Kolumne „Das deutsche Valley“: Nur Mut!

Kolumne „Das deutsche Valley“: Nur Mut!

Last Updated on 2017-05-09

Ulrich Schäfer, Süddeutsche Zeitung 25. April 2017

Ulrich Schäfer, gebürtiger Westfale, schreibt seit Juli 2003 für die Süddeutsche Zeitung, zunächst drei Jahre im Parlamentsbüro in Berlin, seit her in München. Gemeinsam mit Marc Beise leitet er die SZ-Wirtschaftsredaktion. Außerdem moderieren und organisieren die beiden zusammen den SZ-Wirtschaftsgipfel, Deutschlands großen Wirtschaftskongress (www.sz-wirtschaftsgipfel.de). Schäfer ist Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher, darunter “Der Crash des Kapitalismus” (2008) und “Deutschland digital – Unsere Antwort auf das Silicon Valley” (2016). Er beschäftigt sich als Wirtschaftsjournalist vor allem mit Globalisierung und Digitalisierung, Wirtschaftspolitik und Finanzmärkten. Schäfer hat Volkswirtschaftslehre und Journalismus in Münster und Washington D.C. studiert und – parallel zu Schule und Studium – zehn Jahr für die Münstersche Zeitung gearbeitet. Danach besuchte er die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg und arbeitete anschließend sieben Jahre für den Spiegel, zunächst in der Wirtschaftsredaktion, später dann im Parlamentsbüro in Bonn und Berlin. Bei der SZ ist er seit 2007 als Ressortleiter tätig: früher und auch heute in der Wirtschaft, zwischendurch drei Jahre im Regional- und Bayernteil.

Als Henry Ford und seine Mitarbeiter im Jahr 1913 das Fließband einführten, glaubten viele Menschen in Europa: Dort – und nur dort! – liegt die Zukunft: in Detroit. Unternehmer und Ingenieure aus Europa pilgerten in Scharen in die Stadt im US-Bundesstaat Michigan und staunten über diese schier unglaubliche Technologie, die alles verändert.

Mehr als hundert Jahre später reisen wieder deutsche Unternehmer, Manager und Ingenieure in Scharen in die USA, diesmal ins Silicon Valley, weil sie glauben, dort – und nur dort! – die Zukunft zu finden. Sie sind beeindruckt vom irren Tempo und dem ständigen Gerede über “the next big thing”, das angeblich gerade entwickelt wird. Aber wenn die Valley-Touristen dann zurück nach Deutschland kommen, machen viele einen großen Fehler.

Sie verbreiten Angst und Schrecken bei ihren Mitarbeitern. Sie sagen: Die da drüben hängen uns ab; die wissen, wie es geht – und wir müssen deshalb alles ändern. Die Valley-Gläubigen beschwören den drohenden Absturz der deutschen Wirtschaft, das Abgleiten ins Mittelmaß, den Verlust ganz vieler Jobs. Das Problem ist nur: So wird der Wandel nicht gelingen.

Wer versucht, seine Mitarbeiter mit Furcht zu überzeugen, der wird sie verlieren. Wer seinem Team ständig erklärt, auf welch verlorenem Posten man steht, wird die Transformation nicht schaffen. Wer als Unternehmer oder Manager die eigenen Fähigkeiten schlechtredet und die anderen maßlos überhöht, der hat nicht verstanden, welcher Führungsprinzipien es in einer sich so schnell verändernden Welt bedarf. Und dazu zählt: eine möglichst positive Vision zu entwickeln und dadurch die eigenen Mitarbeitern zu motivieren.

Denn auf die Mitarbeiter kommt es heute, trotz all der schlauen Algorithmen, mehr denn je an. Die wichtigste Ressource im digitalen Zeitalter sind nicht Software und Roboter, sondern Menschen, die die neuen Produkte und Dienstleistungen entwickeln oder sie schon klug einsetzen.

Nicht besser als die Valley-Touristen sind Berater, Digitalexperten und Verbände, die in mehr oder minder validen Studien unentwegt nachweisen: Deutschland hat die Digitalisierung verpennt. Deutschland fällt zurück. Die Lust am Untergang: Sie ist hierzulande in einem Ausmaß verbreitet, welches die notwendige Veränderung in den Unternehmen nicht fördert – sondern sie bremst.

Quelle: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsches-valley-nur-mut-1.3477817