„Der Markt ist nützlich, aber nicht heilig“

„Der Markt ist nützlich, aber nicht heilig“

Last Updated on 2018-09-06

Warum Kirche und Wirtschaft einander brauchen, auch Manager gut verdienen dürfen und Microsoft-Gründer Bill Gates als Vorbild dienen kann, erklärt Gregor Henckel Donnersmarck, ehemaliger Abt des Stiftes Heiligenkreuz.

Von 1999 bis 2011 war Gregor Henckel Donnersmarck der Abt des niederösterreichischen Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz. Vor seinem Eintritt in den Orden hatte er Betriebswirtschaft studiert und einige Jahre als Manager in der internationalen Speditionsbranche gearbeitet, was offenbar Spuren hinterlassen hat: „Ich bin kein spiritueller Guru, sondern mit der Welt und der Wirtschaft immer verbunden“, betont der 75-jährige Altabt, der jetzt in Wien lebt. Der Markt ist vernünftig, wichtig und sehr nützlich, aber nicht heilig, ist er überzeugt. Und die Kirche solle nicht immer nur sagen, was wir alles nicht dürfen – das sei unattraktiv – sondern sie solle zum Guten motivieren.

Die soziale Marktwirtschaft hat nach Einschätzung des Geistlichen ihre Wurzeln in der katholischen Soziallehre, die Kirche sei hier ein Vordenker gewesen. Seit langem begleite sie die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen auch mit ihren Sozialenzykliken, beginnend mit „Rerum novarum“ (1891) über „Quadragesimo anno“ (1931) bis zu „Laudato si“ (2015) von Papst Franziskus. Henckel Donnersmarck ist ein großer Anhänger des amtierenden Kirchenoberhauptes, an dem er vor allem auch die einfache, klare und verständliche Sprache schätzt. In seiner Enzyklika „Laudato si“ sei Papst Franziskus auf die Schöpfungsverantwortung eingegangen und er habe diesen Text – strategisch geplant – einige Monate vor der Weltklimakonferenz in Paris Ende 2015 veröffentlicht. „Wenn man diese Konferenz als Erfolg wertet, dann war das letzten Endes auch ein Verdienst des Papstes“, meint Henckel Donnersmarck.

Würde alles, was in den diversen Enzykliken steht, tatsächlich verwirklicht, dann erhielte die Wirtschaft einen enormen Schub. Die Kirche vertrete beides, die Wirtschaftsseite und die soziale Seite. Sie ist aber nicht ein Konzern unter anderen, sondern „Rufer In der Wüste“.

Der Ordensmann ist auch Buchautor und hat unter anderem ein Buch mit Vermögenstipps („Reich werden auf die gute Art“) verfasst. Er ist der Auffassung, dass trotz der Trennung von Staat und Kirche Wirtschaft und Kirche einander brauchen. Die Kirche benötige unternehmerisches Denken, um ihren Besitz zu verwalten und zu vermehren, damit sie den Bedürftigen helfen kann. Und die Wirtschaft brauche den „Spirit“ der sozialen Tugend, um Menschen und Dinge in Bewegung zu bringen und die Welt gut und immer besser zu gestalten. Leider mangle es daran sehr häufig, wie man an den vielen Korruptionsskandalen – auch in Österreich – sehe: „Hier wird nicht nach dem Grundsatz Geld & Demut gehandelt, sondern die Gier macht sich in unverschämter Weise breit“.

Kritik übt Henckel Donnersmarck in diesem Zusammenhang an den Medien. Nach dem Motto „only bad news, are good news“ würden sie auf die diversen Skandale aufspringen – und damit indirekt zum zunehmenden Verlust der Ethik in der Wirtschaft beitragen. Sein Vorschlag: Man sollte öfter über gut geführte Unternehmen und integere Manager schreiben, die ja doch – Gott sei Dank – die große Mehrheit sind.

Er sei kein Gegner von Leistung und Reichtum, betont der Geistliche. Vermögen anzuhäufen dürfe aber nie zum Selbstzweck werden. Materieller Wohlstand sei natürlich keine Sünde.  Wer aber glaube, damit alle Tugenden über Bord werfen zu können, allen voran die Demut, der begehe tatsächlich eine schwere Sünde. Je mehr Geld jemand habe, desto größer sei seine ethische Verantwortung, es nicht nur für sich selbst zu nutzen, sondern damit in der Welt etwas Positives zu bewirken.

Ethik und reiner Kapitalismus stehen für Henckel Donnersmarck in starkem Widerspruch: „Je mehr Kapitalismus, desto weniger Ethik“. Kapitalistischem Handeln liege die absolute Gewinnmaximierung zugrunde, es fehle dabei die soziale Komponente. Früher sei ethisches Handeln in der Wirtschaft die Regel gewesen, heute leider nicht mehr, daher müsse man mehr darüber reden.

Gute Produkte und Dienstleistungen zu einem fairen Preis zu verkaufen und damit Gewinne zu erzielen, sei seitens der Kirche dann willkommen, wenn dabei auch das soziale Gewissen nicht zu kurz kommt. Nach Auffassung des Altabts dürfen auch Manager gut verdienen und leistungsabhängige Boni kassieren, sofern bei den zugrundeliegenden Kriterien mit Augenmaß vorgegangen wird. Dieses Limit gelte vor allem für angestellte Manager, die ja letztlich kein unternehmerisches Risiko tragen.

Wie Microsoft-Gründer Bill Gates mit seinem Reichtum umgeht, hält Henckel Donnersmarck für sehr beachtlich: „Ich bin nicht mit allem einverstanden, was seine Stiftung macht. Aber dass er einen Großteil seines Vermögens und seiner Gewinne sozialen Zwecken widmet, finde ich sehr positiv.“

Henckel Donnersmarck scheut sich nicht, auch zu brisanten Themen Stellung zu nehmen. So hält er die österreichischen Entlohnungssysteme – abgesehen von jenen der Spitzenmanager – für wenig leistungsorientiert: „Da sehe ich Handlungsbedarf.“ Bei allem Verständnis für Mindesteinkommen, Mindestsicherung und arbeitsloses Grundeinkommen – Leistung müsse sich lohnen. Leistungsträger müsse es geben, schon um jene, die es brauchen, versorgen zu können. In diesem Zusammenhang zitiert der Geistliche Papst Johannes Paul II., der meinte, dass sich der Mensch sich in seiner Arbeit verwirklichen solle. Beim heißen Eisen Arbeitszeitflexibilisierung vermisst der Altabt eine ausgewogene Diskussion. Es sollte so viel Flexibilität wie möglich für beiden Seiten geben: „Wenn sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sich entgegenkommend verhalten, dann wird das neue Arbeitszeitmodell funktionieren.“

Mehr zum Stift Heiligenkreuz: https://www.stift-heiligenkreuz.org/

Autorin: Dr. Brigitta Schwarzer

2015.09.25_Altabt Gregor Henckel Donnersmarck_978A4203__Hammerle Fotocredit: Susanne Feischl