Headhunter: „CFOs sind keine guten Selbstvermarkter“

Headhunter: „CFOs sind keine guten Selbstvermarkter“

Last Updated on 2017-05-07

Immer öfter steigen CFOs nach dem Abgang des Konzern-Chefs zum CEO auf. Aktuelle Beispiele sind der neue Bahn-Chef Richard Lutz, der jüngst beförderte Oetker-Finanzchef Albert Christmann und Dieter Weisskopf, der den Schokoladenproduzenten Lindt & Sprüngli seit einigen Monaten führt.

Dass Unternehmen gerne auf Finanzchefs zugreifen, wenn es um die Besetzung der CEO-Position geht, hat laut Jörg Kasten, Managing Partner in der Frankfurter Niederlassung des Personaldienstleisters Boyden, einen guten Grund: „Der CFO als Chef ist für Unternehmen eine solide und sichere Lösung“, sagt er.

Gerade in ihrer unaufgeregten Art sieht Kasten die Finanzchefs im Vorteil: „CEOs sind oft schillernde Persönlichkeiten. Sie stehen sich mit ihrem Ego aber manchmal auch selbst im Weg“, beobachtet der Headhunter, der mehr als 20 Jahre Branchenerfahrung hat. Anders die Finanzchefs: „Selbstüberschätzung wird einem CFO an der Spitze eher nicht passieren.“
Finanzchefs müssen an ihrer Kommunikation arbeiten
Doch auch wenn sich CFOs gut als Unternehmenslenker eignen, das größte Hindernis bei ihrem Aufstieg an die Spitze sind dem Personalberater zufolge oft die Finanzexperten selbst: „In der Regel sind sie keine Genies der Selbstvermarktung“, findet Kasten. Das Problem: Finanzchefs agieren oft im Verborgenen. „Sie verhandeln mit Banken und sichern Kreditlinien. Das fällt außerhalb der Finanzabteilung kaum auf“, beobachtet der Experte.

Damit Finanzchefs als CEO-Option wahrgenommen werden, rät Kasten ihnen, vor allem an ihrer Führung und Kommunikation zu arbeiten. Besonders beim Thema Mitarbeiterführung sieht der Berater noch viel Luft nach oben: „Mitarbeiter aus der Forschung und Entwicklung oder aus dem Vertrieb muss man anders behandeln als Controller oder Buchhalter“, sagt er. Speziell Vertriebler und Marketing-Spezialisten müssen seiner Beobachtung nach deutlich mehr motiviert werden als Finanzmitarbeiter.

Vielen CFOs fliegt diese Fähigkeit jedoch nicht zu. Ähnlich wie CFO-Veteran und FINANCE-Kolumnist Paul Taffe glaubt auch Personalberater Kasten, dass diese Skills für kommunikationsschwache Finanzchefs nur schwer zu erlernen sind. „Etwas böse gesagt: Aus einem Esel wird höchstens ein schneller Esel, aber kein Rennpferd.“ Trotzdem empfiehlt er CFOs, mit Management-Coachings  an ihrer Kommunikation zu arbeiten.
CFOs sollten die Digitalisierung für sich nutzen
Ein weiteres großes Manko von Finanzchefs beim Thema Selbstvermarktung ist, wie sie sich innerhalb des Unternehmens positionieren. „Ein Kardinalfehler ist, dass CFOs oft nur selten engen Kontakt zum Aufsichtsrat haben. Auch bei den Investoren reicht es nicht, nur die Zahlen vorzutragen und danach wieder zu gehen.“ Wenn sich Finanzchefs mit Aufsichtsräten und einflussreichen Gesellschaftern nicht genügend vernetzen, droht ihnen bei einem CEO-Wechsel der Jobverlust: „Oft wird der CFO dann gleich mit entsorgt“, befürchtet Kasten.

Der erfahrene Headhunter rät Finanzchefs dazu, strategische Themen nicht ausschließlich dem CEO zu überlassen, sondern das große Ganze zu sehen. „Dann ist er im Unternehmen ein geschätzter Gesprächspartner und wird nicht als Fachmann abgestempelt.“ Eine gute Gelegenheit, die strategische Sicht unter Beweis zu stellen, ist aus Kastens Sicht das Thema Digitalisierung: „Diesen Trend sollte der CFO antreiben. Das ist eine Kernkompetenz in der Zukunft.“ Die Startvoraussetzungen seien da, meint Kasten: „Zahlen analysieren und Trends ableiten fällt genau in den klassischen CFO-Bereich.“

jakob.eich[at]finance-magazin.de

Quelle / Autor: Jakob Eich, FINANCE