29 Mar Und jährlich grüßt … die Hauptversammlung
Last Updated on 2017-03-29
Mag. Gernot Wilfling, Partner MPLaw
Welche Fragen von Aktionären müssen beantwortet werden?
Hier ist zweistufig zu prüfen. Zunächst ist zu klären, ob überhaupt eine Auskunftspflicht besteht. Dies ist der Fall, wenn die Antwort auf eine Frage (i) eine Angelegenheit der Gesellschaft betrifft und (ii) zum sachgemäßen Beurteilen eines Tagesordnungspunkts durch den Aktionär erforderlich ist. Fragen, die für einen objektiv denkenden Durchschnittsaktionär belanglos sind, müssen demnach nicht zugelassen werden. Außerdem sind quantitative Einschränkungen in Form von Höchstgrenzen für Fragen zulässig. In zeitlicher Hinsicht beschränkt sich das Auskunftsrecht zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage regelmäßig auf Angelegenheiten, die den der ordentlichen Hauptversammlung zugrunde liegenden Berichtszeitraum betreffen. Aus dem Tagesordnungspunkt („TOP“) „Entlastung“ resultierend soll es aber ausnahmsweise (bei substanziellen Auswirkungen auf die Berichtsperiode) auch zulässig sein, Fragen zu Vorperioden zu stellen. Bei einem Zweifel an der Erforderlichkeit (Beurteilungserheblichkeit) kann der Versammlungsleiter den Aktionär auffordern, diese darzulegen.
Besteht nach vorstehenden Grundsätzen prinzipiell ein Auskunftsanspruch, kann die Antwort auf eine Aktionärsfrage verweigert werden, soweit (i) sie nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung geeignet ist, dem Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen oder (ii) ihre Erteilung strafbar wäre. Droht ein erheblicher Nachteil, kann die Auskunft ohne Rücksicht auf allfällige besondere Interessen des Aktionärs verweigert werden (keine Interessenabwägung). Vertragliche Geheimhaltungsvereinbarungen mit Dritten rechtfertigen dabei die Auskunftsverweigerung nur, wenn für eine solche Vereinbarung aus Sicht der Gesellschaft eine objektive Notwendigkeit bestand.
Auskunftspflichtverletzungen können zu Sonderprüfungen und Beschlussanfechtungen führen (siehe dazu im Detail unten). Zudem können Auskünfte im Außerstreitverfahren erzwungen werden (Zwangsstrafen). Zuletzt sind auch Schadenersatzpflichten nicht ausgeschlossen. Dies erklärt, warum Fragen von Aktionären in der Regel bereitwillig und geduldig beantwortet und Auskünfte nur ausnahmsweise verweigert werden. Ratsam und praktisch üblich ist, sich auf allfällige heikle Fragen akribisch vorzubereiten. Für vorhersehbare Fragen wird überhaupt eine Vorbereitungspflicht des Vorstands vertreten.
Wann droht eine Sonderprüfung?
Das Aktiengesetz räumt unter bestimmten Umständen die Möglichkeit ein, einzelne Vorgänge der Geschäftsführung mit Einfluss auf die Finanzlage inklusive Kapitalmaßnahmen einer Sonderprüfung zu unterziehen. Dazu kann mit einfacher Stimmenmehrheit jederzeit ein Wirtschaftsprüfer zum Sonderprüfer bestellt werden (entweder ad hoc zu einem behandelten TOP oder nach gesonderter Ankündigung in der Tagesordnung).
Eine von der Aktionärsmehrheit getragene Sonderprüfung(sdrohung) ist aber eher die Ausnahme. Rund um ordentliche Hauptversammlungen relevanter ist, wann Minderheitsaktionäre eine Sonderprüfung durchsetzen können. Dies ist etwa denkbar, wenn der Mehrheitsaktionär einem Stimmverbot unterliegt (das Thema „Stimmverbote“ füllt locker einen eigenen Beitrag und wird im nächsten Newsletter ausführlich behandelt). § 131 Abs 1 S 2 AktG enthält dazu eine Sonderregel: „Bei der Beschlussfassung kann ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats weder für sich noch für einen anderen mitstimmen, wenn die Prüfung sich auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zusammenhängen.“ Für ein solches Mitglied kann das Stimmrecht auch nicht durch einen Dritten ausgeübt werden, weshalb direkt oder indirekt Organmitgliedern zurechenbare Aktien bei der Abstimmung über eine Sonderprüfung häufig einem Stimmverbot unterliegen werden.
Zudem besteht ein Minderheitenrecht auf gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers, wenn die Hauptversammlung einen diesbezüglichen Antrag ablehnt. Voraussetzung ist zunächst (anders als bei durch die Hauptversammlung angeordneten Sonderprüfungen), dass der zu prüfende Vorgang nicht länger als zwei Jahre zurück liegt. Das gerichtliche Begehren muss außerdem von Minderheitsaktionären getragen sein, die eine Beteiligung von mindestens 10% am Grundkapital der Gesellschaft erreichen. Die Antragsteller müssen weiters seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Aktionäre sein. Stattzugeben ist dem Begehren nur, wenn grobe Verletzungen von Gesetz oder Satzung glaubhaft gemacht werden können. Die Kosten trägt diesfalls die Gesellschaft. Gibt das Gericht dem Bestellungsantrag dagegen nicht statt oder stellt sich dieser letztlich als unbegründet heraus, können Aktionäre für vorsätzliche oder grob fahrlässige Anträge zur Verantwortung gezogen werden.
Wann muss man eine Beschlussanfechtung fürchten?
Insbesondere bei Bestehen eines Kern-/Mehrheitsaktionärs hat die Verwaltung häufig schon vor der ordentlichen Hauptversammlung ein gutes Gefühl dafür, welche Beschlussgegenstände in welcher Form konsensfähig sind. Zu befürchten ist allenfalls, dass opponierende Aktionäre Beschlüsse im Nachhinein gerichtlich beseitigen lassen können. Die ordnungsgemäße Einberufung vorausgesetzt, bedarf es für eine solche Beschlussanfechtung zunächst eines Widerspruchs zur Niederschrift. Oder anders ausgedrückt: Auch wenn eine Hauptversammlung von noch so lauten Nebengeräuschen begleitet wird – erhebt letztlich kein Aktionär Widerspruch gegen einen Beschluss, ist das Anfechtungsrisiko vom Tisch.
Widersprechende Aktionäre können Beschlüsse binnen eines Monats ab Beschlussfassung wegen Gesetzes- oder Satzungsverletzung anfechten. Abgesehen von Formmängeln und offensichtlichen Gesetzesverstößen sind Anfechtungsklagen häufig auf Verletzungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes, eines Stimmverbots oder der Treuepflicht gestützt. Im Sinne einer materiellen Beschlusskontrolle wird auch gelegentlich das Nichtvorliegen einer erforderlichen sachlichen Rechtfertigung (etwa iZm Bezugsrechtsausschlüssen o.ä.) vorgebracht. Wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen kann ein Beschluss dann angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte.
Kommt es zu einer Anfechtung, bietet § 197 Abs 6 AktG eine wichtige prozessuale Waffe. Demgemäß hat das Gericht auf Antrag einer Partei den Wert des Streitgegenstandes anhand der Umstände des Einzelfalls zu bemessen, ohne dabei an die Streitwertbemessung des Klägers in der Klage gebunden zu sein. Hiermit kann das Kostenrisiko des Klägers unter Umständen massiv erhöht werden, weshalb § 197 Abs 6 AktG auch im Vorfeld von Prozessen bereits eine gewisse abschreckende Wirkung hat. Zudem sind für einen Schaden aus unbegründeter Anfechtung die Kläger, denen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, als Gesamtschuldner gegenüber der Gesellschaft haftbar.
Dieser Beitrag ist im MPLaw Newsletter Capital Markets/Finance Issue 1|2017 erschienen.
Mag. Gernot Wilfling ist Partner bei MPLaw und Leiter des Teams Capital Markets/Finance.
Website Müller Partner Rechtsanwälte GmbH: www.mplaw.at
MPLaw ist Kooperationspartner von INARA.