WIFO-CHEF IN DER ZIB 2: „Müssen an Schrauben drehen, die auch wehtun werden“

WIFO-CHEF IN DER ZIB 2: „Müssen an Schrauben drehen, die auch wehtun werden“

Last Updated on 2024-09-12
kleine.zeitung.at / Uwe Sommersguter, 08.09.2024

Österreich brauche dringend 1,5 bis zwei Prozent Wachstum, um den nötigen Umbau der Wirtschaft voranzutreiben. Wifo-Chef Felbermayr sorgt sich, dass das Wohlstandsniveau nicht mehr haltbar sein würde, sollte die neue Regierung nicht notwendige Maßnahmen ergreifen.

Ein durchwachsenes Zeugnis stellte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr der türkis-grünen Bundesregierung Sonntagabend in der ZIB 2 aus: Er mache sich Sorgen, weil das nötige Wirtschaftswachstum fehle und das Wohlstandsniveau nicht mehr haltbar sei, „wenn wir uns nicht anstrengen“, so Felbermayr. Es müsse etwa wieder mehr Vollzeit gearbeitet werden und „wir müssen uns fragen, wie wir die Industrie wieder flottkriegen.“ Diese sei ein Kern der österreichischen Volkswirtschaft, der „derzeit überhaupt nicht“ funktioniere. Dafür würden dringend Maßnahmen benötigt. Die Wettbewerbsfähigkeit müsse gesteigert werden, die „Kosten in den Vordergrund“ gestellt: „Da wird man Schrauben drehen müssen, die teilweise auch wehtun werden.“ Dringend notwendig sei auch die Budgetsanierung.

Kein Wachstum

Andererseits sei es zu erklären, warum in keinem anderen Land Europas die Wirtschaftsleistung pro Kopf seit 2019 so stark gesunken ist wie in Österreich, laut EU-Kommission um 1,7 Prozent. Verantwortlich dafür sei „eine ganze Reihe spezieller Themen“ in Österreich. Corona traf Österreich mit seinem großen Tourismussektor stärker, ebenso sei die kleine, offene Volkswirtschaft von der Lieferkettenthematik massiv betroffen gewesen. Dazu komme die Abhängigkeit von russischem Gas. Das habe Österreich stärker in Rezession und Stagnation gedrängt. „Man hätte ein paar Zehntelprozent mehr Wachstum durch eine andere Politik gewinnen können, aber zum Preis einer höheren Verschuldung.“ Die Großwetterlage der Wirtschaft sei für Österreich eben bedeutender als für andere EU-Staaten.

Deutschland drückt Prognose

Angesprochen auf die enormen wirtschaftlichen Probleme Deutschlands sagt Felbermayr, 13 Prozent der gesamten Nachfrage in Österreich kommen aus dem Nachbarland. Der prognostizierte erneute Dämpfer des deutschen Wachstums werde wohl auch Österreichs Wachstumsprognose ins Negative drücken.

Der notwendige Umbau der österreichischen Wirtschaft würde mit mehr Wachstum viel leichter fallen, eineinhalb bis zwei Prozent Wachstum wären „für so eine reiche Volkswirtschaft wie in Österreich viel“, so Felbermayr. Die Prognosen sehen das langfristige Wachstum bei Österreich allerdings nur bei einem Prozent, Deutschland sogar nur bei 0,4 Prozent. „Wir müssen uns dringend in Österreich Gedanken machen, woher das Wachstum kommt“, so der Wifo-Chef. Und er gab auch eine Antwort: Dieses Wirtschaftswachstum müsse künftig wohl stärker aus Europa denn von den Weltmärkten kommen.

Lage am Arbeitsmarkt entspannt

Österreich erlebe derzeit zwar eine schwere Industrierezession, dennoch schlage sich dies in begrenztem Anstieg der Arbeitslosigkeit nieder. In der Vergangenheit sei bei einem solchen Einbruch die Arbeitslosigkeit höher gestiegen. Die Unternehmen seien wegen der Demografie mit Entlassungen vorsichtiger. „Selbst wenn das Wachstum nicht dort hinkommt, wo wir es gewohnt waren, sehen wir am Wifo die Lage für den Arbeitsmarkt entspannt.“ Die Zeit der Massenarbeitslosigkeit sei aufgrund der Demografie wahrscheinlich vorbei, so Felbermayr.

Quelle. https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/18840711/felbermayr-zur-performance-der-regierung