Kartellgesetznovelle im Nationalrat beschlossen

Kartellgesetznovelle im Nationalrat beschlossen

Last Updated on 2017-04-19

Binder Größwang, Newsletter early bird “Kartellrecht” vom 7.04.2017

Vermutung eines Schadens: Von nun an wird die Verursachung eines Schadens durch ein Kartell vermutet. Damit wird die traditionelle Beweislastverteilung zwischen Kläger und Beklagten umgedreht. Der bis dato nach der österreichischen Rechtslage durchaus schwierige Nachweis eines Kartellschadens (meist mangels entsprechender Unterlagen auf Klägerseite) wird somit deutlich erleichtert. Allerdings muss das Gericht jeweils noch über die Höhe des Schadens befinden und wird dafür (wie bisher) im Regelfall ein ökonomisches Gutachten in Auftrag geben. Eine weitere prozessuale Besonderheit ist die künftig geltende Pflicht der Parteien und auch Dritter (!), einschließlich Behörden (wie z.B. der Wettbewerbsbehörden), etwaige Unterlagen, die für den Beweis des Kartellschadens herangezogen werden können, offenzulegen. Auch dies ist durchaus als eine fundamentale Änderung der österreichischen Rechtslage zu bezeichnen und kann als Annäherung an die anglo-amerikanische „Discovery“ angesehen werden.

Der Gesetzgeber hat hier ein relativ komplexes Verfahren im Rahmen des Schadenersatzprozesses vorgesehen, mit dem das Offenlegungsbegehren durchgesetzt werden kann. Dabei besteht auch die Möglichkeit, die diesbezügliche Entscheidung des Gerichts anzufechten. Gleichzeitig sind Unternehmen gehalten, etwaige Unterlagen, die als Beweismittel in dem betreffenden Zivilprozess Verwendung finden könnten, bei sonstiger Ordnungsstrafe nicht zu zerstören oder sonst unzugänglich zu machen.

Als Gegengewicht sieht das Gesetz nun aber auch die Möglichkeit vor, die sogenannte Passing-On Defence geltend zu machen. Diese bezeichnet den Einwand des Beklagten, dass der Kartellschaden durch den Kläger an seine Abnehmer weitergegeben wurde. Um eine Überkompensation bzw. mehrfache Zahlungen zu vermeiden, kann der Beklagte diesen Abnehmern den Streit verkünden und sie somit an dem Schadenersatzverfahren beteiligen.

Auch abseits des Schadenersatzrechts wurden anlässlich der Kartellgesetznovelle Neuregelungen getroffenen. Hervorzuheben ist hier insbesondere eine neue Anmeldeschwelle für Zusammenschlüsse. Diese ist hauptsächlich für Internetunternehmen gedacht. Die Übernahmen solcher sollen unter gewissen Umständen auch dann vom Zusammenschlussrecht erfasst werden, wenn sie zwar noch kaum Umsatz machen, jedoch schon einen entsprechenden Vermögenswert repräsentieren (z.B. aufgrund der gespeicherten Daten oder ihres Werbewertes) und daher die Gegenleistung für den Erwerb eine gewisse Höhe erreicht.

Nach den Übergangsbestimmungen treten die schadenersatzrechtlichen Vorschriften der Novelle rückwirkend mit 27. Dezember 2016 (Umsetzungsdatum der EU-Schadenersatzrichtlinie) in Kraft, während ein weiterer Teil am Tag nach der Kundmachung und ein anderer Teil  mit 1. Mai 2017 anzuwenden ist. Einige wenige Bestimmungen werden auch erst im November 2017 bzw. im Jänner 2018 wirksam.

Insgesamt bestätigt sich daher wieder einmal, dass das Kartellrecht nach wie vor stark in Bewegung ist und die Rechtslage nicht gerade einfacher wird.

Autor: Dr. Raoul Hoffer, Partner bei BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH (Kontakt: hoffer@bindergroesswang.at)

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