Stiftungen – Vorsorge für die Geschäftsunfähigkeit

Stiftungen – Vorsorge für die Geschäftsunfähigkeit

Last Updated on 2017-12-20

MMag. Dr. Nikola Leitner-Bommer / Dr. Theresa Hittmair, LL.M., Stiftungsplattform nextgen

1          Stifterrechte und Verlust der Geschäftsfähigkeit

Verliert der Stifter seine Geschäftsfähigkeit (sei es aufgrund fortschreitenden Alters, wegen eines Unfalls oder einer Krankheit), so kann dies abhängig davon, welche Rechte sich der Stifter eingeräumt hat, unterschiedliche Auswirkungen auf eine Stiftung haben. Meist räumt sich der Stifter weitgehende Gestaltungsrechte ein; klassischerweise das Recht zum Widerruf der Stiftung und zur Änderung der Stiftungserklärung sowie weitere Rechte in Zusammenhang mit der Bestellung oder Abberufung von Stiftungsorganen. Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Stifters führt allerdings nicht zum automatischen Erlöschen der Gestaltungsrechte des Stifters [vgl Ofner, Widerruf einer Privatstiftung durch den Sachwalter des Stifters, NZ 2001, 270 ff; Arnold, Ausübung der Gestaltungsrechte eines Stifters durch seinen Sachwalter, GeS 2003, 479 ff; OGH 11. 9. 2003, 6 Ob 106/03m].

2          Ausüben der Stiftungsrechte durch den Sachwalter

Bei Verlust der Geschäftsfähigkeit wird dem Stifter ein Sachwalter bestellt; oft ist dies ein „fremder“ Rechtsanwalt. Eine Sachwalterbestellung hätte im Wesentlichen folgende grundlegenden Konsequenzen:

  • Mündelsichere Veranlagung des Vermögens im Inland
  • Notwendigkeit einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung für Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören (z.B. Verkauf beweglicher Sachen im Wert von mehr als EUR 1.000)
  • Regelmäßige Berichterstattung und Rechnungslegung an das Pflegschaftsgericht
  • Kosten des Sachwalters: bis zu 10 % des Nettoeinkommens und 2 % des Vermögens
  • Offenlegung des Vermögens bei Gericht

Problematisch ist die Sachwalterbestellung für einen Stifter insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der Sachwalter bei der Ausübung seiner Tätigkeit den Grundsatz des „Wohls der betroffenen Person“ zu beachten und damit vorrangig die Interessen des geschäftsunfähigen Stifters zu wahren hat und die Interessen der Stiftung dafür regelmäßig nicht relevant sind.

Zwar hat der Sachwalter die Vermögenslage des Vertretenen zu verbessern, wenn dazu die Möglichkeit besteht, der Schutz höchstpersönlicher Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit geht allerdings jedenfalls vor.[1] Das kann zu Situationen führen, in denen die Stiftung noch vor dem Ableben des geschäftsunfähigen Stifters durch den Sachwalter widerrufen wird, damit dieser bis an sein Lebensende großzügig gepflegt werden kann . [Reich-Rohrwig/Babinek, Geschäftsunfähigkeit von Stiftern, ecolex 2011, 687].

Die Ausübung von Stifterrechten durch den Sachwalter ist zudem häufig von pflegschaftsgerichtlichen Genehmigungen abhängig und damit der gerichtlichen Überwachung unterworfen.

Um solchen Konfliktsituationen vorzubeugen, gibt es mehrere Möglichkeiten: Einerseits kann sich der Stifter seine Rechte nur für die Dauer seiner Geschäftsfähigkeit vorbehalten und dies so in die Stiftungsurkunde aufnehmen; mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit erlöschen die Gestaltungsrechte dann und verhindern somit das Mitwirken eines stiftungsfremden Sachwalters an der Stiftung.

Andererseits besteht die Möglichkeit, dass der Stifter eine Vorsorgevollmacht errichtet und in dieser die Wahrnehmung der Stifterrechte nach Eintritt seiner Geschäftsunfähigkeit näher regelt.

3          Die Vorsorgevollmacht

Für die gültige Errichtung einer Vorsorgevollmacht nach österreichischem Recht ist es notwendig, dass sämtliche Angelegenheiten, zu deren Besorgung die Vollmacht erteilt werden soll, bestimmt in der Vorsorgevollmacht angeführt werden. Das bedeutet für den Stifter, dass neben Geschäftsanteilen, Liegenschaften, Konten, Depots, Sparbüchern und Schließfächern vor allem auch die Stifterrechte, über welche der zu Bevollmächtigende im Rahmen der Vorsorgevollmacht verfügen soll, sowie auch der Umfang der Verfügungsmacht in der Vorsorgevollmacht im Detail angegeben werden müssen.

Da die Vorsorgevollmacht normalerweise auch für Einwilligungen in schwerwiegende medizinische Behandlungen, Entscheidungen über dauerhafte Änderungen des Wohnorts und die Besorgung von Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, erteilt wird (sog „Vorsorgevollmacht für wichtige Angelegenheiten“), muss sie vor einem Rechtsanwalt, Notar oder Gericht errichtet werden.

Soll der Bevollmächtigte nicht nur zur Verwaltung, sondern auch zur Verfügung über Liegenschaften oder Gesellschaftsanteile berechtigt werden, ist als zusätzliches Formerfordernis die Beglaubigung der Unterschrift des Vollmachtgebers durch einen Notar erforderlich. Für eine Vorsorgevollmacht, in der auch über Stifterrechte verfügt wird, ist aufgrund § 39 Abs 1 PSG iVm § 69 Abs 1a NO die durch notarielle Beglaubigung qualifizierte Form der Errichtung insbesondere dann notwendig, wenn über das Änderungs- oder das Widerrufsrecht des Stifters verfügt wird [Barth/Dokalik in Barth/Ganner, Handbuch Sachwalterrecht2 (2010) 268].

Der Eintritt des Vorsorgefalls selbst (Verlust der Geschäftsfähigkeit, Einsichts- und Urteils- oder Äußerungsfähigkeit) muss durch ein fachärztliches Gutachten nachgewiesen werden. Auf Basis dieses Gutachtens registriert der Notar das Wirksamwerden der Vorsorgevollmachten und stellt dem Bevollmächtigten eine Bestätigung aus.

4          Erwachsenenschutzgesetz

Das 2. Erwachsenenschutzgesetz (BGBl I 2017/59) tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft. Die Novelle übernimmt die Regelungen betreffend die Vorsorgevollmacht weitestgehend unverändert ins neue Recht. In Zusammenhang mit der Errichtung einer Vorsorgevollmacht als Stifter ergeben sich aus der Novelle keine wesentlichen Neuerungen. Zu betonen ist allerdings, dass wenn der Vollmachtgeber Unternehmen, Stiftungen, Liegenschaften oder im Ausland befindliche Vermögenswerte zum Gegenstand der Vorsorgevollmacht machen möchte, die Errichtung der Vorsorgevollmacht jedenfalls vor einem Rechtsanwalt/Notar zu erfolgen hat; eine Errichtung vor einem Erwachsenenschutzverein (vormals: Sachwalterverein) ist in diesen Fällen nicht zulässig (vgl § 4c Abs 2 Z 1 und 2 ErwSchVG).

5          Vorsorge ist aber nicht nur für den Stifter notwendig!

Neben den Stifterrechten sollte aber auch für Begünstigtenrechte, Beirats- und Vorstandsfunktionen vorgesorgt werden.

Auch beim Eintritt der Geschäftsunfähigkeit eines Begünstigten besteht nämlich das Risiko, dass dessen Rechte durch einen (fremden) Sachwalter wahrgenommen werden. Eine Regelung in der Stiftungsurkunde, mit der sämtliche Rechte der Begünstigten bei Eintritt der Geschäftsunfähigkeit erlöschen, kann hier allerdings nur in bedingtem Maße Abhilfe schaffen, da gesetzlich vorgesehene Rechte wie das Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 30 PSG oder die Antragslegitimation zur Auflösung der Stiftung iSd § 35 Abs 3 und 4 PSG in der Stiftungsurkunde nicht wirksam ausgeschlossen werden können und daher der Wahrnehmung durch den Sachwalter grundsätzlich offenstehen[zum Auskunftsanspruch vgl Arnold, PSG3 § 30 Rz 2]. Deshalb bietet sich hier die Errichtung einer Vorsorgevollmacht an, um eine gewählte Person mit der Wahrnehmung dieser gesetzlichen Rechte zu betrauen.

Bei der Bestellung von Mitgliedern von Organen der Stiftung ist immer Geschäftsfähigkeit gefordert. Fällt die Geschäftsfähigkeit eines Mitglieds des Stiftungsvorstands während aufrechter Bestellung nicht nur kurzfristig weg, so liegt ein Abberufungsgrund iSd § 27 Abs 2 Z 2 PSG (Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben) vor [OGH 15.07.1999, 6 Ob 74/99x].

Ebenso wie für die Mitglieder des Stiftungsvorstandes ist Geschäftsfähigkeit während aufrechter Funktion als Mitglied des Stiftungsbeirates gefordert, da ansonsten die Haftungsbestimmung des § 29 PSG, die für eine Verantwortlichkeit der Mitglieder eine schuldhafte Pflichtverletzung verlangt, ins Leere liefe.

Es bietet sich hier die Aufnahme einer klarstellenden Regelung in die Stiftungsurkunde an, wonach bei Wegfall der Geschäftsfähigkeit die Funktion als Stiftungsorganmitglied erlischt.

6          Conclusio

Zusammenfassend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass für den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit jedenfalls vorzusorgen ist. In der Praxis hat sich im Zusammenhang mit der Stiftung zumeist die Vorsorge in der Stiftungsurkunde selbst (Erlöschen der Funktion des Organs bzw. des Rechts) am praktikabelsten erwiesen. Trotzdem sollte man jedoch für die „stiftungsfremden Bereiche“ (Privatleben, Unternehmen, Liegenschaften,…) mittels Vorsorgevollmacht vorsorgen.

MMag. Dr. Nikola Leitner-Bommer ist Rechtsanwältin und Dr. Theresa Hittmair, LL.M. ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Kerschbaum Partner Rechtsanwälte.

http://www.kpra.at/de

Dieser Beitrag wurde von Mag. Manfred Wieland, TEP am auf der Stiftungsplattform www.stiftung-nextgen.at in der Rubrik „Privatstiftungsrecht“ veröffentlicht.