23 Aug „Heißes Eisen“ Denkmalschutz
Last Updated on 2018-08-23
Woran es beim Denkmalschutz in Österreich krankt und warum ein ausgewogenes und faires Mietrecht ein Gebot der Stunde ist, erläutert Markus Landerer. Er ist Vorstand des Vereins Initiative Denkmalschutz.
INARA: Für den Denkmalschutz und die Denkmalpflege in Österreich ist das Bundesdenkmalamt (BDA) zuständig. Was konkret sind dessen Aufgaben?
Markus Landerer: Gemäß Denkmalschutzgesetz (DMSG) hat das BDA für die Kulturgütererhaltung zu sorgen. Das ist ein zwar hehrer, aber nicht erfüllbarer Auftrag. Zum einen hat das BDA dafür zu wenig Personal und zu wenig Budget. Zum anderen sind gerade die Erhaltungspflichten in unserem Gesetz denkbar schlecht geregelt. Demnach sind Denkmäler nur gegen aktive Zerstörung geschützt, nicht gegen das Verfallenlassen (peu à peu), da der den Eigentümern vorgeschriebene geringe Erhaltungsaufwand – z.B. der Austausch einzelner Dachziegel oder das Verschließen offenstehender Fenster – keine Erhaltung ermöglicht. Natürlich kann das BDA mit eigenem Budget Erhaltungsmaßnahmen unterstützen, aber das Geld dazu fehlt an allen Ecken und Enden.
Bei den Gründerzeithäusern springen hier die Bauordnungen der einzelnen Bundesländer ein. Sie schreiben den Eigentümern strengere Erhaltungspflichten vor als das DMSG.
Zurzeit gibt es in Österreich rund 38.000 Bau-, Kunst- und sonstige Objekte, die aufgrund ihrer historischen bzw. kulturellen Bedeutung unter Denkmalschutz stehen. Eigentlich sollten es rund 70.000 sein, aber das BDA schafft lediglich ein jährliches Pensum von maximal 250 Unterschutzstellungen. Daran wird sich auch in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach nichts ändern.
INARA: Wie viele der in Wien befindlichen rund 15.000 Gründerzeithäuser stehen unter Denkmalschutz?
Landerer: Das kann ich nicht genau sagen, vielleicht ein paar hundert, jedenfalls nur jene mit herausragender Bedeutung. Aufgrund der aktuellen vielen Abrisse kommt den DMSG-Kriterien Seltenheitswert und historische Einzigartigkeit nunmehr eine neue Bedeutung zu. Zurzeit wird vom BDA eine Neubewertung vorgenommen.
Mit der Wiener Bauordnung und dem Denkmalschutz ist es leider so eine Sache. Die jüngste Bauordnungsnovelle – die vorsieht, dass nunmehr auch Häuser außerhalb der Schutzzonen geschützt sind – hat zunächst einmal zu zahlreichen Abrissen geführt (Stichwort: „Abrissbirne“), die zuletzt mittendrin gestoppt wurden, was nicht im Sinn des Denkmalschutzes ist. Auch ist das Interesse der Hauseigentümer, ihre Objekte unter Denkmalschutz gestellt zu bekommen, überschaubar. Selbst wenn in dessen Rahmen Erhaltungsmaßnahmen gefördert werden, ist die freie Verfügbarkeit über ein unter Denkmalschutz stehendes Objekt doch eingeschränkt. Man kann es drehen und wenden, wie man möchte: Ein solches Haus ist schwerer verkäuflich.
INARA: Man sagt, dass Schutzzonen quasi eine „Denkmalschutz light“-Funktion haben. Sehen Sie das auch so?
Landerer: Das stimmt, aber diese Kategorisierung bringt doch nichts. Beide Instrumente sind für die Hauseigentümer mit Kosten verbunden. Kosten, die sie aufgrund der Beschränkungen des Mietrechtsgesetzes (MRG) alleine tragen müssen und nicht einmal ansatzweise auf die Mieten aufschlagen dürfen. Andererseits haben gerade diese Häuser z.B. durch eine aufwendige Fassadengestaltung einen deutlich höheren Erhaltungsaufwand. Sehen Sie es so: Der Staat gibt auf der einen Seite vor, in welchem Zustand Objekte für künftige Generationen erhalten werden sollen, greift aber andererseits in die Tasche der Hauseigentümer – nach dem Motto: Die können sich das schon leisten. Diese Haltung verurteile ich scharf. Es geht doch nicht um gemeinnütziges Tätigwerden seitens der Vermieter, sondern darum, dass ein Zinshaus so bewirtschaftet werden kann, dass man nicht dafür bestraft wird, es zu erhalten.
INARA: Sie sind Vorstandsmitglied des Vereins Initiative Denkmalschutz. Bitte stellen Sie diesen den INARA-Lesern vor.
Landerer: Unser Ziel ist das gleiche wie jenes des BDA. Wir setzen uns für den Erhalt und den Schutz gefährdeter Kulturgüter ein und zwar besonders im Rahmen der Denkmal-, Orts- und Stadtbildpflege sowie unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Wenn Sie so wollen: Wir machen die notwendige PR-Arbeit und wir arbeiten dabei nicht im Verborgenen, sondern gehen an die Öffentlichkeit. Unsere Haupttätigkeit ist die Pressearbeit und politische Bewusstseinsbildung. Es ist uns gelungen, in den Medien eine starke Präsenz zu erreichen. Unsere laufenden Veranstaltungen, wie z.B. demnächst eine Führung durch das Schloss Altmannsdorf, sind gut besucht. Alle unsere 550 Mitglieder haben eine große Affinität zum Thema. Der Austausch ist facheinschlägig und rege. Wir sind kein Schicki-Micki-Verein, deswegen haben wir auch einen besonders niedrigen Mitgliedsbeitrag.
Ich selbst hatte schon als Jugendlicher eine Leidenschaft für Burgen und Burgruinen, die für mich ein „Abenteurerspielplatz“ waren. Sie führten mir vor Augen, dass die Vergänglichkeit auch vor solchen Objekten nicht Halt macht. Diese Einsicht hat mich fasziniert und aus dieser Begeisterung heraus ist dann mein Interesse für den allgemeinen Kulturgüterschutz entstanden. Alte Gebäude von historischem und kulturellem Wert vor Zerfall und Zerstörung zu retten wurde zu meiner Leidenschaft und meinem Leitspruch. Dafür brenne ich seit vielen Jahren.
1999 habe ich meine erste Bürgerinitiative gegründet und zwar gegen den Abbruch des Kai-Palasts am Franz-Josefs-Kai in Wien. Auch wenn sie letzten Endes nicht erfolgreich war – das Nachfolgegebäude k47 ist allseits bekannt – habe ich viel gelernt. Dann kam die Bürgerinitiative Sofiensäle, bei der es um die nach einem Großbrand im Jahr 2001 übriggebliebene denkmalgeschützte Ruine ging. Da war ich schon etwas erfolgreicher, vor allem dank der Unterstützung durch den Schauspieler und Politiker Herbert Fux. Parallel habe ich 1999 die Internet-Plattform „Netzwerk Denkmalschutz“ gegründet, den Vorläufer unseres Vereins.
Ich war Initiator der Vereinsgründung im Jahr 2008 und bin stolz darauf, was wir schon alles erreicht haben. So konnten wir 2010 den Döllacher Kohlbarren, die letzte Zinkhütte Europas, vor dem Abbruch retten. Als Beispiel der letzten Zeit möchte ich die seit Ende Juni gültige strengere Bauordnung für Wien anführen, die sicher auch unserer hartnäckigen Arbeit der letzten Jahre zu verdanken ist.
INARA: Sie haben viele Journalistenanfragen. Offenbar machen Sie etwas richtig?
Landerer: Unser „Asset“ ist unsere Kompetenz. Ohne überheblich sein zu wollen, wir kennen uns mit der Materie Denkmalschutz in allen rechtlichen, politischen und gesellschafsrelevanten Belangen gut aus. Wir sind unparteilich und unabhängig, daher niemandem verpflichtet. Das schätzen die Medien.
INARA: Die Begriffe Denkmalschutz, Gründerzeithäuser und Ortsbildpflege erwecken Ehrfurcht und Traditionsbewusstsein. Wie sprechen Sie die Jugend an?
Landerer: Wir haben unter unseren Mitgliedern auch viel Jugend, die unsere Ziele unterstützt. Es liegt in der Natur der Sache, dass unsere Jungen – darunter Architekten, Restauratoren, Historiker – alle beruflich sehr aktiv sind und wenig Zeit haben. Wir arbeiten aber daran, sie noch mehr in unsere Aktivitäten einzubinden als dies zurzeit der Fall ist.
INARA: Kürzlich war von einem Fall zu hören, wonach eine Stiftung ihr Vermögen in Zinshäuser investiert hat und dann vom Finanzamt wegen Liebhaberei bestraft worden ist. Was sagen Sie dazu?
Landerer: Diese Fälle gibt es immer wieder und sie sind mir völlig unverständlich. Da nimmt ein Eigentümer Geld in die Hand, um seine Häuser zu erhalten und aufwendig zu sanieren. Und dann wird er vom Staat bestraft, weil die Objekte über mehrere Jahre keinen Gewinn abwerfen. In anderen Bereichen würden solche Mäzene sehr geschätzt werden, aber offenbar nicht in der Kulturgütererhaltung. Womit wir wieder beim Thema „fairer Interessensausgleich Vermieter – Mieter“ wären.
INARA: Wie erklären Sie dieses Anliegen z.B. der Arbeiterkammer oder der Mietervereinigung?
Landerer: Mein Grundsatz ist immer „leben und leben lassen“. Ich darf die Hand, die mich füttert, nicht ständig beißen und piesacken. Sprich, das Argument, die Zinshausbesitzer sind die „gstopften Reichen“, die nie genug bekommen können, ist nicht zielführend. Wir haben gesehen, dass die Leerstandsrate immer größer wird, weil sich die Vermieter jene Mieter, die in den Stockwerken den Richtwert zahlen (Anmerkung: in Wien EUR 5,58/m2 und Monat) und dann in vielen Fällen auch noch ständig unzufrieden sind, nicht mehr „antun“ wollen. Was wir brauchen, ist ein ausgewogenes faires Mietrechtsgesetz, das auch die Vermieter leben lässt. Das Verhältnis Vermieter – Mieter muss von wirtschaftlichen Gesichtspunkten, aber auch von Gerechtigkeit geprägt sein. Für damit in Zusammenhang stehende soziale Aspekte ist ausschließlich der Staat zuständig.
Wenn sich da nicht rasch etwas tut, dann wird es trotz der jetzt verbesserten Bauordnung mehr Abrisse geben, weil in die Beurteilung der Abbruchreife seitens der Behörde auch die für den Vermieter maßgebliche wirtschaftliche Betrachtungsweise einfließt. Und dies wäre keinesfalls im „öffentlichen Interesse“.
Wichtig wäre es meines Erachtens, dieses Thema auf der Sachebene und abseits aller Politideologien zu diskutieren.
INARA: Last but not least: Ihr Verein ist Mitinitiator der Petition „Stadtbilderhaltung Wien“. Sind Sie mit dem bisherigen Erfolg zufrieden?
Landerer: Ja und nein. Ja, weil auf die geforderten 500 Unterschriften nicht mehr viele fehlen. Nein, weil ich mir gewünscht hätte, mit dem Anliegen als solches eine größere Öffentlichkeitswirksamkeit zu erzielen. Ich bin jedoch überzeugt, dass diese noch entstehen wird, da die weitere Neuregelung der neuen Wiener Bauordnung seit kurzem in der öffentlichen Begutachtungsphase ist.
Jede Wienerin und jeder Wiener kann dazu aktiv beitragen. Bitte geben Sie ihr Statement ab und unterschreiben die Petition. Nähere Informationen erhalten Sie unter www.stadtbilderhaltung.wien.
Mehr zum Verein Initiative Denkmalschutz: www.initiative-denkmalschutz.at
Autorin: Dr. Brigitta Schwarzer