29 Mar „Was Finanzexperten im Aufsichtsrat mitbringen müssen“
Last Updated on 2017-03-29
Früher bestand der Aufsichtsrat eines Unternehmens vorwiegend aus einem Netzwerk alter Freunde und Kollegen aus der Branche. Mittlerweile hat sich der Auswahlprozess von Aufsichtsratsmitgliedern deutlich professionalisiert. Finanzexpertise ist heute ausdrücklich erwünscht und gefragt. Wie man solche Finanzexperten findet und welche Anforderungen an sie gestellt werden erläutert Rudolf X. Ruter, Wirtschaftsprüfer und Autor mehrerer Fachbücher, im Gespräch mit FINANCE-TV.
Finanzexpertise ist nicht nur erwünscht, der Financial Expert ist – betont Ruter – sogar seit einigen Jahren gesetzlich vorgeschrieben und zwar möglichst als Mitglied oder Leiter des Prüfungsausschusses. Bei der Auswahl geeigneter Kandidaten sollte nicht auf ein old-boys-Netzwerk zurückgegriffen werden. Nötig sei vielmehr ein systematischer und professioneller Auswahlvorgang. Zunächst müsse überlegt werden, welche Gruppenkompetenz im Aufsichtsrat benötigt wird. Wenn es im Aufsichtsgremium zu wenig Finanzexpertise gibt, sollte gezielt nach einem Aufsichtsrat gesucht werden, der diese Fähigkeiten mitbringt. Der Gesetzgeber hat da einige Idealfunktionen vorgegeben: Financial Experts können CFOs oder ehemalige Finanzvorstände sein, aber auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Laut einer höchstgerichtlichen Entscheidung würde auch eine kaufmännische Grundausbildung reichen. In der Praxis ist das aber nicht der Fall, betont Ruter.
Neben der fachlichen Kompetenz – ein Kandidat muss im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit im Finanzbereich Erfahrungen gesammelt haben – sei auch die persönliche Kompetenz wichtig. In der neuen Präambel zum Corporate Governance Kodex wird der ehrbare Kaufmann in den Vordergrund gerückt. Laut Ruter geht es darum, Persönlichkeiten mit Leidenschaft, Charakter und Anstand zu finden. Nicht jeder, der über das erforderliche Wissen verfüge, bringe auch die zugehörigen Soft Skills mit.
Die generellen Anforderungen an Aufsichtsräte seien in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen, betont Ruter. Weil Haftungsthemen immer wichtiger werden, werde es schwieriger, Kandidaten für die Übernahme eines Aufsichtsratsmandats zu finden. Nominierungen werden deshalb manchmal auch abgelehnt.
Welche Kernaufgaben hat nun der Financial Expert? Wenn er Vorsitzender des Prüfungsausschusses ist, muss er gemeinsam mit den anderen Ausschussmitgliedern dafür sorgen, dass zeitnah und transparent in den Bereichen Bilanz, Compliance und Risikomanagement die richtigen Informationen von den internen Management- und Kontrollsystemen so aufbereiten werden, dass sie als Geschäfts- und Quartalsberichte, ad-Hoc-Meldungen usw. an die externe Öffentlichkeit gehen können. Weiters obliegt ihm die Verantwortung für das Compliance- und das Risikomanagementsystem. Oft ist auch der Rechtsbereich am Prüfungsausschuss aufgehängt, in großen Unternehmen vielfach auch kombiniert mit der Verantwortung für das Thema Ethik. Daher kommt es immer öfter vor, dass Ethikfragen zum Prüfungsausschuss und nicht direkt beim Aufsichtsratsvorsitz ressortieren.
Der Zeitaufwand für ein Aufsichtsratsmandat wird laut Ruter oft unterschätzt. Bei einem mittelständischen kapitalmarktorientierten Unternehmen liegt er für den Aufsichtsratsvorsitzenden bei etwa 60 bis 80 Arbeitstagen pro Jahr. Ähnlich hoch ist die zeitliche Beanspruchung für den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses. Beide Werte gelten allerdings nur für Unternehmen im „Normalzustand“. Befindet sich ein Unternehmen im Krisenmodus, sind bis zu 100 Arbeitstage im Jahr einzuplanen. Daher die – laut Ruter – berechtigte Forderung von Experten, dass eine Person nur zwei oder drei, höchstens vier Aufsichtsratsmandate haben sollte. Andernfalls sei eine qualifizierte Aufsichtsratstätigkeit kaum möglich. Generell werde der Zeitaufwand für ein Aufsichtsratsmandat meist unterschätzt.
Die heute deutlich kompetenter besetzten Aufsichtsräte bringen für das Management höhere Anforderungen mit sich. Den Vorständen sitzen heute oft ehemalige Kollegen gegenüber, Vorsitzende des Aufsichtsrates oder des Prüfungsausschusses sind idealerweise Wirtschaftsprüfer oder Finanzvorstände. Diese Personen brauchen natürlich Ansprechpartner auf Augenhöhe und erkennen in einer engen Kommunikation relativ rasch, ob die operative Ebene richtig besetzt ist oder es Defizite im Management gibt, sodass gegebenenfalls beim Personal adjustiert werden muss.
Das Videointerview finden Sie auf: http://www.finance-magazin.de/finance-tv/was-finanzexperten-im-aufsichtsrat-mitbringen-muessen-1399371/
Mehr zu Rudolf X. Ruter: www.ruter.de