Wunderwaffe Agilität?

Wunderwaffe Agilität?

Last Updated on 2020-01-20
Agilität ist derzeit sehr „hipp“, selbst Konzerne wie Daimler oder große Finanzinstitute setzen auf diese neue Unternehmensphilosophie. Aber ist agiles Management mehr als eine Modeerscheinung?  Und was kann sie im Unternehmen – etwa in der Internen Revision – bewirken? Eine sehr persönliche Nachbetrachtung.

Die 38. IIRÖ-Jahrestagung (Institut Interne Revision) fand am 26. und 27. September 2019 im Apothekertrakt von Schloss Schönbrunn in Wien statt. Das zentrale Thema war dabei Agilität, dem widmeten sich gleich mehrere Referenten. Dr. Philip Wilhelm vom Schweizer Institut für Managementerneuerung GmbH sprach über „Agilität in der Internen Revision“, Mag. Markus Petz, MBA, von Hill Management GmbH, über „Agilität – Das neue Allheilmittel für Organisationen? Und was bedeutet dies für die Interne Revision?“. Ihr Befund: Agile Regelwerke machen die Interne Revision effektiver, alle IR-Prozesse können agil werden und Agilität kann dazu beitragen, dass die Interne Revision einen stärkeren Beitrag zur Entwicklung des Unternehmenswertes leistet. Unter dem Titel „Agile Transformation in der Internen Revision der RBI“ berichteten dann Mag. Regina Rossgatterer (Bereichsleiterin Group Internal Audit), Mag. Waltraud Biondi-Benedikt und Judit Seuma-Duran, wie Agilität in einem großen Finanzunternehmens, der RBI, praktisch gelebt wird. Sie erläuterten, wie in der Bank der Auditprozess im Sinne der neuen Philosophie organisiert wurde und zeigten die daraus resultierenden Auswirkungen und Herausforderungen auf. Die „Transformationsreise“, in der die Abteilung umgestellt wurde, hat von März 2018 bis Juni 2019, also 15 Monate, gedauert. Mag. Eva-Maria Ayberk referierte schließlich über „Agile Führung“.

Scrums & Sprints in aller Munde

Der Begriff Agilität – er kommt aus dem Lateinischen und bedeutet flink oder beweglich – ist derzeit in aller Munde, es herrscht ein regelrechter Hype. Es braucht eine agile Organisation, eine agile Führung, agile Mitarbeiter sowie eine agile Unternehmenskultur. Und ohne Scrum (ein Ansatz des agilen Projektmanagements, der ursprünglich aus der Software-Entwicklung kommt und bei dem man ohne Projektleiter auskommt) und Sprints (das sind Etappen, in welche die Projektlaufzeit aufgeteilt wird) läuft heute angeblich in der Wirtschaft nichts mehr. Dabei waren schon bisher Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter nur dann erfolgreich, wenn sie flexibel und wendig waren. Agilität war also vorhanden, nur sprach man nicht darüber, weil sie selbstverständlich war. So wie es auch schon früher Menschen mit jobbedingten Erschöpfungszuständen gab, bevor dafür der Begriff Burnout erfunden wurde. Ohne ein Schlagwort, einen knackigen Begriff geht es offenbar nicht. Doch es reicht nicht, den Begriff ständig zu verwenden, man muss die Agilität auch ausstrahlen. Die Vortragenden der IRRÖ-Jahrestagung befanden sich auf der Agilitätsskala allesamt weit oben, so mancher „weniger sprühende“ Vortragende wird aber wohl an sich arbeiten müssen, um in Zeiten der Agilität authentisch zu sein.

Dass alle agil sein wollen, hängt vor allem mit der Digitalisierung zusammen. Ohne betriebliche Offenheit, Kreativität und der Bereitschaft, sich stets auf das Neue einzustellen, können Unternehmen heute kaum noch überleben. Positiv an der Agilität ist, dass wir damit in den Unternehmen mehr zueinander in Beziehung stehen, dem anderen zuhören und schneller reagieren. In einer Zeit, in der alles in Bewegung ist und Veränderungen immer schneller vor sich gehen, muss sich auch der Mensch anpassen und noch beweglicher werden, damit er die Steuerhoheit über die Maschine behält. Dass Prozesse oder Business-Pläne heute nicht mehr in Stein gemeißelt sind, sondern laufend an die Gegebenheiten angepasst und manchmal sogar völlig neu konzipiert werden müssen, liegt auf der Hand. Auch starre Hierarchien passen im 21. Jahrhundert nicht mehr in die Unternehmenswelt. Wichtig ist dabei natürlich, dass das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verloren wird.

Weil Menschen nicht gern in festgefahrenen, althergebrachten Strukturen arbeiten, ist Agilität auch eine gute „Verpackung“, um normale Prozesse und eine zeitgemäße Umstellung in der Unternehmensführung „sexy“ erscheinen zu lassen. Gerade junge Mitarbeiter fühlen sich dadurch angesprochen. Bei älteren Semestern ist jedoch zu befürchten, dass sie durch die vielen neuen Begriffe, ohne die Agilität nicht auskommt, eher abgeschreckt werden und sie sich dann noch älter fühlen. Ob das im Sinne des Erfinders ist, sei dahingestellt.

What comes next?

Wie jeder Hype, wird auch der um die Agilität eines Tages wieder verschwinden, dann werden wir in der Unternehmensführung einer neuen „Mode“ folgen. Vielleicht werden uns unsere Kinder in einigen Jahren dafür belächeln, dass wir auf unsere „Agilität“ so stolz waren. Und es kann gut sein, dass nach vielen Jahren der Beschleunigung wieder die Entschleunigung en vogue ist.