INARA-Doppelinterview mit RA Dr. Martin Prunbauer und Dr. Friedrich Noszek: „Häuser sanieren geht nur mit angemessenen Mieten.“

INARA-Doppelinterview mit RA Dr. Martin Prunbauer und Dr. Friedrich Noszek: „Häuser sanieren geht nur mit angemessenen Mieten.“

Last Updated on 2018-05-03

INARA: Welche Aufgaben hat der Österreichische Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB) und wie viele Mitglieder vertreten Sie?
Dr. Martin Prunbauer: Der Dachverband besteht seit dem Jahr 1946, in allen Bundesländern gibt es Landesverbände. Insgesamt haben wir rund 30.000 Mitglieder, Tendenz steigend. Im Osten sind darunter viele Zinshausbesitzer, im Westen eher Wohnungseigentümer. Wir sind die Interessenvertreter unserer Mitglieder und setzen uns auf allen Ebenen für den Schutz und die Förderung des privaten Eigentums ein. Dazu gibt es Treffen und Veranstaltungen in ganz Österreich. Über gezielte Medienarbeit machen wir auf unsere Themen aufmerksam, die Mitgliederwerbung funktioniert zum größten Teil über Mundpropaganda und im persönlichen Gespräch. Außerdem beraten wir unsere Mitglieder in Rechts- und Steuerangelegenheiten.

INARA: Über das österreichische Mietrecht wird ja seit Jahren diskutiert. Wo sehen Sie dabei die größten Probleme?
Dr. Friedrich Noszek: Die Regelungen sind viel zu kompliziert. Kaum jemand kennt sich aus – weder Eigentümer noch Mieter.
Prunbauer: Wir haben das am meisten regulierte Mietrecht in Europa – das ist für uns das größte Problem.

INARA: Offenbar hat die Politik zumindest im Bereich Wohnen Angst vor dem freien Markt…
Noszek: Ursprünglich war das System der regulierten Mieten und Richtwerte vernünftig. Alle 15 Jahre sollte eine Neuberechnung erfolgen. Aber die Grundwerte werden nun künstlich niedrig gehalten. In Wien ist der Richtwert politisch „frisiert“, in den Bundesländern liegt er viel näher am Markt.
Prunbauer: Ich kann nicht verstehen, warum man in Österreich solche Angst vor dem freien Markt hat. Wenn ich einen Markt so stark reglementiere, kann er nicht funktionieren. Wichtig wäre auch ein sachlicher Zugang, derzeit ist alles was Mietrecht betrifft hoch emotionalisiert.

INARA: Würden die sozial Schwächeren unter die Räder kommen, wenn man das Mietrecht liberalisiert?
Prunbauer: Auf 60 Prozent aller Mietwohnungen hat die öffentliche Hand Einfluss. Damit könnte man alle sozialen Bedürfnisse befriedigen. Aber es kann nicht Aufgabe der privaten Vermieter sein, die Aufgaben der öffentlichen Hand wahrzunehmen. Genau das erwartet aber die Politik von uns, sogar die Wertsicherung der Mieten wurde einmal durch den Gesetzgeber ausgesetzt.

INARA: Wie vermeidet man die Gefahr der Ghettobildung?
Prunbauer: Wir sind für eine gute soziale Durchmischung, das ist ein hohes Gut. Statistiken zeigen, dass 47 Prozent der Mieter im Gemeindebau 180 Prozent des Medianeinkommens verdienen. Die sollten, wenn sie in der Wohnung bleiben wollen, eine angemessene Miete zahlen. Mit den Mehreinnahmen kann man jene fördern, die es notwendig haben.

INARA: Statistiken zeigen, dass die Mieten in den letzten Jahren überproportional gestiegen sind. Was sagen Sie dazu?
Prunbauer: Da werden oft Äpfel mit Birnen verglichen. So waren etwa noch im Jahr 1986 rund 90 Prozent aller Wohnungen nicht Kategorie A, also mit Bad, WC, Heizung und wenn nötig Aufzug. Heute sieht das ganz anders aus, daher hinkt jeder Vergleich.

INARA: Was erwarten Sie von der Politik in der nächsten Zeit in Sachen Mietrecht?
Noszek: Ein komplett neues Mietrechtsgesetz ist nicht zu erwarten. Wohl aber könnte es im Rahmen der bevorstehenden „kleinen Reform“ Änderungen geben, etwa bei den Eintrittsrechten. Weiters ist für die nächsten Monate ein Konvent geplant, um die Eckpunkte der geplanten „großen Reform“ festzulegen.

INARA: Was sollte sich Ihrer Meinung nach bei den Eintrittsrechten konkret ändern?
Noszek: Derzeit ist das Eintrittsrecht für bestehende Mietverträge sehr weit gefasst. Sinnvoll wäre hier eine Verschärfung. So sollte es nur mehr für die engsten Familienangehörigen (inklusive Lebensgefährten) und für die nächste Generation bis zur Volljährigkeit gelten. Schon derzeit muss bereits zum Zeitpunkt des Todes ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden haben und ein dringendes Wohnbedürfnis vorhanden sein. Der Nachweis ist allerdings schwierig! Außerdem sollten Eintrittsberechtigte künftig selbst aktiv werden müssen, wenn sie in den bestehenden Mietvertrag eintreten wollen. Derzeit geht das fast automatisch, aktiv werden muss man nur dann, wenn man nicht in den alten Vertrag eintreten will. Last but not least sollte auch eine Mietzinsanhebung möglich sein.

INARA: Gibt es weitere Punkte, wo Ihrer Meinung nach Handlungsbedarf besteht?
Noszek: Derzeit sind im Mietrecht die Zu- und Abschläge zum Richtwert in Wien eingeschränkt worden. Diese Begrenzungen sollten fallen. Das wäre ein Schritt zur freien Mietzinsbildung und sehr sinnvoll. Bei den Befristungsabschlägen würden wir uns eine Abschaffung wünschen, wenn das nicht kommt, wenigstens eine Reduzierung. Ein Problem sehen wir auch bei den Lagezuschlägen in Wien, vor allem im Licht der letzten Judikatur, die die Begründung eines Lagezuschlags sehr erschwert. Innerhalb des Gürtels gibt es hohe Vergleichsmieten, daher geht der Lagezuschlag noch eher durch.

INARA: Gibt es auch steuerliche Wünsche an den Gesetzgeber?
Noszek: Wir wünschen uns eine Verkürzung des AfA-Zeitraums, der grundsätzlich 67 Jahre beträgt, sowie eine großzügigere Abgrenzung zwischen Instandhaltung und Instandsetzung und wollen diese Punkte mit dem Finanzminister besprechen. Auch Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sollten unserer Meinung nach steuerlich berücksichtigt werden. Generell würden wir uns steuerliche Investitionsanreize wünschen.

INARA: Vor allem in Wien ist derzeit viel vom Weltkulturerbe und von der Erhaltung des Stadtbildes die Rede. Wie stehen die Hausbesitzer, vor allem jene von Gründerzeithäusern, dazu?
Prunbauer: Die Stadtbildpflege ist für Wien enorm wichtig, davon profitieren die Wiener, aber auch viele Touristen kommen deswegen gerne in unsere Stadt. Jeder einzelne Eigentümer ist stolz auf sein Haus. Aber die Eigentümer müssen aus den Mieteinnahmen auch sanieren können. Stehen Häuser unter Denkmalschutz oder gehören zum Weltkulturerbe, wird es wegen der zahlreichen Auflagen aber sehr kompliziert.

INARA: Was wünscht sich der Verband von seinen Mitgliedern?
Noszek: Derzeit gibt es zu wenig Zusammengehörigkeitsgefühl der Eigentümer. Ein Gemeinschaftsgeist unter den Hausbesitzern sowie ein verstärktes gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit wären wünschenswert, ebenso mehr Präsenz in den Medien.
Prunbauer: Der ÖHGB und seine Landesverbände bieten großes Know-How aus der Praxis und sind als Ideengeber für Politik und Verwaltung von großer Bedeutung. Wir wünschen uns, dass diese Stimmung auch verstärkt durch unsere einzelnen Mitglieder weitergetragen wird, damit unsere wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Impulse von der Bevölkerung noch breiter angenommen werden. Unsere Eigentümer sind selbst die wichtigsten „Botschafter des Eigentums“.

INARA: Können Sie die Nachteile des gegenwärtigen Mietrechts und Ihre Wünsche für eine Novellierung kurz zusammenfassen?
Prunbauer: Wenn man den Hauseigentümern keine ausreichenden Mieteinnahmen ermöglicht, können sie die Objekte nicht erhalten und auch nicht in die zunehmend immer wichtiger werdenden Energiesparmaßnahmen investieren. Damit trifft man nicht nur die Vermieter, sondern auch die gesamte Wirtschaft, die ja von Sanierungen profitieren würde.
Noszek: Häuser sanieren geht nur mit angemessenen Mieten. Man sollte uns die Möglichkeit geben, Häuser zu erhalten, zu verbessern, zu sanieren und zu revitalisieren, damit das Stadtbild auch für die kommenden Generationen erhalten bleibt. Das würde auch den Mietern und der Öffentlichkeit zugutekommen.

Autorin: Dr. Brigitta Schwarzer, MBA

RA Dr. Martin Prunbauer ist Präsident des Haus- und Grundbesitzerbundes/ÖHGB (www.oehgb.at)

Dr. Friedrich Noszek ist Präsident des Zentralverbandes der Hausbesitzer Wien (www.oehgb-wien.at) und des Zentralverbandes Haus und Eigentum Wien www.zvhausundeigentum.at sowie ÖHGB-Ehrenpräsident

Prunbauer-3_2 Fotocredit: Michael Buechling

Dr. Martin Prunbauer

Foto Dr. Noszek Fotocredit: Privat

Dr. Friedrich Noszek