Fachbeitrag: „Was uns die Chinesen beim Verhandeln voraushaben …“

Fachbeitrag: „Was uns die Chinesen beim Verhandeln voraushaben …“

Last Updated on 2016-10-12

Fotocredit: Michael M. Oeschlmueller

Michael M. Oeschlmüller

Dass Österreicher und Chinesen einander nicht zum Verwechseln ähnlich sehen, wussten wir schon lange vor der Globalisierung. Die beträchtlichen Kulturunterschiede sind seit vielen Generationen allgemeines Gedankengut und durch zahlreiche Studien belegt. Dass es aber auch Ähnlichkeiten bei Sitten, Wertmaßstäben und Umgangsformen gibt, haben österreichische Firmen, die in China Geschäfte machen, aus meiner Sicht bisher nicht ausreichend in ihrem Sinn genutzt. Wie komme ich als Österreicher, der den Großteil des Jahres in Peking lebt und arbeitet, zu dieser Ansicht?

Chinesische Verhandlungspartner gelten als schlau und gerissen, und es wird ihnen nachgesagt, dass sie ihr ausländisches Gegenüber gerne über den Tisch ziehen. Das hat dazu geführt, dass sich schon viele österreichische Unternehmen in China „die Finger verbrannt“ haben und ein Markteintritt China als äußerst riskantes Unterfangen gilt.

Dennoch: Die seit Jahren vorherrschenden, schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwingen unsere Betriebe zunehmend, neue Exportländer zu erschließen und bei deren Auswahl kommt man gerade jetzt an China, dem mit 1,38 Milliarden Menschen bevölkerungsreichsten Land der Welt, das noch dazu auch die größten Wirtschaftszuwachsraten aufweist, nicht vorbei.

Während einige österreichische Firmen bei ihren Chinaaktivitäten äußerst erfolgreich sind, scheitern andere an den immer gleichen Mustern. Sie lassen sich zwar dort beraten, wo es um die Auswahl von Business Opportunities, die Suche nach chinesischen Partnern und Kunden oder um Standortfragen für Investitionen geht. Auch ein Rechtsanwalt und ein Steuerberater mit lokaleinschlägigem Know-how sind gefragt. Diverse Ratgeber, wie man mit Chinesen erfolgreiche Geschäftsbeziehungen aufbaut, sollen die „österreichische Chinamannschaft“ fit für das Vorhaben machen. Die Erfahrungen zeigen, dass diese Vorbereitungsarbeiten zwar wichtig sind, aber bei weitem zu wenig.

Chinesen gelten zu Recht als harte Verhandler und sind deswegen oft erfolgreich, weil ihre Vorgehensweise eine grundlegend andere ist: Sie investieren immer und überall sehr viel Zeit und Ressourcen in ihre strategischen und taktischen Erfolgsüberlegungen und recherchieren und screenen ihre ausländischen Partner im Vorfeld akribisch. So legen sie z.B. im Einzelnen fest, wer die Verhandlungsleiter der einzelnen Verhandlungsrunden sind und wer was und wann sagen darf oder eben nicht. Während es für westliche Unternehmen oftmals undenkbar ist, im Kick-off Meeting das Working Level ins Rennen zu schicken während die Chefs nur zuhören, beobachten und ihre Argumentationskette Schritt für Schritt aufbauen, machen die Chinesen genau das zu ihrer Maxime – sehr erfolgreich übrigens. Die Atouts können dann zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Form ausgespielt werden. Sie zeigen uns auf vielfältige Weise, dass weniger reden oft mehr ist, fordern ihre ausländischen Verhandlungspartner jedoch mit vielen – oft sehr detaillierten – Fragen heraus. Zeigen diese dann in der Beantwortung Schwächen oder legen sich zu früh fest, dann sind sie praktisch schon zu diesem Zeitpunkt aus dem Rennen.

Ohne wechselseitiges Vertrauen geht gar nichts. Das ist ganz wichtig und oberstes Erfolgsprinzip und das müssen sich westliche Manager in der Tat hart erarbeiten. Es muss persönlich und authentisch sein. Allgemeine Höflichkeitsfloskeln kommen gar nicht gut an. Ein Beziehungsaufbau mit allen Facetten braucht Zeit und Geduld. Die Chinesen scheinen beides im Übermaß zu besitzen, eine Fähigkeit, bei der sich westliche Firmenvertreter oft sehr schwer tun. Schnelle Verhandlungserfolge gibt es nicht.

Ein weiterer Punkt: Chinesen spielen niemals mit offenen Karten und können sich jeder Verhandlungssituation zu ihrem Vorteil anpassen, da sind sie unglaublich agil, geschickt und flexibel. Ihre Raffinesse dabei führt oftmals dazu, dass einem Schritt nach vorn in einer Verhandlungsrunde zwei Schritte zurück folgen. Das strapaziert die Nerven von uns Westeuropäern oft bis zum Anschlag und die Verzweiflung der handelnden Personen wird augenscheinlich. Wieder etwas, was die Chinesen sofort zu ihren Gunsten ausnützen. Also ein Probe-Schachmatt.

Ich könnte noch viele weitere Beispiele bringen. Was ich aber an dieser Stelle anmerken möchte: Österreicher gelten im Gegensatz zu den Deutschen als umgänglicher, anpassungsfähiger und beherrschen die Fähigkeit, mit vielen Worten wenig zu sagen. Es hat schon seine Berechtigung, wenn man davon ausgeht, dass die Deutschen gründlicher und die Österreicher dafür gemütlicher sind und in der Lage, Gesprächspartner für sich einzunehmen. Alles Eigenschaften, die die Entwicklungen von Geschäftsbeziehungen mit Chinesen fördern. Wie schon einleitend erwähnt, sind das meiner Erfahrung nach nicht unerhebliche Kulturähnlichkeiten dieser beiden Nationen. Warum die Deutschen in China trotz schlechterer Voraussetzungen um so vieles erfolgreicher sind, ist daher eigentlich nicht erklärbar.

Ich sehe für österreichische Firmen großes Potenzial in China. Meine Empfehlung: Die Chinesen mit ihren eigenen Waffen schlagen. Das, was sie können, können wir Österreicher doch allemal auch. Gehen Sie es locker an und verbeißen Sie sich nicht in einzelnen Vertragspassagen. Ein Vertragsabschluss ist nicht in Stein gemeißelt, er ist eine Momentaufnahme und ein beidseitiger Vertrauensvorschuss, ungeschriebene Regeln für die Zusammenarbeit gemeinsam zu entwickeln. Und wenn sich Umstände ändern, sind auch die Regeln zu ändern. Wer dieses Klavier beherrscht, wird Geschäftserfolg haben. In einer Kooperation mit Chinesen ist es wie in einer Ehe, es ist ein ständiger Prozess und auch eine Ehe hat nur dann Aussicht auf Bestand, wenn beide Seiten ständig an ihren Positionen arbeiten und verhandlungsbereit sind.

Versuchen Sie, die Chinesen nicht mit europäischen, sondern mit deren eigenen Augen zu sehen. Sie werden merken, dass sich das bezahlt macht.

Fortsetzung folgt: Dann erzähle ich Ihnen etwas über die Bedeutung der Körpersprache in Verhandlungen mit Chinesen, über Kontakter und Ghost Negotiators und die Notwendigkeit der Etablierung von Chinese Desks in Beratungsunternehmen, die österreichische Unternehmen nach China begleiten.

Michael M. Oeschlmüller ist Director und Member of the Board der OU-International Ltd., Hong Kong und vermittelt seit vielen Jahren Geschäftsmöglichkeiten für Österreicher in China und vice versa. Mehr zur OU-International Ltd.: www.ou-international.hk