Legal Tech aus Wien: Quellenrecherche neu gedacht

Legal Tech aus Wien: Quellenrecherche neu gedacht

Last Updated on 2017-07-20

Fotocredit: LeReTo/Paul Bauer

Seit dem ‚Soft Opening‘ im Frühjahr 2016 hat das Tool bereits mehrere Preise gewonnen: Ende Juni den ersten internationalen Legal Tech Innovationspreis in Deutschland. Das Potenzial des Tools hat auch das österreichische Bundeskanzleramt früh erkannt und fördert das innovative Start-Up bei der Markteinführung: Ein Besuch durch die Staatssekretärin für Digitalisierung, Muna Duzdar, erfolgte gemeinsam mit einer Delegation der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) Anfang Juli.

Im Interview mit Anwalt Aktuell erzählen die Gründer Veronika Haberler und Peter Melicharek die Geschichte des Start-Ups und wie Legal Tech den juristischen Arbeitsalltag zum Positiven verändern wird.

Das LEGAL RESEARCH TOOL erledigt aufwändige Recherche-Arbeiten vollautomatisch und bis zu zehn Mal schneller: Juristische Quellen in digitalen Schriftstücken werden vollautomatisch erkannt und im RIS abgefragt. Der Online-Viewer assistiert bei der Analyse von Urteilen oder Rechtsmitteln, das Memo enthält alle zitierten Quellen und das vollverlinkte LeReTo-PDF vervollständigt den elektronischen Akt.

Was genau ist LeReTo?
Veronika Haberler: LeReTo steht für Legal ResearchTool und ist ein Onlineservice für die vollautomatische Quellenrecherche in juristischen Schriftstücken. Das Tool erkennt und liefert zitierte Quellen, wie Judikate, Rechtssätze und Gesetze, und fragt diese automatisch im RIS ab. Wir haben LeReTo speziell für den Workflow von streitverfangenen Causen entwickelt. Von den Qualitäten kann man sich bei einem unverbindlichen und kostenfreien Testzugang auf www.lereto.at selbst überzeugen.

Peter Melicharek: LeReTo spielt Anwälte für die eigentliche juristische Kernarbeit frei, indem es ihnen optimal zuarbeitet. Langweilige und redundante Tätigkeiten werden von unserer Software-AI erledigt, das spart Zeit und Kosten. Quellenrecherchen, um Belegstellen in Urteilen oder gegnerischen Schriftsätzen zu überprüfen, sind oft unbeliebte Junior-Arbeit. Mit LeReTo können binnen Sekunden alle Zitate komfortabel im Vorschaufenster überprüft werden. Gerade Rechtsmittel lassen sich so deutlich schneller verfassen, bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung.

Wer ist das Team hinter LeReTo?
Peter Melicharek: Gegründet wurde die Gesellschaft 2014 von Veronika Haberler und mir. Veronika, unsere CEO, ist promovierte Soziologin und beschäftigt sich seit langem mit der Auswertung komplexer Daten – auch im Bereich der juristischen Organisations- und Innovationsforschung. Für ihren Master of Legal Studies hat sie das Entstehungsverhalten am OGH empirisch untersucht.

Ich selbst bin Rechtsanwalt mit einer starken Spezialisierung im streitigen Stiftungs- und Gesellschaftsrecht. Nebenbei begann ich vor einiger Zeit, in verschiedene Technologie-Firmen zu investieren bzw. mich selbst unternehmerisch einzubringen.

Veronika Haberler: Peters bald 20-jährige Erfahrungen in der Anwaltschaft waren bei der Entwicklung von LeReTo ausgesprochen nützlich. Unser Programmierer-Team konnte so von Beginn an 100% user-zentriertes Design umsetzen. Uns war wichtig, ein wirklich intuitives Arbeitstool zu entwickeln, welches höchsten Sicherheitsansprüchen genügt und das man nicht erst in langen Schulungen erlernen muss.

Zu unserem erweiterten Team zählen aber auch unsere User: Seit der frühen Entwicklungsphase haben uns Richter, Wissenschaftler und führende Kanzleien – wie etwa DORDA – mit wertvollem Feedback versorgt. Besonders intensiv flossen Vorschläge der Rechtsmittel-Gerichte in die Entwicklung ein. Gerade diese Mischung aus verschiedenen Disziplinen und fachlichen Zugängen macht LeReTo zu dem hilfreichen Arbeitstool, welches es heute ist.

Welche Unterstützung bieten Sie Anwälten bei ihrer täglichen Arbeit?
Veronika Haberler: Das Tool assistiert bei der Analyse im Online-Viewer, liefert die Quellen als Word-Memo oder verlinkt den elektronischen Akt mit allen RIS-Quellen. So können auch eigene Schriftsätze vollverlinkt bei Gericht eingebracht werden, da das LeReTo-PDF ERV-tauglich ist.

Peter Melicharek: Stellen Sie sich vor, ein gegnerisches Rechtsmittel flattert via ERV herein. Darin sind so viele Quellen wie Rechtssätze, Judikate und Literaturverweise enthalten, dass sie einem wissenschaftlichen Aufsatz zur Ehre gereichen würden. All diese Quellen müssen kritisch geprüft werden. Das Überprüfen ist für die juristische Erwiderung essentiell, aber allein das Identifizieren und die RIS-Abfrage nimmt unnötig viel Zeit in Anspruch. Für etwa 20 Quellen benötigt man leicht 40 Minuten. Zeit, die man besser verwenden könnte! Und auch Mandanten zahlen lieber für eine Stunde der inhaltlichen Analyse, als für eine Stunde eigentlich unproduktiver Quellenabfrage.

Welche Einsparungspotenziale ergeben sich aus der Nutzung des Tools?
Veronika Haberler: Alles, was jemand anderer tun kann, sollte auch jemand anderer tun – so lautet ein bekanntes Zeitmanagement-Credo. Noch besser ist es jedoch, wenn dieser Andere eine 24/7-verfügbare Software-Lösung wie LeReTo ist. Unser Tool erledigt lästige, aber wichtige Arbeit für Juristen. Je nach Spezialisierung spart man über das Jahr eine Arbeitswoche ein, bei Gericht – etwa in Rechtsmittelsenaten – liegt das Einsparungspotenzial noch deutlich darüber.

Ihre Software wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Für welche besonderen Qualitäten?
Veronika Haberler: Dass wir nur zwei Monate nach unserem Markteintritt bereits eine Auszeichnung beim renommierten Constantinus Award und zuletzt beim diesjährigen eAward holen konnten, macht uns als Start-Up natürlich besonders stolz. Wir konnten uns neben großartigen Projekten wie der Initiative des BMJ „Justiz 3.0“, behaupten. Die Jurys überzeugte vor allem die einfach zu bedienende Oberfläche, das klare und visuell ansprechende Design sowie das enorme zeitliche Einsparungspotenzial.

Peter Melicharek: Die Jurys sehen LeReTo auch als Trendbotschafter der Vernetzung und Kooperation! Mandanten wollen sich immer intensiver in den Lösungsfindungsprozess einbringen. Wir können als Anwälte dafür Sorge tragen, dass auch die richtigen Quellenangebote von unseren Klienten angesteuert werden. Das LeReTo-PDF ist insofern auch ein Service am Mandanten und macht anwaltliche Fachkompetenz sichtbar.

Wohin geht die Reise? Was planen Sie als nächstes?
Veronika Haberler: In Kürze werden die Literatur von VERLAG ÖSTERREICH direkt über LeReTo verlinkt und auch Abstracts in der Autovorschau verfügbar gemacht. Damit erfüllen wir einen großen Wunsch unserer User. Zusätzlich werden wir weitere disruptive Legal-Tech-Lösungen rund um LeReTo entwickeln. Einige der neuen Features bewähren sich bereits in internen Testläufen und werden bald vorgestellt.

Peter Melicharek: Legal Tech ist gerade ein extrem boomender Markt, genau wie FinTech vor einigen Jahren. Digitale Lösungen werden den juristischen Arbeitsalltag schon in der sehr nahen Zukunft massiv verändern. Damit die österreichische Rechtsanwaltschaft auch international konkurrenzfähig bleibt und nicht den Anschluss verliert, müssen wir auf Innovation aus Österreich setzen. LeReTo leistet hier Pionierarbeit.

Dieses Interview wurde im Magazin Anwalt Aktuell 03/17 vom 30. Juni 2017 veröffentlicht.

Mehr zum Legal Research Tool LeReTo: www.lereto.at