Ein „New Deal“ für Gründerzeithäuser?

Ein „New Deal“ für Gründerzeithäuser?

Last Updated on 2018-04-30

Zahlreiche Häuser aus der Gründerzeit prägen nach wie vor das Stadtbild von Wien und machen es einzigartig. Wegen des geltenden Mietrechts mit seinen Richtwerten ist es den privaten Eigentümern dieser Häuser aber kaum möglich, die Objekte zu erhalten bzw. zu sanieren. Die Folge: viele Wohnungen stehen leer, Häuser verfallen und werden letztlich abgerissen. Der von Mag. Kaspar Erath gegründete Verein zur Revitalisierung & architektonischen Aufwertung der Wiener Gründerzeithäuser lud am 23. April 2018 zu einer Veranstaltung in die Wiener Börsensäle. Dabei wurde den 310 Teilnehmern die Plattform „Stadtbilderhaltung Wien“ präsentiert. Eine Petition dazu haben auch bereits ca. 100 Personen unterschrieben.

Ex-Vizekanzler Dr. Erhard Busek, einer der prominenten Proponenten der Plattform, sprach sich in einer Videobotschaft für einen fairen Interessensausgleich zwischen Vermietern und Mietern aus. Es sei wichtig, das Wiener Stadtbild auch für die kommenden Generationen zu erhalten. Dr. Margret Funk, die „Grande Dame“ der heimischen Immobilienwirtschaft, sieht in Wien noch erhebliches Potenzial bei der Verdichtung von Wohnraum, dazu brauche es aber künftig mehr Freiheit in der Mietzinsgestaltung. Die FPÖ-Kommunalpolitikerin Dr. Ursula Stenzel meinte, durch das Mietrecht seien seit 1945 in Wien mehr Wohnungen zerstört worden als durch die Bomben im Zweiten Weltkrieg.

Rechtsanwalt Dr. Wolfram Proksch stellte die im Jänner 2018 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereichte Beschwerde gegen den Wiener Richtwert vor. Dieser Richtwert, er liegt in der Bundeshauptstadt deutlich unter jenem in Graz, verstoße gegen die Eigentumsfreiheit sowie gegen das Diskriminierungsverbot und behindere außerdem den Umweltschutz, weil entsprechende Investitionen nicht über höhere Mieteinnahmen finanziert werden dürfen.

Bei der anschließenden Diskussion, die von INARA-Geschäftsführerin Dr. Brigitta Schwarzer moderiert wurde, kamen Vertreter der im Parlament bzw. im Wiener Landtag vertreten Parteien zu Wort. Auch wenn es in Detailfragen teils sehr unterschiedliche Standpunkte gab, war man sich doch quer durch das politische Spektrum einig, dass das Mietrecht modernisiert werden muss. Laut Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ ist das auch geplant. Dr. Irmgard Griss, Justizsprecherin der Neos, plädierte für eine ausgewogene Interessensverteilung zwischen Vermietern und Mietern. Weil Wohnen ein Grundbedürfnis ist, dürfe man das Mietrecht nicht allein dem Markt überlassen. Dass es ein Mietrechtsgesetz geben muss, betonte auch Markus Landerer vom Verein Initiative Denkmalschutz: „Auf dem Wohnungsmarkt treffen ungleiche Partner aufeinander, der schwächere Teil braucht einen gewissen Schutz.“

Mag. Alexander Pawkowicz
, Bautensprecher der FPÖ Wien, kündigte an, dass das Verbot des Lagezuschlags noch heuer fallen soll und ein Konvent über eine Reform des Mietrechts geplant sei. Das geltende Mietrecht ist laut Pawkowicz „höchstgradig unsinnig“, weil Gründerzeithäuser mit teilweiser guter bis sehr guter Wohnqualität im Richtwert „gefangen“ sind, während jene, die in einem 60er-Jahre-Plattenbau wohnen, kräftig zur Kasse gebeten werden können. Dr. Wolfgang Ulm, Bautensprecher der ÖVP-Wien, betonte, dass man Sozialpolitik nicht über das Mietrecht machen dürfe. Für sozial Bedürftige müsse es entsprechende Förderungen geben, diese Aufgabe dürfe man aber nicht auf die Eigentümer von Gründerzeithäusern abwälzen. Zur Erhaltung der schönen alten Häuser brauche es vielmehr eine gesunde wirtschaftliche Basis.

Geplant ist derzeit auch eine Novelle zur Wiener Bauordnung. Während Ing. Robert Zöchling von den Grünen, er ist Bezirksvorsteher-Stellvertreter in Währing, hofft, dass diese der Spekulation einen kleinen Riegel vorschieben wird, sind die Vertreter der anderen Parteien hier eher skeptisch. Für eine Aufwertung der Bezirke außerhalb des Gürtels plädierte die Kulturjournalistin Mag. Gabriele Flossmann. Internationale Regisseure auf der Suche nach möglichen Drehorten seien durchwegs von der historischen Bausubstanz begeistert, „aber keiner versteht, dass man schöne Objekte außerhalb der City einfach verfallen lässt“, betonte sie.

Alle Diskutanten waren sich einig, dass Wien mehr leistbare Wohnungen braucht. Während über die Novellierung des Mietrechts noch heftig verhandelt werden dürfte, steht eines offenbar schon fest: Änderungen sollen nur für Neuvermietungen gelten, in bestehende Verträge wird nicht eingriffen. „Denn wer das tut, wird politisch geprügelt,“ so Griss. Allerdings könnte es bei den Eintrittsrechten in alte Mietverträge Verschärfungen geben, der „Mietadel“ also abgeschafft werden.

Autorin: Dr. Christine Domforth

www.stadtbilderhaltung.wien