Diamanten ohne Glanz – vom Umgang mit Krisenkommunikation

Diamanten ohne Glanz – vom Umgang mit Krisenkommunikation

Last Updated on 2016-11-24

In 0,3 Sekunden erreichen mich auf google.com 384.000.000 (!!) Ergebnisse für das Stichwort „Compliance“. Ein in unserem Alltag angekommener Begriff für die Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen. Ich brauche Ihnen mit Sicherheit nicht mehr darüber erzählen, Sie sind von Ihrem Werteverständnis und dem Code of Conduct in Ihrem Unternehmen mit Sicherheit bestens gebrieft und fit in dem Thema.

Doch, auch wenn Compliance unseren Alltag beherrscht (manchmal haben wir auch das Gefühl, es wird übertrieben und die in der Praxis vielgelebte Einschränkung auf Einladungen in Höhe von etwa 150 Euro sei der Wirtschaft feindlich gesinnt) und wir noch nie so bedacht waren, Richtlinien auf Komma und Punkt zu leben, ganz herumgesprochen hat sich die Brisanz des Themas noch nicht. So bei einem Manager, der ein Armband – Medienberichten zufolge soll der Wert in etwa 4.800 Euro betragen – für seine Frau angenommen hatte. Aufgeflogen ist die Sache, weil der Schenker den Beschenkten anzeigte. Gut – soweit die Fakten, die wir kennen.

Was mich in dieser Sache aber beschäftigte, war die Krisenkommunikation des Unternehmens und die Frage: muss Krisenkommunikation immer offensiv sein? Die Antwort ist klar: Nein. Nicht immer.

Um abschätzen zu können, welche Strategie die richtige ist, braucht es allerdings viel Fingerspitzengefühl und eine gute Kenntnis der Medienbranche. Als Faustregel gilt dabei: Je höher die Chance, dass Ihre Krise ohnehin öffentlich wird, umso mehr Sinn macht es in der Regel, die Kommunikation aktiv in die Hand zu nehmen, um die Deutungshoheit über die Ereignisse nicht zu verlieren. Mit anderen Worten: Besser Sie sprechen selbst über die Angelegenheit, bevor das andere an Ihrer Stelle tun, die viel weiter weg sind von den Ereignissen.

In dem besagten Beispiel war es dringend notwendig, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Abteilung, die den Manager eigens für den Zweck der Aufräumung von Compliance-Missständen erst vor einem Jahr aufgenommen hatte, stand bereits im Fokus der Medien. Etwas Schlimmeres kann einem Unternehmen nicht passieren, als dass ein Manager – pikantes Neben-Detail: er kam von einem Unternehmen, das Compliance weltweit erst ins Augenmerk der Öffentlichkeit brachte und dem Thema eine unerwartete Popularität verschaffte –, der eigens für Zwecke der Durchsetzung von Unternehmenskultur und –werten aufgenommen wird, sich selber etwas zu Schulden kommen lässt. Der Manager nahm den Hut und trat mit sofortiger Wirkung zurück. Seinen Fehler kommunizierte er nicht nur intern bei den Mitarbeiter/innen (schlussendlich doch eine Vorbildwirkung!), er ging auch an die Öffentlichkeit und zu den Medien.

Wenn Sie von einer Krise überrascht werden, dann benötigen Sie als ersten Punkt eine Botschaft. Geeignete Botschaften, wie etwa, dass Sie „mit großem Engagement und höchster Priorität daran arbeiten, die Geschehnisse abzuklären“ oder „so rasch wie möglich einen Überblick erstellen und den Ursachen mit größter Sorgfalt und Genauigkeit nachgehen“ werden. Diese Statements helfen Ihnen in den ersten Stunden, Ruhe für Ihre weitere Krisenstrategie zu finden.

Die Krisenkommunikation eines mobile devices-Herstellers, dessen Telefone auf Flügen ausdrücklich verboten sind, läuft übrigens seit Wochen und Monaten in einer komplett falschen Spur. Ob die Reputation des Unternehmens jemals wiederhergestellt, ob die wirtschaftliche Einbuße hier jemals wieder aufgeholt werden kann?

Ich zweifle daran. Thomas Carlyle sagte bereits: „Der schlimmste aller Fehler ist, sich keines solchen bewusst zu sein“.

Dieser Beitrag wurde am 12. November im XING-Forum „Die tägliche Praxis“ veröffentlicht.
Ulrike Wittmann, MSc, ist selbständige Kommunikations-Beraterin und Gründerin der Kommunikationsagentur “reden-wir.at” in Wien.
Website: www.reden-wir.at