Der „Ehrbare Kaufmann” – Echtes Unternehmertum oder nur Sozialromantik?

Der „Ehrbare Kaufmann” – Echtes Unternehmertum oder nur Sozialromantik?

Last Updated on 2017-09-07

Fotocredit: „Schaeffler“

Dr. Mario Buchinger

Seit der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 ist der Begriff des Ehrbaren Kaufmanns wieder mehr in der öffentlichen Wahrnehmung. Viele Unternehmen formulierten spätestens damals ihren so genannten „Code of Conduct“. Elitäre Wirtschaftshochschulen, wie beispielsweise jene in St. Gallen oder die Cass Business School in London, haben ihr Lehrangebot um Elemente wie „Business Ethics“ ergänzt. Ist also alles in Ordnung und die Wirtschaft als Ganzes auf einem guten Weg?

Das muss man klar verneinen. Auch heute muss man – wie schon vor 2008 – feststellen, dass viele Unternehmen wenig gelernt haben. Die Idee des Ehrbaren Kaufmanns ist nach wie vor für viele eine Utopie. Die innere Haltung vieler Entscheider in Unternehmen ist geprägt durch die Maximierung von Profit, wenn es sein muss auch zu Lasten der Gesellschaft.

Die Idee des Ehrbaren Kaufmanns ist alt

Ausgehend von Italien im 12. Jahrhundert über die Handelsbeziehungen der Hanse in Deutschland reicht der Ehrbare Kaufmann bis herauf zur Gegenwart. Und es gibt sie, die echten ehrbaren Unternehmer, die heute wie auch in der Vergangenheit ihr Unternehmen im Kontext einer ganzheitlichen Verantwortung führen. Es gibt aber auch jene – und das sind leider viele – „schwarze Schafe“, denen Profitmaximierung und Effizienz über alles geht. Manche Branchen sind sogar völliger Selbstzweck ohne gesellschaftlichen Sinn.

Doch was bedeutet es, im Sinne des Ehrbaren Kaufmanns zu handeln?

Eigentlich ist die Antwort darauf nicht sehr schwierig. Es geht um die grundlegenden Muster, die den Menschen vermeintlich intelligent machen. Von der Veranlagung her wären wir eigentlich in der Lage, über das eigene Bedürfnis hinaus zu denken und zu handeln und das eigene Verhalten im Kontext eines großen Ganzen zu bewerten.

Im privaten Umfeld funktioniert das bei vielen Menschen recht gut. Wir haben, wenn auch mit leichten kulturellen Unterschieden, ein grundlegendes Verständnis dafür, was moralisch vertretbar und anständig ist. Viele gesellschaftliche Erwartungen sind gelebte Praxis, ohne dass sie gesetzlich geregelt werden müssen.

Legal ist nicht gleich legitim

Genau dieses grundlegende moralische Verständnis fehlt oft bei wirtschaftlichen Fragestellungen. Viele Entscheider in der Wirtschaft berufen sich lediglich auf den Punkt, ob ein Vorgehen legal ist. Die Frage, ob es auch legitim ist, wird oft nicht gestellt. Oder die beiden Begriffe werden fälschlicherweise gleichgesetzt, um der eigenen Verantwortung zu entgehen. Jede Entscheidung kann nur dann verantwortungsvoll und damit legitim sein, wenn diese auch im Kontext eines gesellschaftlichen und ökologischen Bewusstseins getroffen wird.

Nicht nur Führungskräften, auch Aufsichtsräten kommt hier eine besondere Rolle zu. Aufsichtsräte dürfen ihr Mandat nicht nur auf die Kontrolle der Einhaltung von Gesetzen reduzieren, sondern müssen auch Sparringpartner für die Entscheider sein und eine Unternehmensführung im Sinne des Ehrbaren Kaufmanns einfordern.

Warum versagen so viele Entscheider bei ihrer Verantwortung? Es sind einfache psychologische Muster, die uns beeinflussen. Darunter fallen Geltungsbedürfnis, Machtstreben oder Gier. Das klingt hart, kann aber leicht überprüft werden. Beispielsweise, ist jemand bereit, einen geringeren Gewinn in Kauf zu nehmen, um tatsächlich langfristige Verbesserungen zu erreichen? In welchem Entscheidungszeitraum bewegt man sich, sprintet man von Quartal zu Quartal oder denkt man in Zeitskalen von zehn und mehr Jahren?

Fazit

Der Ehrbare Kaufmann ist keine Sozialromantik, sondern bei echten Unternehmern alltäglich gelebte Praxis. Durch das Bewusstsein von Tradition und Werten ihren Kunden, Mitarbeitern und der Gesellschaft gegenüber – selbst in volatilen Zeiten – werden diese Unternehmen langfristig erfolgreich sein. Die Unternehmen, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen und primär auf Profit und Effizienz schauen, schaffen die besten Voraussetzungen dafür, sich selbst ad absurdum zu führen.

Dr. Mario Buchinger ist (Ökonomie-)Physiker, Musiker und Autor. Der Lean- und Kaizen-Spezialist war zehn Jahre als Angestellter und Führungskraft bei Daimler und Bosch tätig, bevor er 2014 das Unternehmen Buchinger|Kuduz gründete, das auf Strategie-, Prozess- und Klima-Transformation spezialisiert ist. Zu den Kunden zählen neben Industrieunternehmen u.a. auch Banken und öffentliche Behörden.

Website: www.buchingerkuduz.com