Kein AR ohne Digitalkompetenz

Kein AR ohne Digitalkompetenz

Last Updated on 2018-03-20

Die Besetzung von Aufsichtsräten in staatsnahen Unternehmen – etwa bei der ÖBB, der Asfinag oder den Bundesforsten – sorgte zuletzt für Schlagzeilen. Beim ersten von INARA veranstalteten iNsight Expertengespräch am 15. März im Café Landtmann ging es allerdings nicht um (Partei)Politik, sondern darum, welche fachlichen und sachlichen Kriterien bei der Besetzung von Gremien zu beachten sind. Referenten waren Prof. Dr. Werner Hoffmann, der an der WU Wien das Institut für Strategisches Management leitet, und Dr. Brigitta Schwarzer, MBA, Geschäftsführerin von INARA.

Hoffmann, der sich bereits seit Jahren mit dem Thema Auswahl und Ausbildung von Aufsichtsräten beschäftigt, plädiert dafür, bei deren Besetzung vor allem auf die strategischen Herausforderungen Bedacht zu nehmen, vor denen ein Unternehmen steht. Heute ist für weite Teile der Wirtschaft die Digitalisierung die entscheidende Herausforderung, alte Geschäftsmodelle werden relativ schnell obsolet. Laut Hoffmann haben rund 61 Prozent der Unternehmen bisher keine oder keine ausreichende Digitalisierungsstrategie. Der Aufsichtsrat müsse darauf achten, dass der Vorstand eine solche Strategie erarbeitet und diese dann auch umgesetzt wird. Gefordert sei der Aufsichtsrat auch deshalb, weil er die Investitionen, die dafür notwendig sind, genehmigen muss. In den kommenden fünf bis zehn Jahren werde in den meisten Branchen der Innovationsdruck anhalten, deshalb braucht man laut Hoffmann im Aufsichtsrat auch strategische und digitale Kompetenz.

Wenn von Diversität in Aufsichtsräten die Rede ist, denken viele vor allem an die Frauenquote. Hoffmann rät aber, um die Innovationskraft zu fördern auch zu einer teilweisen Verjüngung dieser Gremien. „Sitzen dort nur Leute mit 60 plus, wird man nicht viel digitale Kompetenz erwarten können.“

Schwarzer verwies zunächst auf die Aufgaben, die der Aufsichtsrat laut Aktiengesetz zu erfüllen hat, also die Kontrolle und Überwachung des Vorstands. Zusätzlich sei der Aufsichtsrat auch als strategische Begleitung des Vorstands gefordert, er müsse für diesen als Sparringpartner auf Augenhöhe agieren können. Alle Aufsichtsräte brauchen Basiskompetenzen in den Bereichen Risikomanagement, IKS und Compliance. Der Finanzexperte – einen solchen brauchen laut Schwarzer alle Aufsichtsratsgremien, auch in kleineren Unternehmen – muss darüber hinaus praktische Expertise haben, etwa im Rechnungswesen. Diese Erfahrung sollte halbwegs aktuell sein, fordert Schwarzer, „vor 20 Jahren top gewesen sein, reicht nicht.“ Zusätzlich müsse diese Person in Bilanzierungs- und Finanzierungsthemen sattelfest sein, um sowohl den CFO als auch den Wirtschaftsprüfer „challengen“ und ihnen wenn nötig kritische Fragen stellen zu können.

Als „größten Hebel“ des Aufsichtsrats sieht Hoffmann die Bestellung bzw. Abbestellung des Vorstands sowie den Vertragsabschluss mit diesem samt Incentivierung. Wie eine solche „Vergütungsmotivation“, vor allem die Ausgestaltung der variablen Gehaltsbestandteile der Vorstände, am besten aussehen soll, darüber sind sich Experten alles andere als einig. Diskutiert wird, ob und in welchem Ausmaß die Boni an „harte“ Zielgrößen wie dem EBIT bzw. an speziell zu definierende „weiche“ Faktoren etwa aus dem CSR-Bereich geknüpft werden sollen. Auch unterschiedliche Kriterien für die einzelnen Vorstandsmitglieder – abgestuft je nach Verantwortungsbereich – werden teilweise überlegt. In allen diesen Fragen sind wieder der Aufsichtsrat oder dessen Nominierungs- und Vergütungsausschuss gefordert, so Schwarzer.

Hoffmann wünscht sich „Manager, die von der Sache überzeugt sind und nicht bloß auf das Bankkonto schielen“. Richtig wäre seiner Meinung nach ein Bonus für strategische Entscheidungen, die das Unternehmen auf einen langfristigen und nachhaltig profitablen Wachstumskurs bringen. Das erkennt man nicht aus der Bilanz eines bestimmten Geschäftsjahres, sehr wohl aber kann der Aufsichtsrat das beurteilen. Vorsicht sei bei Bonusmodellen geboten, die an die Börsenkursentwicklung des Unternehmens gekoppelt sind, diese könnten leicht missbraucht werden.

Für gefährlich hält Hoffmann auch die vor allem in den USA praktizierte Methode des hire & fire bei Vorständen: „Man sollte nicht wie im Fußball agieren, wo die Trainer nach sechs Niederlagen rausgeworfen werden.“ Wenn Topmanager wissen, dass sie bereits nach kurzer Zeit wieder ausgetauscht werden, sei der Anreiz groß, in kurzer Zeit möglichst viel verdienen zu wollen und dafür eventuell an Kenngrößen zu drehen.

Hoffmann und Schwarzer erörterten weiters, wie viele Mitglieder ein Aufsichtsrat idealerweise haben sollte und welche Qualifikationen vertreten sein müssen. Optimal seien sechs bis höchstens acht Kapitalvertreter, bei deren Auswahl zunächst ein Kompetenzprofil zu erstellen ist. Man braucht sowohl Generalisten als auch Spezialisten (etwa für Finanzen und den Rechtsbereich). Nötig sind weiters Branchen- und Technologiekenntnisse, um strategische Entscheidungen treffen zu können, wie bereits erwähnt jemanden mit IT-Hintergrund sowie laut Schwarzer auch eine Person, die unternehmerisches Denken einbringen kann.

Hoffmann hält es für durchaus richtig, wenn der Eigentümer sich Personen seines Vertrauens als Aufsichtsräte aussucht. Dabei sollte man sowohl auf Kompetenz- als auch auf Goodwill-Vertrauen achten und unbedingt Interessenskonflikte vermeiden. Schwarzer betonte die Wichtigkeit einer „at arm’s length“ Distanz und die Fähigkeit zum kritischen Diskurs, die jeder Aufsichtsrat haben müsse. Beide Referenten empfahlen schließlich jedem Aufsichtsrat eine regelmäßige Selbstevaluierung sowie alle drei Jahre eine Fremdevaluierung. Beides sollte nicht nur eine Pflichtübung für den Governance Bericht sein, sondern als Lernchance begriffen werden.