Wie Wohnen wieder leistbar wird

Wie Wohnen wieder leistbar wird

Last Updated on 2018-05-03

Dr. Christine Domforth

„Steigende Mieten: wird Wohnen unbezahlbar?“

Darüber diskutierten am 26. April 2018 in „Servus TV“ Christoph Chorherr, Wohnbausprecher der Grünen in Wien, Immobilienentwickler Kaspar Erath, Unternehmensberater Thomas Eppinger, der Salzburger Immobilienmakler Alexander Kurz sowie die Soziologin Anne Erwand, die das von ihr mitbegründete alternative Wohnprojekt Hasendorf vorstellte. Moderiert wurde der „Talk im Hangar-7“ von Michael Fleischhacker. Davor lief auf „Servus TV“ bereits eine Reportage über die Situation am heimischen Wohnungsmarkt.

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darüber, dass in Österreich und da vor allem in Wien wegen des starken Zuzugs mehr leistbare Wohnungen gebraucht würden. Auch dass das geltende Mietrecht inzwischen renovierungsbedürftig ist, war weitgehend unbestritten. Völlig unterschiedlich sahen allerdings die Lösungsvorschläge aus. „Der Staat verzerrt den Markt, der freie Markt kann das Problem besser lösen “, meinte Eppinger. Es sei der Planwirtschaft nirgendwo gelungen, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen: „Warum soll es dann ausgerechnet beim Wohnbau funktionieren?“ Chorherr sah das erwartungsgemäß anders, es müssten alle zusammenarbeiten, also öffentliche Hand und Private. „Es geschieht schon viel, aber wir müssen noch mehr tun.“

Erath verwies darauf, dass allein in Wien pro Jahr 5.000 Wohnungen fehlen, was die Mieten nach oben treibe. Er plädiert für einen „New Deal“. Das geltende Mietrecht, das für Gründerzeithäuser in Wien einen Richtwert von 5,58 Euro pro Quadratmeter monatlich vorschreibt, verhindert in den meisten Fällen eine Sanierung der Häuser vom Keller durch die Stockwerke. Weil in vielen Wohnungen die Mieter noch alte Mietverträge haben, liegt der Durchschnittsertrag in den Gründerzeithäusern in den Stockwerken sogar nur bei drei bis vier Euro pro Quadratmeter. „Damit kann man keine Häuser erneuern und in die Infrastruktur investieren“, so der Investor, der selbst in Wien saniert und Dachböden ausbaut.

Dachwohnungen sind sehr gefragt, obwohl für sie der Richtwert nicht gilt und deshalb höhere Mieten verlangt werden können. Wenn man auf Stadtverdichtung setzt und dafür die „stille Reserve“ in Gründerzeithäusern und Gemeindebauten nutzt, wären das laut Erath allein in Wien über 100.000 Wohnungen, für die keine neue Infrastruktur benötigt wird. Auch der Umweltschutz würde davon profitieren. „Das müsste das Gebot der Stunde sein, aber mit den geltenden Richtwerten geht das nicht“, betonte er. In Gemeindewohnungen betrage die Miete im Schnitt 7,80 Euro brutto pro Quadratmeter, liege also über dem Richtwert, den private Vermieter verlangen dürfen.

Immobilienmakler Kurz verwies darauf, dass Wohnen fast überall in Europa noch teurer ist als in Österreich und machte sich dann ebenfalls für eine Änderung des geltenden Mietrechts stark. Sozialwohnungen für Bedürftige seien sinnvoll, verdienen die Mieter später mehr sollten sie aber auch mehr bezahlen, meint er. Chorherr ist strikt dagegen: „Ich bin gegen Deregulierung und Liberalisierung und froh darüber, dass einen Mieterschutz gibt.“ Wenn man in Sozialwohnungen nur Bedürftige einquartiere, dann schaffe das Probleme. Eine Durchmischung sei viel vernünftiger und verhindere auch Kriminalität. „Am Beispiel Paris kann man ja sehen, was passiert, wenn man in manchen Vierteln nur Arme und Arbeitslose unterbringt“, so der grüne Kommunalpolitiker.

Heftig diskutiert wurde auch über die immer stärkere Verbreitung von befristeten Mietverträgen. Dies stelle viele Mieter vor enorme Probleme. Kurz meinte, ohne Befristung könne man einen Mieter angesichts des geltenden Mietrechts nie loswerden. Auch unbefristete Mietverträge müssten eine Art von Ausstiegsklausel haben, dann würde es weniger Befristungen geben.

Chorherr trat dafür ein, den gemeinnützigen Wohnbau weiter zu forcieren und etwa verstärkt auf neue Genossenschaftswohnungen zu setzen. Diese Wohnungen seien besonders günstig und unbefristet, davon sollten nach Meinung von Chorherr breite Bevölkerungsschichten profitieren. Für ärmere Menschen wären spezielle Lösungen wie Smartwohnungen vorzusehen. Insgesamt seien Genossenschaftsprojekte, bei denen keine Rendite erwirtschaftet werden muss, gerade in Wien dringend nötig. „Ich bin heilfroh, dass es dieses Segment gibt, man sollte den Anteil der Gemeinnützigen ausweiten. Die billigsten Wohnungen sind die ausfinanzierten Genossenschaftswohnungen“, so Chorherr.

Eppinger sieht das völlig anders. Der geförderte Wohnbau, der durch die Wohnbauförderungsbeiträge der Dienstgeber und Dienstnehmer finanziert wird, sei nicht treffsicher und deshalb alles andere als sozial: „Die Billa-Verkäuferin finanziert das Häuschen im Grünen des Sparkassendirektors, aber sie selber kann sich nie eine Eigentumswohnung leisten.“ Gerade die einkommensschwächsten Schichten würden bei den privaten Vermietern landen, Zuwanderer auch deshalb, weil sie zunächst keinen Anspruch auf eine Gemeindewohnung haben.

In Wien liegt die Einkommensgrenze für Sozialwohnungen derzeit bei monatlich 3.664 Euro netto, für Paare bei 5.460 Euro. Studien hätten ergeben, dass im Gemeindebau nur ein Fünftel der Bewohner sozial bedürftig sind. Erath hält eine soziale Durchmischung zwar für wichtig, man sollte aber jenen, die besser verdienen, höhere Mieten abverlangen. „Oder sie ziehen hinauf aufs Dach mit Terrasse und Balkon, dann wird die Wohnung für die Billa-Kassierin frei.“ Ärmere sollten bloß vier bis fünf Euro pro Quadratmeter als Monatsmiete zahlen, „damit sie nicht am Bettelstab hängen und nicht zur ewigen Dankbarkeit gezwungen sind.“

Kurz kann sich vorstellen, dass man von Mietern billiger Wohnungen einen Einkommensnachweis verlangt. Steigt das Einkommen deutlich, sollte man in angemessener Frist ausziehen, weil man sich dann ja eine teurere Wohnung leisten kann. Chorherr lehnte das vehement ab, er verwies erneut auf die wünschenswerte soziale Durchmischung.

Eppinger plädierte für einen radikalen Wechsel bei der Wohnbauförderung: „Derzeit werden Ziegelsteine und Bauträger gefördert, warum kann man nicht einfach die Menschen fördern, die es brauchen?“ Der Markt solle bauen, die derzeitige Objektförderung auf eine Subjektförderung umgestellt werden, was einfacher und treffsicherer wäre. Chorherr kann dieser Idee nichts abgewinnen. Die Wohnbauförderung sei nötig, damit auch zusätzliche Wohnungen entstehen, die für die wachsende Bevölkerung gebraucht werden. Eine Subjektförderung würde nur die gestiegenen Mieten aufsaugen. Für ärmere Menschen gebe es ja ohnehin Unterstützungen.

Wesentliche Kostentreiber bei der Errichtung von Wohnungen sind derzeit neben diversen gesetzlichen Auflagen wie Barrierefreiheit und Stellplätzen die stark gestiegenen Grundstückpreise. Weil einige private Grundbesitzer auf weiter steigende Preise spekulieren und deshalb Grundstücke zurückhalten, schlägt Chorherr eine „sanfte Enteignung“ vor: „Man sollte Baugebote verhängen. Wird nicht innerhalb einer bestimmten Zeit gebaut, dann verfällt die Widmung.“
Zum „Talk im Hangar-7“ kommen Sie hier: https://www.servus.com/at/p/Talk-im-Hangar-7—Steigende-Mieten%3A-wird-Wohnen-unbezahlbar%3F/AA-1UKWD38152112/