Interview: Social Media können viel mehr als man glaubt

Interview: Social Media können viel mehr als man glaubt

Last Updated on 2017-07-20

Fotocredit: Manfred Baumann

Andrea Schlager hat viele Facetten: Mit ihrem Unternehmen Think Big hat sie sich auf strategisches Marketing spezialisiert und unterstützt ihre Kunden mit aktuellen maßgeschneiderte „Social Media Lösungen“. Das Rüstzeug dafür brachten u.a. ein MBA-Studium in New York und eine siebenjährige Tätigkeit bei Procter & Gamble ebendort. Geschäftspartner bescheinigen ihr vor allem hohe Kompetenz sowie absolute Verlässlichkeit. Hotspot.Kitchen ist Schlagers zweites Standbein: Auf Bestellung arrangiert sie Private Dinings für zwei bis zwölf Personen, die Profiköchin schwingt dabei selbst in der Küche der Gastgeber den Kochlöffel. Mit INARA sprach sie darüber, dass Social Media nicht bloß eine Sache von Marketing oder Vertrieb sind.

INARA: Kaum ein Unternehmen kommt heute ohne Social Media aus. Genutzt werden Facebook, Twitter, YouTube & Co. aber meist im Marketing oder im Vertrieb. Ihrer Meinung nach ist das zu eng gefasst, oder?
Andrea Schlager: Ja, denn diese Instrumente sind in modernen Firmen auch intern von sehr großem Wert, sie können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Produktivität der Arbeit zu steigern. Mittlerweile gibt es dafür auch einen – leider etwas sperrigen – Namen, nämlich „whole enterprise social media“, und wir können in den verschiedensten Bereichen bereits die Auswirkungen von Social Media beobachten.

INARA: Können Sie uns Beispiele dafür nennen, wo Social Media firmenintern mit Erfolg eingesetzt werden?
Schlager: Ein ganz wichtiger Bereich ist meiner Meinung nach die Mitarbeiter-Motivation. Es gibt bereits eine Menge Fachliteratur, die zeigt, wie man durch Social Media die Mitarbeiter „mit an Bord holen“ kann. Durch die Globalisierung wurde es immer schwieriger, die Mitarbeiter mit ins Geschehen einzubeziehen. Die Unternehmen und deren Organisationen sind heute größer und komplexer, der Wettbewerb deutlich härter geworden. In diesem Umfeld werden Social Media nun vermehrt eingesetzt, um mehr Mitarbeiter-Engagement zu erreichen und eine Gemeinschaft von „innovativen Denkern“ zu ermöglichen. Laut Universitätsstudien kann man sogar eine positive Korrelation zwischen der Einbindung der Mitarbeiter und dem Aktienkurs erkennen. 

INARA: Und was können Social Media dazu beitragen, die Kundenbindung zu verbessern?
Schlager: Man sollte den Fokus nicht auf einen „schnellen Verkauf“ legen, das ist kein idealer Weg für eine Kundenbeziehung. Viel besser ist es, eine Bindung auf längere Sicht anzustreben, wie das viele Unternehmen bereits als Teil ihrer Geschäftsstrategie tun. Das Kundenverhalten ist für jede Firma wichtig, vor allem deshalb, weil loyale Kunden das Unternehmen auch in ihren eigenen Netzwerken weiterempfehlen. Allerdings hat sich das Kundenverhalten in den vergangenen Jahren stark verändert. Klassische Werbung ist heute weniger effektiv als früher, Firmen haben es schwerer, ihre „Messages“ zu kontrollieren. Außerdem haben Kunden eine stärkere Präsenz am Markt, zusätzlich hat das Internet die Konkurrenz verschärft, während die Markenbindung schwächer geworden ist. Durch Social Media ist aber eine direkte Kommunikation am Markt und rund um die Marken eines Unternehmens möglich. Damit ist es leichter als früher, sich aktiv um Kundenbindung zu bemühen und hier auch erfolgreiche Aktivitäten zu setzen.

INARA: Können Social Media auch bei der Produktentwicklung eingesetzt werden?
Schlager: Ja, sehr gut sogar. Früher war Marktforschung oft teuer, Umfragen waren zeit- und kostenintensiv. Das geht heute dank Social Media viel einfacher und kostengünstiger. Man kann beispielsweise Online-Umfragen und Online-Konferenzen einsetzen. Wichtig ist es, die potenziellen Kunden zu identifizieren und mit ihnen über ihre Wünsche und Anforderungen zu kommunizieren. Weil man damit die Zeitspanne der Produktentwicklung um einiges verkürzen kann, sinken die Kosten dramatisch. Außerdem können die Produkte durch den intelligenten Einsatz von Social Media exakt auf die Kundenwünsche – selbst auf einzelne Zielgruppen oder Zielmärkte! – zugeschnitten werden, was früher auch mit der teuersten Marktforschung kaum oder gar nicht möglich war. Auch negatives Feedback kann so eliminiert werden.

INARA: In manchen Branchen spielt Supply Chain Management eine wichtige Rolle. Können Social Media auch dabei eingesetzt werden?
Schlager: Auf den ersten Blick spielen diese Tools hier – anders als etwa im Marketing – eher eine untergeordnet Rolle. Wenn man jedoch die Prozesse genauer durchleuchtet, tauchen auch in diesem Bereich immer mehr Anwendungsmöglichkeiten für Social Media auf. Das Sammeln von Daten, der Zugriff darauf und vor allem das Zusammenwirken von Partnern und Lieferketten – das alles wäre ohne Social Media viel komplizierter und würde viel Ressourcen binden. So können beispielsweise Lieferprobleme, die aus politischen, ökonomischen oder ökologischen Gründen entstanden sind, leicht und ohne hohe Kosten gelöst werden. Datenaustausch war noch nie so einfach wie jetzt. Ob Inventurzahlen oder technische Fakten – all diese Daten können die Logistik eines Unternehmens entscheidend verbessern.

INARA: Kann man kurz zusammenfassen, wie Firmen vom Einsatz der Social Media profitieren können?
Schlager: Unternehmen verwenden verschiedene Leistungsmessungen, um ihre Performance zu beurteilen und zu verstehen. Social Media sind heute zu einem wichtigen Begleiter im Unternehmen geworden, um die immer größer werdenden Datenmengen zu verarbeiten und die Organisation zu unterstützen.

INARA: Welche Social Media erachten Sie für den internen Gebrauch im Unternehmen als wichtig?
Schlager: Es hängt vom jeweiligen Unternehmen ab und welche Ziele im Vordergrund stehen, aber es gibt natürlich einige, die zumindest im Moment brandaktuell und von großem Nutzen sind. Hier einige Beispiele: Um im Unternehmen Gruppen für bestimmte Projekte zu bilden, bieten „SharePoint“ und „Jive“ hervorragende Tools für zweckspezifische Zusammenarbeit und Bildung von heute so wichtigem Content. Um Ideen im Unternehmen zu generieren und zu teilen, haben „ThinkTank“ und „IdeaJam“ tolle Möglichkeiten für alle Beteiligten und sind sehr nutzerfreundlich. Die Motivation dabei ist, sich als Angestellter oder freier Mitarbeiter einer bestimmten Herausforderung zu stellen; mit einem Zeitrahmen heißen diese Abläufe „Sprints“. Für Marktforschung arbeite ich schon seit längerem mit „Yammer“, denn hier zeigen sich unmittelbar die Resultate, wobei man mittlerweile sogar zusätzlich Textnachrichten einfügen kann. Noch ein Tool, das sich bei meinen Kunden schon bestens bewährt hat, ist „Connections“ – eine Art Blogging, bei dem die User chronologisch kurze Nachrichten posten können und so ein intensiver Informationsaustausch innerhalb einer Gruppe entstehen kann.

INARA: Wenn man Social Media nicht nur in einzelnen Bereichen nutzen will, wie sollte dann eine Gesamtstrategie aussehen?
Schlager: Beim Start der Social Media Strategie sollten zunächst die Unternehmensziele festgelegt werden. Sobald das geschehen ist, kann die Social Media Taktik bestimmt werden. Dabei muss der Link zwischen den Unternehmenszielen und den organisatorischen Bewertungskriterien ständig präsent sein. Ganz wichtig: Die Social Media Taktik darf immer nur auf den gesammelten Social Media Daten beruhen! Anschließend misst man diese Aktivitäten, um so die Beziehung zwischen Daten und Taktik besser zu verstehen. Wenn dieses Verständnis einmal da ist, entsteht daraus immer mehr Vertrauen in Social Media, deren Einfluss und deren Benefits – sowohl intern als auch extern. Dann werden Social Media automatisch und entscheidend zum Erfolg eines Unternehmens beitragen.

Autorin: Brigitta Schwarzer

Mehr zu Andrea Schlager: www.thinkbig.co.at; www.hotspot.kitchen