26 Jan Interview mit Günther Haberl: Von der Konfrontation zur Kooperation
Last Updated on 2018-01-26
INARA: Bitte stellen Sie sich zunächst kurz vor und schildern Sie uns Ihr Tätigkeitsgebiet!
Günther Haberl: Ich bin seit 1990 als Supervisor und Coach für Teams und Einzelpersonen tätig, schwerpunktmäßig im sozialen Bereich, aber auch in Wirtschaftsunternehmen oder der Öffentlichen Verwaltung. Beim Institut für Supervision und Organisationsentwicklung (ISVOE) bin ich ebenso Mitglied wie bei der Österreichischen Vereinigung für Supervision (ÖVS). Von 2011 bis 2016 hatte ich einen Lehrauftrag für Supervision an der FH Joanneum Graz. Mein spezielles Interesse gilt der Beratung von BetriebsrätInnen bzw. Betriebsratsgremien und Geschäftsführungen, die vor dem Hintergrund neuer Anforderungen und massiver Veränderungen in der Arbeitswelt zu einer neuen Form der Kooperation finden wollen.
INARA: Wie werden Ihrer Einschätzung nach Geschäftsführung einerseits, Betriebsrat andererseits in der öffentlichen Wahrnehmung gesehen und wie sehr färbt dieses Bild auf den Umgang miteinander ab?
Haberl: Die Geschäftsführung hat oft ebenso ein schlechtes Image wie der Betriebsrat. In beiden Fällen handelt es sich um ein tradiertes Zerrbild, das leider sehr oft zu chronischem Misstrauen führt und so die Zusammenarbeit zwischen Unternehmensspitze und Belegschaftsvertretung negativ beeinflusst. Werden die gegenseitigen Vorurteile überwunden, können beide Seiten gleichermaßen von einer gelungenen Kooperation profitieren.
INARA: Dass es Interessensunterschiede zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft gibt, ist aber eine Tatsache, oder?
Haberl: Natürlich, die Interessensgegensätze sind systemimmanent und werden durch das aktuelle Umfeld, das durch Arbeitsverdichtung, Beschleunigung und Ressourcenverknappung gekennzeichnet ist, noch verschärft. Dennoch sollte man darauf nicht allzu viel Zeit und Energie verwenden, sondern vielmehr alles daransetzen, die bestehenden Konflikte und Widersprüche gemeinsam zu bewältigen. Am Erfolg des Unternehmens, seiner Zukunftsfähigkeit, die letztlich auch die Arbeitsplätze sichert, sind schließlich beide Seiten interessiert.
INARA: Wie soll man mit Konflikten und Widersprüchen, die zwischen Unternehmensleitung und Belegschaftsvertretung zwangsläufig auftreten, in der Praxis umgehen?
Haberl: Nötig ist eine belastbare Gesprächsbasis miteinander. Es wird des öfteren zu einem kontroversiellen Diskurs kommen, dieser sollte aber vor dem Hintergrund von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt stattfinden, die Zusammenarbeit von Transparenz und Vertrauen geprägt sein. Empfehlenswert ist eine gute Balance zwischen Diskurs und Konsens, zwischen Konfliktfähigkeit und Kompromissbereitschaft.
INARA: Von vielen Aufsichtsräten werden jene Betriebsräte, die aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen dem Kontrollgremium angehören, als lästig empfunden und spielen – auch weil sie bei manchen Fragen nicht mitstimmen dürfen – eine untergeordnete Rolle. Wie sehen Sie das?
Haberl: Generell sollte der Betriebsrat, der ja das Ohr an der Belegschaft hat, als wichtige Ressource im Unternehmen gesehen werden. Das empfehle ich nicht nur Vorständen und Geschäftsführern, sondern auch den Kapitalvertretern im Aufsichtsrat. Gerade für den Aufsichtsrat kann der Betriebsrat eine wertvolle Informationsquelle abseits der Geschäftsführung darstellen. Daher sollte der Aufsichtsrat hier von sich aus das Gespräch suchen und einen regelmäßige Kontakt – etwa als Jour-fixe zwischen dem Aufsichtsrats-Vorsitzenden und seinem Pendant im Betriebsrat – organisieren. Man sollte einen regelmäßigen Austausch praktizieren und nicht nur im Anlassfall miteinander reden. Ich empfehle eine strukturierte Kooperation und Kommunikation. Dann kann der Betriebsrat auch als Werber für Verständnis zwischen Geschäftsführung und Belegschaft fungieren und bei der Entscheidungsfindung im Unternehmen eine beratende Rolle spielen. In vielen Fällen kann ja der Betriebsrat, sofern er entsprechend qualifiziert ist, die jeweiligen Für und Wider sehr genau beurteilen.
INARA: Welche Empfehlungen haben Sie in diesem Zusammenhang für Aufsichtsräte noch?
Haberl: Vor allem sollte der Umgang wertschätzend sein, der Aufsichtsrat sollte dem Betriebsrat auch vermitteln, dass er für den Erfolg des Unternehmens wichtig ist. (Über eine Honorierung könnte man in diesem Zusammenhang ebenfalls nachdenken, wenn andere Aufsichtsratsmitglieder ebenfalls eine Entschädigung erhalten und auf Transparenz geachtet wird).
INARA: Wie müssen sich Ihrer Einschätzung nach die Betriebsräte aufstellen, damit sie von Geschäftsführung und Aufsichtsrat als gleichberechtigte Partner wahrgenommen werden? Da gibt es ja sicher eine ganze Reihe von Anforderungen.
Haberl: Damit eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich ist, braucht der Betriebsrat natürlich die entsprechende fachliche Qualifikation und den Rückhalt der Gewerkschaft. Nötig sind weiters ein langer Atem, Diversität (im Betriebsrat sollten nicht ausschließlich Männer mittleren Alters sitzen!) soziale Kompetenz und ein gutes Auftreten – allenfalls auch in der Öffentlichkeit. Betriebsräte sind heute gefordert, sich ein modernes Rollenverständnis zuzulegen und sollten sich, wenn das nötig ist, auch coachen lassen. Generell würde ich von einer Professionalisierung der Betriebsrats-Tätigkeit sprechen. Ein Prozess, der zurzeit stattfindet, wenn auch noch weit nicht flächendeckend. Dazu gehört auch, dass der Betriebsrat nicht nur kurzfristig agiert, sondern er ein mehrjähriges Programm mit Arbeitsschwerpunkten hat.
INARA: Welche Qualifikationen brauchen jene Betriebsräte, die neben den Kapitalvertretern im Aufsichtsrat sitzen?
Haberl: Hier sind die Anforderungen – natürlich abhängig vom jeweiligen Unternehmen und der Branche – noch höher. Die Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat sollten fachlich topqualifiziert sein, ein gutes Auftreten sowie Englisch-Kenntnisse haben und vielleicht spezielle Themenschwerpunkte – etwa Finanzen oder Organisationsentwicklung – abdecken.
INARA: Ein brisantes Thema ist immer die Vertraulichkeit. Man sagt Betriebsräten gelegentlich nach, dass sie es damit nicht immer so genau nehmen.
Haberl: Auch der Betriebsrat hat sich loyal zu verhalten und ist zu Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet. Insgesamt empfiehlt sich für Betriebsräte so wie m.E. auch für Führungskräfte eine Haltung gegenüber den Belangen des Unternehmens, die ich „kritisch-loyal“ nenne und die von Mitverantwortlichkeit, offener Aussprache und kritischer Reflexion geprägt ist.
Mehr zu Günther Haberl: www.isvoe.at
Autorin: Dr. Brigitta Schwarzer, MBA