Scheitern an der Strategie? 5 Fragen des Aufsichtsrats

Scheitern an der Strategie? 5 Fragen des Aufsichtsrats

Last Updated on 2017-03-29

procon, Mag. Andreas Sattlberger, MBA

Nur mit einer effektiven Strategie kann ein Unternehmen Erfolg haben. Leider sind in der Praxis zwei riskante Defizite zu beobachten. Erstens, viele Strategien sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Zweitens, weniger als ein Drittel der Strategien werden wirksam umgesetzt.

Schwache Strategien unterminieren die Zukunft des Unternehmens. Dieses Problem wird natürlich gerne hinter Hochglanzbroschüren und aufwändigen Strategiekonferenzen verdeckt. Bei den Strategieansätzen wird oft darauf vergessen, dass auch das Schaffen der Voraussetzungen – Mitarbeiter, Entwicklung, Organisation, etc. –  und der Umsetzungsplan zur Strategie gehören. Spätestens nach den ersten Perioden jedoch zeigen sich die Defizite der Strategieansätze und führen zum Versagen des Unternehmens.

Selbst bei guten Strategien fehlt es häufig an der Berücksichtigung der Umsetzungsrealität. Daher platzen viele dieser an sich effektiven Strategien in der Implementierung. Diese beiden Risiken erhöhen die Wahrscheinlichkeit für das Scheitern an der Strategie. Denn auch für die Umsetzung ist ein konkretes Vorgehen – das Strategy Deployment – unabdingbar.

Rolle des Aufsichtsrats in der Strategie
Wie kann der Aufsichtsrat die Qualität einer Strategie wirksam hinterfragen?  Welche Symptome signalisieren, dass hier ein strategisches Risiko im Hintergrund lauert?

Folgende typische Schwachstellen in der Strategie sind Anzeichen für eine Gefährdung:

1) Vermeiden der Konfrontation mit der harten Realität

Strategien werden oft Jahr für Jahr fortgeschrieben mit ein paar Prozentpunkten an Steigerung dort und einigen Initiativen da. Zu häufig fehlt ein grundlegendes Verständnis, welche existenziellen Herausforderungen das Unternehmen bewältigen muss, um zu überleben; wie Digitalisierung, neuer Wettbewerb, sinkende Effizienz, Disruption, neue Produkte, neue Märkte…etc. 

Ohne klares Verständnis der entscheidenden Aufgabe gibt es aber keine Strategie. Und damit auch keine Möglichkeit, den Erfolg von Maßnahmen zu bewerten, um rechtzeitig gegenzusteuern.

Die Frage für den Aufsichtsrat lautet hier: „Welches sind die größten existenziellen Herausforderungen, denen unser Unternehmen gegenübersteht und haben wir diese in allen Konsequenzen verstanden?“

2) Schöne Worte als Ersatz für eine Wettbewerbs-Strategie

Hochtrabende Worte über Vision, Mission und Werte sollen eine gründliche Analyse und Erarbeitung der Strategie ersetzen. Die von Beratungen angebotenen bequemen Vorlagen für Vision, Mission, etc. werden brav ausgefüllt und „Voilà!“ eine Strategie ist geboren – nicht wirklich!

Weil wohlklingende Bekenntnisse und Vorsätze reichen nicht, solange kein konkretes Verständnis über die Strategie und deren Anforderungen erarbeitet wurde. Insbesondere muss die Strategie entsprechende Wettbewerbsvorteile schaffen und diese in den Märkten wirksam nutzen.

Der Aufsichtsrat muss fragen: „Was genau bedeuten die strategischen Entscheidungen für die Umsetzung unserer Wettbewerbsvorteile im Markt, für die Organisation und für die Eigentümer? Wo gibt es noch keinen Wettbewerb – Stichwort „Blue Ocean“? Welche neuen Märkte können wir auf Grund unserer Kompetenzen entwickeln?“

3) Fehlende Bereitschaft, harte Entscheidungen zu treffen

Zu viele und falsche Ziele torpedieren eine Strategie. Alle Interessen zu bedienen hat noch niemand erfolgreich geschafft. Es müssen Entscheidungen getroffen werden, denn eine wirksame Strategie muss auch festlegen, wozu man „Nein“ sagen muss.

Die Ziele müssen vorgegebene Einschränkungen berücksichtigen und können nicht einfach aus der Luft gegriffen werden. Weiters dürfen Ziele nicht widersprüchlich sein, das aber passiert, wenn gut klingende Ziele – für jeden etwas – zusammengewürfelt werden.  

Die Frage des Aufsichtsrats heißt: „Unter Berücksichtigung unserer strategischen Position, welche Ziele sind zwar herausfordernd, aber dennoch realistisch und in sich kompatibel?“

4) Verwechslung von Zielen mit Strategie

Herausfordernde Ziele zeigen den Ehrgeiz an, aber oft es fehlt das „Wie?“ Ohne  konkretes Vorgehen, wie die Unternehmung die Zielen erreichen will, bleibt es bei guten Absichten. Diese führen bekanntlich geradewegs in die Hölle. Daher reicht eine Auflistung von Zielen nicht als Ersatz für eine wohlüberlegte und wirksame Strategieumsetzung.

Auf Basis eines grundlegenden Verständnisses der strategischen Position zeigt die strategische Richtlinie den Weg zum Erfolg. Dieser Pfad muss die verfügbaren Ressourcen und Probleme berücksichtigen, um durch eine Reihe von zusammenhängenden und wirksamen Maßnahmen in die Praxis umgesetzt zu werden. Ebenso braucht man für die Bereitstellung und Entwicklung der Ressourcen (Mitarbeiter, Kompetenzen, etc.) eine Strategie. 

Daher lautet die Frage für den Aufsichtsrat: „Auf welche Weise, durch den Einsatz welcher Maßnahmen, in welcher Abfolge wird die strategische Richtlinie in der Praxis umgesetzt?“

5) Annahmen – nicht wissen, was man nicht weiß

Der größte Schaden entsteht häufig durch das, was man nicht weiß, aber zu wissen glaubte. Falsche Annahmen sind besonders kritisch wenn sie – wie in der Strategie – die Zukunft betreffen. Bei bekannten Pleitefällen wie Kodak, Nokia oder Praktiker wurde bis zuletzt gehofft.

Durch eine methodische Überprüfung der wichtigsten Voraussetzungen und Annahmen der Strategie können blinde Flecken und fromme Hoffnungen rechtzeitig aufgedeckt und durch Fakten ersetzt werden.

Der Aufsichtsrat fragt: „Können die kritischen Annahmen, auf denen die Strategie beruht, durch die bekannten und die zu erhaltenen Fakten bestätigt oder widerlegt werden?“

Die 5 kritischen Fragen des Aufsichtsrats zur Wirksamkeit der Strategie zusammengefasst:

  • Herausforderung: „Welches sind die größten existenziellen Herausforderungen, denen unser Unternehmen gegenübersteht und haben wir diese in allen Konsequenzen verstanden?“
  • Wettbewerbsvorteil: „Was genau bedeuten die strategischen Entscheidungen für die Umsetzung unserer Wettbewerbsvorteile im Markt, für die Organisation und für die Eigentümer? Wo gibt es noch keinen Wettbewerb – Stichwort „Blue Ocean“? Welche neuen Märkte können wir auf Grund unserer Kompetenzen entwickeln?“
  • Konsistenz: „Unter Berücksichtigung unserer strategischen Position, welche Ziele sind zwar herausfordernd, aber dennoch realistisch und in sich kompatibel?“
  • Durchführbarkeit: „Auf welche Weise, durch den Einsatz welcher Maßnahmen, in welcher Abfolge wird die strategische Richtlinie in der Praxis umgesetzt?“
  • Realitätstest: „Können die kritischen Annahmen, auf denen die Strategie beruht, durch die erhaltenen Fakten bestätigt oder widerlegt werden?“

Diese Fragen berücksichtigen keine inhaltlichen Strategieentscheidungen, wie die jeweiligen Kernkompetenzen, Geschäftsfelder, Positionierung, etc. Genau diese strategischen Entscheidungsdimensionen müssen durch das Prisma einer übergeordneten Strategie betrachtet und geordnet werden.

Erst danach kann, statt von einem Sammelsurium von Interessen, Ideen, Zielen, Aktionen und Wünschen, tatsächlich von einer Strategie gesprochen werden.

Autor:

Mag. Andreas Sattlberger, MBA ist Director der procon Unternehmensberatung GmbH, Wien. Die procon Strategie lautet „Mehr Ertrag durch wirksame Prozesse.“

Sie erreichen ihn per E-Mail sattlberger@procon.at und auf www.procon-group.com

Fotocredit: procon