Quotengesetz 2018 – Viel Lärm um nichts?

Quotengesetz 2018 – Viel Lärm um nichts?

Last Updated on 2017-09-07

Dr. Brigitta Schwarzer, MBA

Am 28. Juni 2017 hat der Nationalrat mehrheitlich das Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat („GFMA-G“ oder „Quotengesetz“) beschlossen. Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend soll in börsenotierten Unternehmen sowie in Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten ab 2018 schrittweise ein 30 Prozent-Frauenanteil in den Aufsichtsratsgremien erreicht werden. Konkret bedeutet das, dass bei Neu- und Wiederwahlen sowie Entsendungen von Aufsichtsratsmitgliedern in die betroffenen Unternehmen solange Frauen der Vorrang gegeben werden muss, bis diese Quotenvorgabe erfüllt ist. Wird dagegen verstoßen, so gilt ein männlicher Kandidat als nicht gewählt. Salopp gesagt: „der Stuhl bleibt leer“. [Aus verfassungsrechtlichen Gleichheitsgründen sind Männer durch das neue Gesetz gleichermaßen geschützt, anders ausgedrückt: es gilt die 30 %-Quote auch für Männer. Da in der Praxis nicht relevant, wird darauf im Folgenden nicht weiter eingegangen.]

Harter Tobak für die Männerwelt? Paradiesische Zeiten für die Frauen? Mitnichten.

Österreich wäre nicht Österreich, wenn nicht auch das GFMA-G eine „typische Kompromisslösung“ wäre, die es allen direkt oder indirekt Beteiligten recht machen möchte. Wie in vielen anderen Fällen auch ist dabei eine ziemlich „hatscherte“ Regelung herausgekommen.

Was ist geschehen?

In Deutschland ist das Gesetz für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen bereits im Jahr 2016 in Kraft getreten. Große börsenotierte Unternehmen, nämlich solche, in denen die Arbeitnehmer voll mitbestimmungsberechtigt sind (Hälfteparität), müssen demnach bei Neubesetzungen im Aufsichtsrat einen Frauenanteil von 30 Prozent erreichen. Betroffen sind davon etwas mehr als 100 Aktiengesellschaften.

Ungeachtet dessen, dass Deutschland in allem zehnmal so groß wie Österreich ist, wollte unser Gesetzgeber zunächst päpstlicher sein als der Papst. Hierzulande gilt die Frauenquote grundsätzlich nicht nur für alle börsenotierten Gesellschaften, sondern auch für jene nicht-börsenotierten, die mehr als 1.000 Mitarbeiter beschäftigen.

Damit das nicht zu hart hinüberkommt, besänftigt der österreichische Gesetzgeber jedoch sofort durch die Formulierung von zwei Öffnungsklauseln.

Betroffene Unternehmen mit

  • weniger als sechs Kapitalvertretern im Aufsichtsrat oder
  • einem Gesamtfrauenanteil (Anteil der Frauen an der Zahl aller Beschäftigten eines Unternehmens) von weniger als zwanzig Prozent

sind von der Quotenregelung ausgenommen.

Besonders die zweite Ausnahme scheint lediglich aus Sicht der Belegschaftsvertretung im Aufsichtsrat nachvollziehbar.

[Das Gesetz lässt zu, dass die 30 Prozent-Quote von den Kapital- und den Belegschaftsvertretern gemeinsam erfüllt wird. Beiden Gruppen steht jedoch die Option offen, sich für eine gesonderte Quotenregelung auszusprechen. Letztere ist in Deutschland mittlerweile gängige Praxis.]

Dem Vernehmen nach sollen in Österreich rund 200 Gesellschaften unter das neue Gesetz fallen.

Von wem und auf welcher Basis diese Schätzung vorgenommen wurde, ist nicht bekannt.

Die Autorin dieses Beitrags hat versucht, diese Zahl auf Plausibilität zu überprüfen. Das ist ihr nicht gelungen. Warum?

Bei den 39 zurzeit an der Wiener Börse gelisteten Prime Market Unternehmen haben zwar fast alle Gesellschaften einen Aufsichtsrat mit zumindest sechs Kapitalvertretern; bei einigen von ihnen – die genaue Zahl lässt sich anhand der veröffentlichten Materialien nicht feststellen – liegt der Gesamtfrauenanteil jedoch unter 20 Prozent. In klassischen Industrieunternehmen, wovon es im Prime Market eine Reihe gibt, ist das keine Seltenheit.

Was die in den anderen Börsesegmenten Mid Market, Standard Market Auction und Standard Market Continuous gelisteten 25 relevanten Unternehmen anbelangt, so fallen weit mehr als die Hälfte aufgrund der Kleinheit des Aufsichtsrats aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes.

Es gibt bereits jetzt eine Reihe von börsenotierten Unternehmen, welche die vorgegebene Quote freiwillig oder verpflichtend (Bundesunternehmen, die der seit 2011 für sie geltenden Quotenregelung des Bundes unterliegen – bis 2018 zu erreichender 35 %-Frauenanteil bei den Kapitalvertretern im Aufsichtsrat) erfüllen.

Fazit: Es ist davon auszugehen, dass in weniger als der Hälfte der börsenotierten Unternehmen Geschlechter-Handlungsbedarf im Aufsichtsrat besteht.

Schauen wir uns die nicht-börsenotierten Gesellschaften etwas näher an. Unter den Top-500 Unternehmen Österreichs fallen rund 250 (exkl. der börsenotierten Gesellschaften) Unternehmen auf den ersten Blick unter die Quotenregelung.

Auf den zweiten Blick schaut es aber schon ganz anders aus. Folgende Gruppen von Unternehmen reduzieren den Anwendungsbereich des Quotengesetzes beträchtlich:

  • Gesellschaften mit weniger als sechs Kapitalvertretern im Aufsichtsrat (s. oben);
  • Gesellschaften mit weniger als 20 Prozent Gesamtfrauenanteil (s. oben);
  • Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern; da nur die in Österreich tätigen Mitarbeiter in die Zählung aufgenommen werden, fallen viele der internationalen Gesellschaften mit einer Tochtergesellschaft in Österreich aus dem Regelungsbereich des GFMA-G;
  • Bundesunternehmen (s. oben);
  • Unternehmen, die die Frauenquote bereits freiwillig erfüllen.

Es darf geraten – besser gerechnet – werden, wie viele Betriebe da noch übrig bleiben. Ein Viertel? Mehr oder weniger?

Ergebnis der „Milchmädchenrechnung“: Mehr als hundert österreichische Unternehmen werden es nicht sein, die etwas in Richtung Geschlechter-Diversität im Aufsichtsrat tun müssen, eher deutlich weniger. Und das erst über die kommenden Jahre verteilt, eben immer dann, wenn Aufsichtsratswahlen auf der Agenda einer Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung stehen.

Martin Ohneberg, Präsident der Vorarlberger Industriellenvereinigung, hat kürzlich öffentlich erklärt, dass 16 Vorarlberger Firmen auf den ersten Anschein vom Quotengesetz betroffen sind. Unter Berücksichtigung aller anzuwendenden Kriterien scheiden 15 davon aber wieder aus. Ob das in den anderen Bundesländern wohl viel anders ist?

Ohne irgendjemandem irgendetwas unterstellen zu wollen, drängt sich die Frage auf: Warum hat der Gesetzgeber nicht im Vorfeld genauer recherchiert, wie viele Unternehmen mit dem GFMA-G adressiert werden? Möglicherweise war es die Eile am Ende der Legislaturperiode, die ihn so handeln ließ.

So ist es gelungen, viele kopfscheu zu machen: Die Männer sind verunsichert und bei den Frauen wurden Erwartungen geweckt, die sich nicht erfüllen werden. Es liegt jetzt am Österreichischen Corporate Governance Kodex, dem Gesetzgeber aus der Patsche zu helfen und eine Quotenregelung für jene Unternehmen, die nicht unter das Quotengesetz fallen, als Comply-or-Explain Regel zu statuieren und den Appell, dass auch nicht-börsenotierte Unternehmen ihre geschlechterspezifischen Diversitätsbemühungen auf freiwilliger Basis anwenden, zu verstärken.

Dabei liegt es auch an den nicht von der gesetzlichen Quotenregelung erfassten Aktiengesellschaften, die für alle von ihnen geltende Bestimmung zu beachten, wonach bei Wahlen in den Aufsichtsrat Aspekte der Diversität angemessen zu berücksichtigen sind. Hier könnte das Quotengesetz einen Maßstab gesetzt haben.