Fachbeitrag „Whistleblowing“

Fachbeitrag „Whistleblowing“

Last Updated on 2018-03-01

Ulrike Wittmann, MSc

Ich habe das getan, um das Richtige zu tun”. Wer kennt ihn nicht, Edward Snowden, der die Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten veröffentlichte. Das FBI erwirkte mit einer Strafanzeige wegen Spionage einen Haftbefehl. Seine unfreiwillige Reise in den Transitbereich Moskaus und über Kontinente ist bekannt. Rudolf Elmer, Ex-Manager der Bank Julius Bär, gilt als Whistleblower der ersten Stunde. Er gab nach seiner (umstrittenen) Entlassung Bankdaten an Steuerbehörden und Wikileaks weiter. Seit 12 Jahren kämpft er gegen die Schweizer Staatsanwaltschaft an, die in Elmer einen Mann, der “in krimineller Absicht Daten stahl, ehemalige Kunden bedrohte und das Schweizer Bankgeheimnis brach, weil er Rache an seinem früheren Arbeitgeber nehmen wollte”, sieht. Vom Banker zum Angeklagten und mittlerweile Aktivisten. Von Medien als Narzisst pathologisiert.

Der Begriff Whistleblowing ist ambivalent behaftet. Von “Vernadern/Verpetzen” bis “ethisch Handeln” waren die ersten Definitionen, die ich bei Nachfrage in meinem Kollegenkreis erhielt. “Bespitzelungsinstrument totalitärer Regime” hatte ich auch zu hören bekommen. Die Meinungen gehen auseinander und das Thema polarisiert.

In Deutschland wird seit 1999 alle zwei Jahre ein internationaler Preis für Whistleblower vergeben. Gestiftet wird der Preis von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und der Deutschen Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA). Für die Vergabe gibt es vier Kriterien: Brisante Enthüllung, selbstlose Motive, Alarm schlagen, Bedrohung der Existenz.

Die VDW definiert wie folgt: “Whistleblower sind Menschen, die in einem Akt der Zivilcourage unlautere Machenschaften von Regierungen, Verwaltungen oder Unternehmen an die Öffentlichkeit bringen, um diese Missstände zu unterbinden.”
Wenn wir J. Near und M. Miceli folgen, die Whistleblowing als “the disclosure by organization members (former or current) of illegal, immoral, or illegitimate practices under the control of their employers, to persons or organizations that may be able to effect action” (Near Regh, Van Cotter & Micelli, 2004) definieren, bestimmen drei Voraussetzungen die Formulierung:

(1) Es handelt sich um eine illegale, unmoralische oder
     nicht-legitime Handlung innerhalb einer Organisation.
(2) Die Handlungen werden von Personen der Organisation
     durchgeführt.
(3) Es wird einer Stelle oder einer Person offengelegt, die
     Maßnahmen setzen kann.

Im Kontext mit prominent gewordenen Konfliktfällen und daraus resultierenden gesetzlichen Regelungen, wie zum Beispiel dem Sarbanes-Oxley Act in den USA (dessen extraterritoriale Auswirkung zu internationalen Diskussionen führte), sind Unternehmen dazu übergegangen, den unkalkulierbaren Risiken mit einem Compliance-Korsett entgegenzuwirken. Die Einbindung der Mitarbeiter/ Führungskräfte zur Aufdeckung illegitimen Verhaltens in dieses Programm ist ein noch verhältnismäßig selten genutztes Instrument. Unternehmen befürchten oft, dass kritische Informationen an die Öffentlichkeit gelangen könnten sowie die Zusammenarbeit im Unternehmen aufgrund von Angst vor gegenseitiger Bespitzelung und Denunziation beschädigt würde. Skepsis findet sich jedoch nicht nur im Management. Auch Mitarbeiter stehen der Offenlegung oftmals sehr zurückhaltend gegenüber.

Ein in der Tat polarisierendes Thema, das eventuell mit dem Zugang der “kritischen Loyalität” dem Unternehmen gegenüber, in der Unternehmenskultur manifestiert und mit dem notwendigen ethischen Maß installiert werden könnte.

Führungskräfte haben höchsten Einfluss auf die Kultur eines Unternehmens, die sich langfristig etablieren soll. Um bei den Mitarbeitern ein in Bezug auf Fehlverhalten kritisches (und somit ein dem Unternehmen gegenüber loyales Verhalten) zu fördern, müssen die vom Verhalten und den Entscheidungen der Unternehmensführung ausgehenden Signale und Anreize konsistent mit dieser Bestrebung sein. Das wichtigste Signal, das von der Unternehmensführung ausgehen muss, ist, dass die erhaltenen Hinweise auf Fehlverhalten ernst genommen werden und das Management entsprechend bereit ist, tatsächliches Fehlverhalten unverzüglich einzustellen. Nur wenn den Organisationsmitgliedern zugesichert wird, sie nicht bei Offenlegen illegaler Verhaltensweisen zu sanktionieren, wird der loyal-kritische Zugang in die Unternehmenskultur einfließen können.

Jede kleine Ehrlichkeit ist besser als eine große Lüge (Leonardo Da Vinci).

Ulrike Wittmann, MSc/Akad. gepr. PR-Beraterin ist selbständige Kommunikationsberaterin und Gründerin der Kommunikationsagentur “reden-wir.at” in Wien.
Website: www.reden-wir.at