Neues Börsensegment Scale geht in Frankfurt an den Start

Neues Börsensegment Scale geht in Frankfurt an den Start

Last Updated on 2017-03-03

Norman Wasse/McDermott Will & Emery

Der Startschuss ist gefallen. Am 1. März 2017 wurde an der Deutschen Börse ein neues Segment mit dem Namen „Scale“ eingeführt. Dieses löst den Entry Standard ab, der seit 2005 existierte, zuletzt aber zusehends in Verruf geraten war. Immer wieder gab es Probleme, beispielsweise im Bereich der Mittelstandsanleihen durch Ausfälle von bis zu 20 Prozent, wie etwa beim deutschen Holzpellet-Produzenten German Pellets. Als Auslöser für derartige Probleme wurden immer wieder die geringen Transparenzanforderungen angeführt. Das neue Segment soll nun das Vertrauen der Investoren in den Freiverkehr wieder stärken. Doch was genau hat sich nun im Vergleich zum Entry Standard geändert?

Regulierter Markt vs. Freiverkehr

Grundsätzlich zu unterscheiden sind der Regulierten Markt und der Freiverkehr. Der Regulierte Markt besteht an der Frankfurter Wertpapierbörse aus den Segmenten General und Prime Standard. Er ist umfassend gesetzlich reglementiert. Anforderungen an die Zulassung, Folgepflichten für Emittenten und die Handelsabläufe des Regulierten Markts sind beispielsweise im Börsengesetz geregelt. Um im Regulierten Markt zugelassen zu werden, müssen die betreffenden Unternehmen strenge Anforderungen erfüllen, etwa die Erstellung eines Zulassungsprospekts und eine Mindestanzahl zu emittierender Aktien. Dies verhält sich beim Freiverkehr, dem nicht regulierten Markt, anders. Dieser Markt wird privatrechtlich durch die Deutsche Börse selbst reguliert. Die dort gelisteten Unternehmen sind folglich nicht börsennotiert im Sinne des Aktiengesetzes. Daher gelten im Freiverkehr erleichterte Anforderungen für Zulassung und Notierung. Beispielsweise müssen kein Prospekt und keine Risikoanalysen zum ausgegebenen Wertpapier erstellt werden. Die geringeren Anforderungen im Freiverkehr sollen kleineren und mittelständischen Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern.

Sowohl der ehemalige Entry Standard als auch das neue Scale Segment unterfallen dem Freiverkehr.

Scale ersetzt Entry Standard

Aufgrund der geschilderten Probleme mit Emittenten im Entry Standard hat ihn die Deutsche Börse zum 1. März 2017 durch das Segment Scale ersetzt.

Dieses soll es kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ermöglichen, Investoren für Wachstumsfinanzierung zu finden. Jedoch soll nicht jedes Unternehmen, welches bisher im Entry Standard gelistet war, auch in das Segment aufgenommen werden. Um weiterem Ungemach vorzubeugen, gelten im neuen Segment strengere Einbeziehungsvoraussetzungen als im vorherigen Entry Standard. Beim Entry Standard genügten ein formaler Antrag sowie ein knappes Exposé.

Dahingegen gibt es im Scale Segment fünf neue Zulassungsvoraussetzungen, von denen mindestens drei erfüllt sein müssen: ein Jahresmindestumsatz von 10 Millionen Euro, mindestens 20 Mitarbeiter, ein positiver Jahresüberschuss, ein positives Eigenkapital sowie eine Mindestsumme von 5 Millionen Euro an Eigenkapital.

Strengere Folgepflichten

Neu sind auch die insgesamt höheren Folgepflichten und Transparenzanforderungen nach der Zulassung. So ist die Zusammenarbeit mit einem Deutsche Börse Capital Market Partner – wie Banken, Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Investor Relations Beratern – obligatorisch.

Diese werden von der Deutschen Börse nach speziellen Kriterien ausgewählt. Beispielsweise müssen diese Partner gewisse Referenzen vorweisen, eine mehrjährige Berufserfahrung nachweisen und eine Mindestanzahl von Mandanten betreut haben. Aktuell sind 34 solcher Capital Market Partner, z.B. die Baader Bank, equinet Bank und quirin bank, zugelassen. Diese Partner sollen die Emittenten dabei unterstützen, die erforderliche Dokumentation zu erstellen und eine Due Diligence Prüfung durchzuführen. Nach der Zulassung sollen die Partner die Unternehmen dabei unterstützen, die Transparenzanforderungen einzuhalten. Zudem trifft die Unternehmen nach ihrem Listing eine regelmäßige Berichterstattungspflicht in Form von Jahres- und Halbjahresberichten. Auch gelten für die im neuen Börsensegment notierten Unternehmen die seit Juli 2016 durch die Marktmissbrauchsverordnung eingeführten Pflichten wie die Veröffentlichung von Ad hoc-Mitteilungen, die Führung von Insiderlisten und die Veröffentlichung von Directors‘ Dealings. Diese Pflichten galten bereits seit Juli 2016 auch im Entry Standard und stellten viele Emittenten vor eine große Herausforderung.

Analysepflicht und Kostensteigerung

Des Weiteren wird die Deutsche Börse künftig bestimmte Analysehäuser beauftragen, für die gelisteten Unternehmen verpflichtende Analysen zu erstellen. Dies soll zu einer höheren Transparenz als im Entry Standard führen. Die Kosten für diese Analysen werden von der Deutschen Börse getragen. Durch diese Kostentragung sollen Interessenkonflikte vermieden und zusätzliches Vertrauen bei Investoren geschaffen werden. Die Analysen werden zum Börsengang des Unternehmens in Form eines initialen Research-Berichts erstellt und sollen im Anschluss daran regelmäßig analysiert werden. Den betroffenen Unternehmen steht es allerdings frei, auf eigene Kosten zusätzliche Analysen in Auftrag zu geben. Zwar trägt die Deutsche Börse die Analysekosten, jedoch ist davon auszugehen, dass durch die Neuregelungen die Notierungskosten im Vergleich zum Entry Standard deutlich ansteigen werden. Aktuellen Schätzungen zufolge ist mit einem Kostenanstieg von 50.000 bis 100.000 € zu rechnen.

Optimistischer Start

Zum Handelsbeginn am 1. März 2017 sind 43 Unternehmen mit 37 Aktien und

9 Anleihen in das neue Segment gewechselt. Darunter befinden sich etwa Beta Systems Software, Corestate Capital Holding und Scherzer. Weitere werden in den nächsten Tagen folgen. Unternehmen, die bisher zum Handel im Entry Standard einbezogen wurden, können bis zum 24. März 2017 unter erleichterten Voraussetzungen eine Einbeziehung in das neue Segment beantragen. Die übrigen Unternehmen sollen in Zukunft im Freiverkehr gehandelt werden und werden von der Deutschen Börse in ein sogenanntes „Basic Board“ überführt. In Zukunft soll der Open Market bei der Deutschen Börse Frankfurt die drei nachfolgenden Segmente umfassen:

• das Scale-Segment,

• das Basic Board und

• das Quotation Board.

Scale ist Teil des Basic-Boards als Eingangssegment für Aktien und Anleihen, wenn die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. In das Basic Board fallen die Wertpapiere von Unternehmen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Somit dient es gewissermaßen als Auffangsegment. Das Quotation Board umfasst den restlichen Teil des Freiverkehrs.

Aussicht

Die schärferen Vorgaben im neuen Segment sind grundsätzlich zu begrüßen.

Die Hoffnung der Deutschen Börse ist, das Vertrauen in das neue Segment zu stärken und hohe Ausfallquoten zukünftig vermeiden zu können.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob die neuen Regeln dies leisten können.

Insbesondere müssen nur drei der fünf Zulassungsvoraussetzungen erfüllt werden, die formal überwindbar erscheinen und im Übrigen auch nicht zwingend auf die Seriosität oder den Erfolg eines Emittenten schließen lassen. Ein Patentrezept zur Verbesserung der Liquidität, die im Entry Standard mehrfach bemängelt wurde, scheint die Deutsche Börse auch für das neue Segment Scale nicht parat zu haben. Mit Spannung ist ferner zu verfolgen, wie Aktionäre von Unternehmen, die die Voraussetzungen nicht erfüllen, auf das zwangsweise Downgrading in den noch weniger geregelten Freiverkehr reagieren; scheint doch damit unter Berücksichtigung der Frosta-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der stufenweise Rückzug von der Börse nun zumindest für einige Unternehmen möglich.

Dieser Beitrag wurde kürzlich in der XING-Gruppe Börse & Recht veröffentlicht.