MPLaw Newsletter Capital Markets/Finance, Issue 3|2017 vom 15.05.2017

MPLaw Newsletter Capital Markets/Finance, Issue 3|2017 vom 15.05.2017

Last Updated on 2017-05-23

Gesetzgeber verhindert Wachstumsbörse

Erste Eindrücke vom neuen BörseG – „echtes“ Delisting aus dem Amtlichen Handel bald möglich

MPLaw/Mag. Gernot Wilfling

Im März wurde ein Ministerialentwurf für ein neues Börsegesetz 2018 („BörseG-E“) veröffentlicht. Anlass ist bekanntlich die Verpflichtung des österreichischen Gesetzgebers, die MiFID II in nationales Recht umzusetzen. Der größere Teil dieses „monströsen“ EU-Rechtsaktes wird zwar im neuen Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 enthalten sein, das BörseG wird aber auch durchaus umfassende Änderungen erleben. Etwa werden künftig alle Handelsplätze (geregelte Märkte, multilaterale Handelssysteme (MTF) und organisierte Handelssysteme) primär im BörseG geregelt sein. Dem neuen KMU-Wachstumsmarkt als besonderem MTF wird ein eigener Unterabschnitt gewidmet (§ 82 BörseG-E; siehe dazu auch den Beitrag „Gesetzgeber verhindert Wachstumsbörse“ in diesem Newsletter). Die Regelungen zur neuen Kategorie der sogenannten Datenbereitstellungsdienste, also genehmigte Veröffentlichungssysteme, konsolidierte Datenträger und genehmigte Meldemechanismen, findet man in den §§ 83 ff BörseG-E. Zahlreiche weitere Detailänderungen sind primär für die Wiener Börse als einzigen österreichischen Marktbetreiber relevant.

Geregelter Freiverkehr bald Geschichte

Der BörseG-E enthält auch über die MiFID II-Umsetzung hinaus interessante Neuerungen. Der Geregelte Freiverkehr soll nach dem BörseG-E komplett entfallen. Dort notierte Unternehmen haben innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des neuen Börsegesetzes die Möglichkeit, ihre Finanzinstrumente zurückzuziehen. Andernfalls werden diese bei Erfüllen der Zulassungsvoraussetzungen in den Amtlichen Handel umgereiht. Bei Nicht-Erfüllen der Zulassungsvoraussetzungen droht das ex-lege Erlöschen der Zulassung.

Delisting aus dem Amtlichen Handel

In § 38 BörseG-E, der mit „Zulassungsverfahren zum amtlichen Handel“ tituliert ist, will der Gesetzgeber die lang ersehnte Delisting-Bestimmung für den Amtlichen Handel aufnehmen (siehe Abs 6-8). Künftig ist ein „echtes“ Delisting aus dem Amtlichen Handel möglich. Ein „unechtes/kaltes“ Delisting durch Strukturmaßnahmen (Verschmelzung, Umwandlung etc.) bleibt zwar zulässig, der BörseG-E sieht hier aber künftig Sonderbestimmungen vor. Ein paar Details betreffend das Zurückziehen von Aktien aus dem Amtlichen Handel:

Zuständig für das Stellen eines Delisting-Antrags ist der Vorstand (Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich). Ein solcher darf nur gestellt werden, wenn entweder die Hauptversammlung einen entsprechenden Beschluss gefasst hat oder Aktionäre, die über die Mehrheit des stimmberechtigten Grundkapitals verfügen, dies mit notarieller Erklärung verlangt haben.

Es muss innerhalb der letzten sechs Monate vor Antragstellung ein Übernahmeangebot an die Aktionäre gelegt worden sein, für welches – neben den Vorgaben für Pflichtangebote – eine besondere Preisbildungsregel gilt: Der Angebotspreis muss mindestens dem durchschnittlichen, nach den jeweiligen Handelsvolumina gewichteten Aktienkurs während der letzten fünf Börsetage vor dem Tag der Veröffentlichung des Angebots entsprechen. Liegt der so berechnete Preis „offensichtlich unter dem tatsächlichen Wert des Unternehmens“, ist der Preis jedoch abweichend davon „angemessen“ festzulegen.

Ein echtes Delisting ist zudem nur zulässig, wenn die amtliche Notierung des Finanzinstruments zumindest drei Jahre gedauert hat. Bei kürzerer Notierung bleibt also weiterhin nur der Weg über das unechte/kalte Delisting. Durch Änderungen des Aktiengesetzes und des Spaltungsgesetzes wird künftig aber auch für diese Art des Delistings zwingend ein Übernahmeangebot vorgeschrieben sein.

Wird einem Delisting-Antrag stattgegeben, hat die Wiener Börse den Widerruf der Zulassung unverzüglich im Internet zu veröffentlichen und den Zeitpunkt festzulegen, zu dem der Widerruf wirksam wird (nicht weniger als drei und nicht mehr als zwölf Monate ab Veröffentlichung). Weitere Details zum Widerrufsverfahren sind in § 43 BörseG-E geregelt.

Nationale Vorgaben zur Insiderprävention

Seit Juli 2016 gibt es mit der EU-Marktmissbrauchsverordnung (MAR) einen gemeinsamen Rechtsrahmen für Marktmissbrauch sowie für Maßnahmen zur Verhinderung von Marktmissbrauch. Die umsetzungsbedürftigen Teile der MAR und der sie begleitenden Rechtsakte wurden zunächst in den §§ 48a ff BörseG implementiert und werden nun im Wesentlichen unverändert in die §§ 151 bis 175 BörseG 2018 übernommen. Dazu wird ein eigenes 3. Hauptstück „Marktmissbrauch“ vorgesehen.

In § 119 Abs 4 BörseG-E findet man § 82 Abs 5 BörseG betreffend Maßnahmen zur Hintanhaltung von Insidermissbrauch wieder und in § 119 Abs 5 jene Verordnungsermächtigung, auf welche die FMA die Emittenten-Compliance-Verordnung stützt (derzeit § 82 Abs 6 BörseG). Dies ist zum einen systematisch unpassend (weil im Hauptstück „Transparenzvorschriften und sonstige Pflichten der Emittenten“ platziert). Zum anderen sind § 82 Abs 5 BörseG und die ECV wegen der mit der MAR beabsichtigten Vollharmonisierung unionsrechtswidrig und sollten nicht in das neue BörseG übernommen werden.

Kumulationsprinzip wird beseitigt

Zwar nicht im BörseG-E, aber in einer gleichzeitig angedachten Änderung des FMABG findet man einen Versuch, das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Kumulationsprinzip für den Bereich des Finanzmarktaufsichtsrechts zu beseitigen. § 22 Abs 8 FMABG soll künftig lauten: „Hat ein Verantwortlicher gemäß § 9 VStG mehrere Verwaltungsübertretungen gemäß einem oder mehreren der in § 2 genannten Bundesgesetze begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so ist eine einzige Verwaltungsstrafe zu verhängen. Diese Verwaltungsstrafe ist jeweils nach der Strafdrohung zu bestimmen, die die höchste Strafe androht.“

Resümee

Insgesamt wirkt das BörseG 2018 schon vor seinem Inkrafttreten als „Stückwerk“ aus nicht/kaum abgestimmt aneinander gereihten nationalen Relikten und unionsrechtlichen Vorgaben. Welch schwierige Auslegungsfragen damit verbunden sein werden, wird sich im Detail erst bei der praktischen Anwendung zeigen.

Gesetzgeber verhindert Wachstumsbörse
MPLaw/Mag. Gernot Wilfling

Nach Business Angel, Crowd-Investoren und Venture Capital wäre der Gang an die Börse für wachsende Unternehmen der nächste logische Schritt. Er dient nicht nur der Zufuhr von frischem Eigenkapital, sondern bietet auch Frühphaseninvestoren eine Ausstiegschance. Der europäische Gesetzgeber arbeitet daher bereits an einem verbesserten Rechtsrahmen für Wachstumsbörsen. In Österreich wünscht sich vor allem das BMWFW eine KMU-Börse. Dabei steht gerade unsere nationale Rechtsordnung dieser massiv im Weg.

Mit „KMU-Wachstumsbörse“ ist meist eine neue Kategorie eines multilateralen Handelssystems (MTF) gemeint, die Marktbetreiber wie die Wiener Börse ab Anfang 2018 betreiben könnten (siehe § 82 des Entwurfs für ein Börsegesetz 2018). Unternehmen, deren Wertpapiere an einem solchen, „KMU-Wachstumsmarkt“ genannten Handelsplatz zugelassen sind, unterliegen geringeren regulatorischen Anforderungen. Sie müssen etwa keine Insiderlisten führen und die Anforderungen an ihre Kapitalmarktprospekte werden in Kürze erleichtert.

Die Wiener Börse betreibt derzeit ihren Dritten Markt als MTF. Börsegänge erlebte dieser jedoch dank einer missglückten Gesetzesänderung seit Jahren nicht. Mit dem Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2011 hat der österreichische Gesetzgeber vor einigen Jahren für MTF-Aktiengesellschaften zwingend Namensaktien vorgeschrieben. Gleichzeitig hat er sich darauf verlassen, dass die am Aktienhandel in Österreich beteiligten Marktteilnehmer (insbesondere die Depotbanken) freiwillig auf eigene Kosten die für einen funktionierenden Börsenhandel von Namensaktien notwendige Infrastruktur schaffen. Das ist bis heute nicht passiert und es ist Unternehmen daher derzeit de facto unmöglich, Aktien neu in den Dritten Markt oder ein allenfalls neu geschaffenes österreichisches MTF einzubeziehen. Solange der Gesetzgeber dieses Missgeschick nicht repariert, wird wohl niemand in Österreich einen KMU-Wachstumsmarkt betreiben.

Teamleitung
Mag. Gernot Wilfling
T +43 1 535 8008, E g.wilfling@mplaw.at
Müller Partner Rechtsanwälte GmbH
Rockhgasse 6, 1010 Wien
www.mplaw.at