitcoin angelegt, aber seine Erben wissen nichts davon oder sie kennen den private-key (Zugangscode) dafür nicht. Dann schauen sie durch die Finger.
Immer öfter werden Verträge – etwa bei einer Versicherung – heute online abgeschlossen und meist auch nur elektronisch gespeichert. Das kann im Todesfall ebenfalls zum Problem werden. Nicht vergessen werden darf weiters die emotionale Ebene: Früher wurden z.B. Fotos fein säuberlich in Alben verwahrt. Heute werden sie oft nur auf einer Festplatte oder in der Cloud gespeichert. Wer darüber nicht Bescheid weiß oder die Zugangsdaten nicht hat, kommt als Erbe nur schwer oder gar nicht an diese wertvollen Erinnerungen heran.
Daher sollte jeder Mensch nicht nur mittels eines Testaments festlegen, wer seine materiellen Besitztümer wie Immobilien, Wertpapiere, Auto Schmuck etc. erben soll, sondern auch seinen digitalen Nachlass entsprechend regeln. Leider tun das laut Umfragen bisher viel zu wenige Menschen, den meisten ist dieses Thema noch gar nicht bewusst.
Was alles dazu gehört
Eine allgemein gültige Definition, was alles zum digitalen Nachlass gehört, gibt es nicht. Im Wesentlichen geht es dabei um Benutzerkonten und persönliche Daten, die nach dem Tod eines Menschen im Internet weiter bestehen. Hier ein paar Beispiele:
o Profile auf sozialen oder beruflichen Netzwerken (Facebook, Twitter, Xing, LinkedIn etc.)
o E-Mail-Konten bzw. -Postfächer
o Instant-Messenger (WhatsApp, Skype etc.)
o Konten bei Online-Diensten (PayPal, Spotify, Netflix usw.)
o Blogs, Websites, Domainnamen
o Online-Banking
o Internetwährungen wie beispielsweise Bitcoins
o Online-Vermittlungsplattformen wie Airbnb oder willhaben
o Mediendienste (Spotify, Netflix, Online-Abos von Zeitungen etc.)
o Fotodienste (Instagram, Flickr, Snapchat, Google Fotos)
o Videodienste wie z.B. YouTube
o Cloud-Dienste
o Versandhandel z.B. (Amazon, Zalando)
o Profile auf Partnervermittlungsbörsen wie z.B. Parship
o Mediale Inhalte (Musik-Dateien, Filme, E-Books)
o E-Government (FinanzOnline, Handy-Signatur/Bürgerkarte etc.)
Auch Offline-Daten, die auf einem elektronischen Gerät wie PC, Laptop, Tablet oder Handy oder einem Datenträger gespeichert sind (wie zum Beispiel Fotos, Videos, E-Mails, Notizen sowie Filme, Musik-Dateien, elektronische Dokumente und Softwarelizenzen etc.) gehören zum digitalen Nachlass.
Die Erben treten nach der Einantwortung in die Rechte, Pflichten und Rechtsverhältnisse der bzw. des Verstorbenen ein. Auch im Internet geschlossene Verträge des bzw. der Verstorbenen gehen also auf die Erben über.
So sorgt man richtig vor
Der erste Schritt zur Vorsorge beginnt auch beim digitalen Nachlass mit einer Bestandsaufnahme. Man sollte ein möglichst vollständiges Verzeichnis aller Online-Mitgliedschaften, Profile und sonstigen Online-Aktivitäten erstellen. Hilfreich ist es, sich selbst ein paar Tage lang beim Surfen zu beobachten. Meist ist die Liste, die dabei zusammenkommt, viel umfangreicher als gedacht. Natürlich muss das Verzeichnis der Online-Aktivitäten regelmäßig aktualisiert werden. In diese Liste sollten auch Spitznamen oder Pseudonyme aufgenommen werden, falls man solche bei diversen Aktivitäten im Netz statt des Klarnamens benutzt.
Ebenfalls in dieses Verzeichnis gehören Zugangsdaten, Passwörter etc. Die Liste, die ja der „Schlüssel“ zur privaten Onlineaktivität ist, muss sicher verwahrt werden. Entweder man deponiert sie in einer Dokumentenmappe oder einem Bank-Safe und informiert die Erben darüber. Wenn man diesen nicht vertraut oder bei umfassenden Online-Aktivitäten, die auch größere finanzielle Transaktionen umfassen, empfiehlt es sich, die Liste zusammen mit dem Testament beim Notar zu hinterlegen.
Eine technische Alternative zu einer Liste aller Zugangsdaten wäre beispielsweise ein Passwort-Manager, der alle Passwörter in verschlüsselter Form speichert und verwaltet. Gesichert ist er mit einem Master-Passwort. Wer dieses kennt, kann damit in den Passwort-Manager einsteigen und bekommt den Zugriff auf alle Zugangsdaten des Users. Dieses Master-Passwort sollte man bei einer absolut vertrauenswürdigen Person oder beim Notar deponieren.
Für alle aufgelisteten Online-Aktivitäten sollte man festhalten, was im Todesfall damit passieren soll. Grundsätzlich gibt es für den Umgang mit dem digitalen Nachlass vier Möglichkeiten:
o Erhaltung
o Löschung
o Archivierung
o Übertragung der Daten an die Erben
Viele soziale Netzwerke bieten mittlerweile Optionen an, um für den Todesfall vorzusorgen. Bei Facebook haben Hinterbliebene die Möglichkeit, das Konto einer verstorbenen Person zu löschen oder in den Gedenkzustand zu versetzen. Man kann aber auch zu Lebzeiten einen befreundeten Facebook-User als „Nachlasskontakt“ festlegen, der dann im Todesfall das Facebook-Profil erbt. Bei Google ermöglicht ein Konto-Inaktivitäts-Manager die Regelung des digitalen Nachlasses.
Spezialfälle sind E-Books, iTunes oder auch manche Software-Lizenzen. Rechtlich gesehen werden sie nicht verkauft, sondern verliehen bzw. zur Nutzung überlassen. Und in den meisten Fällen erlischt der entsprechende Vertrag mit dem Tod. Vererben kann man sie also nicht. Nutzt sie der Erbe weiter, weil er die Zugangsdaten kennt und den Anbieter nicht vom Ableben des ursprünglichen Vertragspartners informiert, wäre das illegal.
Schwierige Suche
Wenn der Verstorbene keine Vorsorge für seinen digitalen Nachlass getroffen hat, sind bei den Erben detektivischer Spürsinn und viel Geduld gefragt. Sie müssen dann Kontakt zu den in Frage kommenden Plattformen – mittlerweile gibt es davon hunderte – aufnehmen, Suchmaschinen nutzen und eventuell Freunde des Verstorbenen befragen, um herauszufinden, wo er überall im Netz aktiv war. Einige Plattformen, wie etwa Google und Facebook, bieten dafür eigene Kontaktformulare an. Bei anderen Diensten muss man den Kundendienst kontaktieren.
Mittlerweile gibt es sogenannte „Online-Bestatter“, die im Auftrag von Angehörigen nach Online-Aktivitäten des Verstorbenen fahnden und die Löschung von Profilen oder die Kündigung von Verträgen veranlassen. Eine ähnliche Dienstleistung bietet auch manche Versicherungen an, oft gemeinsam mit Bestattungsfirmen.
Wenn der Verstorbene allerdings im Netz nicht mit seinem Klarnamen, sondern unter einem Pseudonym unterwegs war, das die Hinterbliebenen nicht kennen, wird die Suche scheitern. Alle diese Schwierigkeiten sollte man den Hinterbliebenen ersparen und sich rechtzeitig um die digitale Vorsorge kümmern.