24 Nov „Wir sind eine lernende Organisation“
Last Updated on 2016-11-24
INARA: Sie sind seit 2013 CEO der Kathrein Privatbank. Was ist jetzt anders als vorher?
Dr. Susanne Höllinger: Als ich die Leitung der Bank übernommen habe, war es nicht mein Ziel, das langjährig bewährte Geschäftsmodell, das auf die Betreuung von Privatkunden, Unternehmern und Stiftungen fokussiert ist, grundlegend zu verändern. Aber ich habe in den letzten vier Jahren sicher zahlreiche Akzente gesetzt. Als gelernte Wirtschaftspädagogin war mir von Beginn an daran gelegen, den Human Factors im Unternehmen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. So haben wir heute wesentlich mehr Frauen in der ersten Führungsebene, ein größeres Schulungs- und Seminarangebot für Kunden und Mitarbeiter und eine verbesserte Kommunikation der Mitarbeiter untereinander. Aber auch im Vorstand, im Aufsichtsrat und in der Zusammenarbeit zwischen den Gremien ist die Awareness für die Bedeutung eines laufenden Informationsaustausches gestiegen.
Lassen Sie es mich anders ausdrücken: Wir sind in den letzten Jahren im wahrsten Sinne des Wortes zu einer lernenden Organisation geworden und der Geschäftserfolg bestätigt das. Dass sich neben meinen Vorstands- und Aufsichtsratskollegen hier alle Mitarbeiter aktiv eingebracht haben, ist äußerst zufriedenstellend.
INARA: Welche Art von Aus- und Weiterbildungen bieten Sie Ihren Kunden bzw. interessierten Dritten an?
Höllinger: Zunächst möchte ich auf die Seminare unserer Kathrein Akademie eingehen, die bei Stiftern, Begünstigten und Stiftungsvorständen auf großen Anklang stoßen. Auch der von incite bereits zweimal angebotene Lehrgang für aktive und angehende Stiftungsvorstände wird von uns durch die Beistellung von Vortragenden und der Infrastruktur unterstützt.
In diesen Veranstaltungen geht es hauptsächlich um Wissensvermittlung in den Bereichen Finanzen und Steuern, Recht, Vermögensveranlagungen und Immobilien inklusive einer Tour d’Horizon über alle Neuerungen. Es kann gar nicht oft genug betont werden, wie wichtig es z.B. ist, dass ein Stiftungsvorstand auf diesen Gebieten kompetent ist. Nur wer über eine kaufmännische Grundausbildung verfügt, ist für eine solche Aufgabe geeignet. Für Banken gelten hier ja seit einiger Zeit mit dem Fit & Proper Test und dem jährlichen Nachweis dazu sehr strenge Regelungen. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum das, was Bankern diesbezüglich abverlangt wird, nicht auch für Vorstand und Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften und für Stiftungsvorstände gilt.
Für letztere leisten wir unseren Beitrag zur Abhilfe und sehen, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich hoffe und wünsche mir, dass es in absehbarer Zeit keine Stiftungsvorstände mehr gibt, die jährlich ihre Bilanzen unterschreiben, obwohl sie keine fundierte kaufmännische Ausbildung oder Erfahrung haben.
Daneben halten wir eigene Informationsveranstaltungen, insbesondere für unsere Kunden, zu einschlägigen Themen rund um das Erbrecht, den Generationenwechsel im Familienunternehmen u.a. ab.
INARA: Sie tun aber auch viel für die Mitarbeiter, nicht wahr?
Höllinger: Als Vorstandsvorsitzende der Bank habe ich die Sicherheit des Unternehmens zu gewährleisten. Die laufende Aus- und Weiterbildung und das Empowerment der Mitarbeiter, also ihre Einsatzbereitschaft und ihre Leistungsmotivation, sind die Grundsteine dafür. Diese Verantwortung ist für Banken keine freiwillige Übung, sondern eine vorgegebene Pflichtaufgabe. Die Kathrein Privatbank bietet ihren Mitarbeitern aber mehr an als vorgeschrieben und das sehr gerne. Uns geht es dabei vor allem darum, dass die Mitarbeiter Informationen erhalten und teilen, die über ihr eigenes Aufgabengebiet hinausgehen. So muss auch der Lohnbuchhalter mit dem Begriff Geldwäsche etwas anzufangen wissen oder der Mitarbeiter in der Personalabteilung die wesentlichen Bestimmungen des BWG (Bankwesengesetz) und WAG (Wertpapieraufsichtsgesetz) kennen. Auch Sicherheitsschulungen haben bei uns einen hohen Stellenwert.
Alle Mitarbeitertrainings werden von uns intern organisiert und es ist bei uns üblich, dass das vermittelte Wissen dann auch abgefragt wird.
INARA: Heißt das, dass sich die Mitarbeiter schriftlichen Tests unterziehen müssen?
Höllinger: Das stimmt. Diese Prüfungen haben aber nicht das Ziel, Schulnoten zu verteilen, sondern helfen uns, festzustellen, ob die vermittelten Informationen bei den Mitarbeitern angekommen sind, ob die Präsentation der Lehrinhalte adäquat war und ob eventuell da und dort nachgeschult werden muss. Diese Vorgehensweise wird bei uns schon lange praktiziert. Wer möchte, schreibt seinen Namen auf den Prüfungsbogen, wer das nicht möchte, gibt ihn anonym ab. Unsere Führungskräfte gehen mit gutem Beispiel voran und auch ich selbst fülle regelmäßig Zettel aus. Ich frage nach, wenn ich in einem Vortrag etwas nicht verstehe und motiviere auch alle Mitarbeiter dazu. Es ist keine Schande, etwas nicht zu wissen. Im Gegenteil, jede Anmerkung zeigt, dass sich der Fragesteller mit der Materie aktiv auseinandersetzt.
In einer Bank, die so strengen Regularien unterworfen ist wie kein anderes Unternehmen, ist die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter ein absolutes MUSS. Dass wir mit unseren „freiwilligen“ Informationsveranstaltungen weit darüber hinausgehen gehört zu unserer Firmenkultur.
INARA: Inwieweit fördern Ihre Schulungsveranstaltungen auch die Zusammengehörigkeit der Mitarbeiter?
Höllinger: Es ist keine Frage, der Teamgeist und die Motivation werden dadurch gestärkt, vor allem was unsere internationalen Teams betrifft. Unsere 80 Mitarbeiter, darunter ein sehr hoher Akademikeranteil, sind sehr heterogen, vor allem was die unterschiedlichen Nationalitäten betrifft. Wir haben Leute, die nur Englisch sprechen und andere, die lediglich die russische Sprache beherrschen. Dennoch funktioniert das Teamwork. Was die Altersstruktur der Mitarbeiter betrifft, so sind wir eine sehr bunte Mischung. Wir bauen auf alle von ihnen, auch die ganz Jungen sowie die über 55-Jährigen.
Ich möchte auch nicht vergessen, an dieser Stelle auf den hohen Frauenanteil hinzuweisen, ein Drittel im Vorstand und unter den 18 Mitarbeitern mit Direct Reporting zum Vorstand sind 9 Frauen. Darauf bin ich besonders stolz, auch darauf, dass es sich bei allen um interne Besetzungen handelt.
Sie sehen, wir sind zwar ein altehrwürdiges Haus, aber drinnen sind wir sehr modern. Unsere IT ist den Vorgaben entsprechend auf einem sehr hohen Standard, bei uns wird aber viel real und persönlich kommuniziert. Das Privatbankgeschäft zeichnet sich dadurch aus, dass es ein People Business ist, und wir können uns nur dann mit unseren Kunden austauschen, wenn wir auch innerhalb des Unternehmens in Kontakt und Beziehung stehen.
INARA: Letzte Frage – auch der Vorstand und der Aufsichtsrat bilden jeweils ein Team?
Höllinger: Meine beiden Vorstandskollegen und ich verstehen einander ausgezeichnet. Jeder von uns hat seine Stärken und Schwächen und als Kollegialorgan haben wir die wunderbare Chance, dass jeder seine Stärken weiter stärkt und die Schwächen im Vorstandsteam ausgeglichen werden können. Das funktioniert bei uns sehr gut und dadurch sind wir in der Lage, angemessene gemeinsame Entscheidungen zu treffen.
Auch die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder können gut miteinander und der Kontakt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist vital und stabil. Der Aufsichtsrat ist aber natürlich nicht Teil unserer „lernenden Organisation“. Ich versuche, auch hier die Weiterentwicklung voranzutreiben, indem ich den Kontakt zu meinen Aufsichtsräten aktiv suche. Das sehe ich nicht nur als Arbeit an, sondern auch als Möglichkeit, etwas zu lernen. Alle von ihnen sind extrem versiert, sodass die Gespräche mit ihnen oft auch ein Vergnügen sind. &