„Vergabekultur in Österreich – Haben wir eine oder brauchen wir eine?“

„Vergabekultur in Österreich – Haben wir eine oder brauchen wir eine?“

Last Updated on 2017-05-07

Über den Dächern von Wien, im Ocean Sky, Haus des Meeres, diskutierte vorige Woche auf Einladung der Kommunikationsagentur Unteregger eine hochkarätige Expertenrunde über Vergabekultur, Compliance und Handschlagqualität bei Bauvorhaben. Moderiert wurde die gut besuchte Veranstaltung von der Fach-Journalistin Dr. Gisela Gary. DI Herbert Logar, MRICS, derzeit ADEQAT Investment Services, betonte, dass bei Objekten für die Eigennutzung mehr auf die Qualität und die Kosten über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes geachtet werde. Fremdnutzern, also Investoren, ist das weniger wichtig, weil sie nach ein paar Jahren ohnehin verkaufen wollen.

Ein Thema, das die gesamte Branche derzeit intensiv beschäftigt, ist das Bundesvergabegesetz. Es gilt zwar nur für einen bestimmten Bereich, laut Dr. Bruno Ettenauer von der PEMA Gruppe werden sich aber zumindest bei größeren Bauvorhaben viele Firmen freiwillig daran halten. Das verspreche Sicherheit, man müsse dann keine Anfechtungen befürchten. Über jedem, der vergibt, schwebt ja heute laut Ettenauer das Unwort „Untreue“, eine Entscheidung kann einem binnen weniger Jahre auf den Kopf fallen. Deshalb seien alle im Absicherungsmodus gefangen. Öffentliche Auftraggeber sind laut Michael Wisser, Chef der deutschen WISAG, grundsätzlich zunächst schwierig, weil preisgetrieben. Es könnte ja der Rechnungshof lästig werden usw.

Als „Grundübel“ der Branche sieht DI Markus Werner von Werner Consult ZT-GmbH den Preisdruck. Deshalb denke auch niemand an den Lebenszyklus. Ähnlich sieht es EURIng. Norbert Küblböck von ENGIE Gebäudetechnik GmbH. Nachhaltigkeit sei heute bloß ein Schlagwort, jeder achte nur auf seinen eigenen Vorteil. Allerdings, so a.o. Univ.Prof. Dr. Alexander Redlein von der TU Wien, sei das Bestbieterprinzip schon seit langem im Vergabegesetz verankert.  Im neuen Gesetze werde es sogar noch stärker betont, weil auch soziale und ökologische Kriterien einbezogen werden müssen.

Generell wird heute fast ausschließlich an Generalunternehmer vergeben. Küblböck findet das „fürchterlich“, weil es für den Lebenszyklus kontraproduktiv sei. Laut Logar geht es aber fast nicht anders, weil es Investoren und Bauherren an Fachleuten mangelt, um ein Objekt selbst durchzuplanen. Der Bauherr sollte aber mündig sein und seine Verantwortung auch wahrnehmen, meinte die Runde übereinstimmend. Als problematisch wird der Einsatz von zahlreichen Subunternehmern gesehen, ohne sie kämen aber selbst Großunternehmen heute nicht mehr aus.

Bei der Compliance sei das Pendel zu weit ausgeschlagen, meinte Werner und berichtete von Sitzungen, wo Teilnehmer aus Compliance-Gründen den zweiten Kaffee ablehnen. Wisser wurde wegen einer preiswerten Flasche Wein, die er zu Weihnachten verschenkte, beinahe von der Lieferantenliste des Empfängers gestrichen. So etwas sei absurd, war man sich am Podium, aber auch im Publikum einig. Logar berichtete aus seiner früheren Tätigkeit bei der ÖBB, wo es ein 90 Seiten dickes Compliance-Handbuch gab, das schwer lesbar und für die Praxis unbrauchbar war. Daraufhin entschied der damalige ÖBB-Boss Christian Kern, was die Leute privat machen, dürfen sie auch in der Firma.

Fazit der Diskussion, nach der in geselliger Runde noch lange weiter debattiert wurde: Es gibt durchaus Handschlagqualität, man muss sich aber seine Partner genau ansehen. Und, so Gary: „Wir haben eine Vergabekultur, aber wegen der gesetzlichen Bestimmungen ist alles sehr komplex geworden. Daher ist die Kommunikation zwischen allen Beteiligten besonders wichtig.“

 

Michaela Unteregger

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